Brünner Polizei sucht nach möglichen Tätern eines 64 Jahre alten Massenmords

Die Kriminalpolizei im südmährischen Brno/Brünn ermittelt derzeit in der Sache eines Massenmords, der vor 64 Jahren an einer Gruppe tschechoslowakischer Bürger deutscher Nationalität begangen worden sein soll. In der Nacht vom 19. auf 20. Mai 1945 sollen die Deutschen in der Nähe von Dobronín/Dobrenz, einer Gemeinde unweit von Jihlava/Iglau, von Tschechen brutal ermordet und in einem Massengrab verscharrt worden sein.

Im September haben die Brünner Kriminalbeamten die deutsche Schriftstellerin Herma Kennel befragt, die ein Buch über die Ereignisse im Mai 1945 im damaligen Dorf Kamenná/Bergersdorf geschrieben hat. Das Buch mit dem Titel „Bergersdorf“ hat sie im September auf einer Pressekonferenz in Jihlava/Iglau vorgestellt. Initiatoren der polizeilichen Ermittlungen sind zwei Reporter der Iglauer Tageszeitung „Deník“. Ihre Entscheidung, eine Strafanzeige zu stellen, basiert auf dem Verdacht, dass elf Männer etwa zehn Tage nach Kriegsende brutal ermordet wurden, nachdem sie vorher ihr eigenes Grab auf einer Wiese auszuheben hatten. Was den Reporter der Tageszeitung „Deník“, Miroslav Mareš, bewogen hat, Strafanzeige zu stellen, sagte er gegenüber dem Tschechischen Rundfunk:

„Am Anfang habe ich per Zufall eine deutsch geschriebene Information im Internet gelesen, derzufolge es Ende Mai 1945 zu gewissen Ereignissen in Dobronín gekommen sein soll. Es hat mich überrascht, dass hierzu keine Zeugenaussage und kein schriftliches Dokument auf der tschechischen Seite zu finden ist, obwohl in Deutschland darüber berichtet wurde. Das hat mein Interesse geweckt“.

Entweder sei die Information über den Massenmord nicht oder irgendwie verzerrt, dachte Mareš und ging der Sache weiter nach:

„Ich begann vor Ort nach Informationen zu suchen, habe aber keinen schriftlichen Beleg gefunden. Dann schrieb ich nach Deutschland, dass die veröffentlichte Information möglicherweise ungenau oder verzerrt sei. Als Antwort erhielt ich eine notariell beglaubigte Erklärung eines Menschen, dass sein Onkel Ende Mai 1945 als verschollen galt, nachdem er vorher in einem provisorischen Dorfgefängnis unter Aufsicht bewaffneter Personen, wahrscheinlich Angehöriger der so genannten revolutionären Garden, zum letzten Mal gesehen wurde.“

Im Mai 1945 warteten dort die deutschsprachigen Dorfbewohner auf die Vertreibung und wurden in einem Landgut gefangen gehalten. In der Bergersdorfer Kneipe hatten die Tschechen die Befreiung des Landes gefeiert und einige von ihnen sollen später in der Nacht bis zu 15 Männer von den eingesperrten Deutschen aus dem Dorf hinausgejagt haben. Seither hat sie niemand mehr gesehen. Miroslav Mareš glaubt von elf verschollenen Personen zu wissen, die von ihren Verwandten in Deutschland vermisst werden. Das tschechische Gebiet hatten sie aber im Rahmen der Nachkriegsvertreibung nicht verlassen. Mareš möchte wissen, was mit ihnen passiert ist. Er habe sich daher an den tschechischen Staat gewandt.

„Ich glaube, dass bei den besagten Ereignissen Menschen durch Gewalttaten ums Leben gekommen sein könnten. Für mich war nicht wichtig, ob es Deutsche oder Tschechen waren. Es waren aber in jedem Fall Menschen, und daher kann man von einem Verbrechen sprechen.“