Die architektonische Schatzkammer des sechsten Stadtbezirks
Das Lustschloss Hvězda, das Benediktinerkloster Břevnov, aber auch dieVilla Müller des Architekten Adolf Loos oder die ganz neu eröffnete Technische Nationalbibliothek – dies sind nur einige Beispiele von wertvoller Architektur im sechsten Prager Stadtbezirk. Im Bewusstsein der Prager gelten Stadtteile wie Dejvice oder Střešovice als vornehme Stadtviertel. Neben Villen gibt es hier viele Mietshäuser aus der Ersten Republik, die von einem sehr hohen architektonischen Niveau sind, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht sehr auffallen. Eine Ausstellung über die Architektur nicht nur der Stadtteile Dejvice, und Střešovice, sondern auch beispielsweise von Břevnov, Petřiny, Liboc und Bubeneč wurde vor kurzem im Písek-Tor unweit der Prager Burg eröffnet.
Die Ausstellung über bedeutende Bauten in Prag 6 geht von einem Bildband aus, der soeben vom Verlag Foibos herausgegeben wurde. Der Band knüpft an eine Reihe von Bildbänden an, in denen die berühmten Villen in den einzelnen Regionen Tschechiens vorgestellt wurden. Der Verlag begann danach, auch bedeutende Bauwerke in den einzelnen Prager Stadtbezirken auszusuchen und näher zu beschreiben. Der Architekt Petr Urlich leitete das Autorenteam, das den Bildband über Prag 6 zusammenstellte. Er ist zudem Kurator der Ausstellung über die Architektur der „šestka“. Es sei nicht einfach gewesen, die 72 Bauten auszusuchen, die es verdienen würden, vorgestellt zu werden, sagt der Kurator. Denn in Dejvice seien alle Häuser von guten Architekten erbaut worden und die Qualität der Architektur sei unbestritten.
„Wir mussten bei der Auswahl nach einem weiteren Kriterium suchen. Es ging uns also auch darum, einen Querschnitt von den ältesten Baudenkmälern bis zur neuesten Architektur zu bieten. Es sollten Bauten aus verschiedenen Epochen im Buch vertreten sein. Ein weiteres Kriterium für die Auswahl war, ob es genügend Informationen über das Gebäude, das Grundstück sowie deren Besitzer gibt. Wenn solche Angaben fehlen, kann man ein Bauwerk nur sehr allgemein beschreiben. Und dies ist uns im Falle vieler Gebäude passiert, die der Armee gehören. So konnten wir beispielsweise das Gebäude des Verteidigungsministeriums – die einst berühmte Kadettenschule - nicht in die Ausstellung und den Bildband aufnehmen.“
Mehrere der Villen aus Střešovice, Bubeneč oder Dejvice wurden bereits im Bildband vorgestellt, in dem die bedeutendsten Villen aus ganz Prag beschrieben wurden. Erwähnt wurden dort auch Häuser, die für Familie Petschek in Bubeneč erbaut wurden. Die Villa von Otto Petschek wurde vom Architekten Max Spielmann erbaut. Nach Petscheks Tod im 1934 haben dort bis 1938seine Nachkommen gewohnt. Dann verkauften sie die Villa und sind in die USA geflüchtet. Während der Okkupation wurde die Residenz in den Sitz eines Nazi-Befehlshabers umgewandelt. Im September 1945 hat die amerikanische Botschaft das Gebäude gemietet und es schließlich 1948 gekauft. Die Residenz des US-Botschafters ist in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts berühmt geworden: Damals hatten die US-Botschafter zahlreiche Dissidenten in die Villa eingeladen. Das Haus von Bedřich Petschek in Bubeneč, das auch von Max Spielmann entworfen wurde, hat ein anderes Schicksal erlitten. Petschek verkaufte die Villa bereits im Jahr 1927 an den Bankier Jiří Popper. Popper wiederum flüchtete kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach London. Seine Villa wurde von den Nazis beschlagnahmt. Heutzutage hat die russische Botschaft in der Villa ihren Sitz, wie Petr Urlich erläutert:
„Die Russen sind auf einem sehr ungewöhnlichen Weg zu dem Gebäude gekommen: Ich schreibe darüber in dem Buch, und falls die Russen das lesen werden, werden sie bestimmt sehr sauer sein. Anstelle das Gebäude Jiří Popper nach dem Krieg zurückzugeben, hat Präsident Edvard Beneš die Villa samt Ausstattung und umliegender Gebäude 1945 der Sowjetunion geschenkt. Über das Geschenk entschied er mit einem Dekret. Die Villa ist bis heute im Besitz der Russischen Föderation, die dort ihre Botschaft eingerichtet hat. Die Erben von Petschek leben im Ausland. Mit dem Dekret von Präsident Beneš wurde damals den Russen Eigentum geschenkt, das jemandem anderen gehörte. Das ist völlig inakzeptabel. Zudem waren die Petscheks Juden, die gezwungen waren, ins Ausland zu flüchten. Sie hinterließen hier ein großes Eigentum.“
Neben den Villen und Mietshäusern werden in der Ausstellung auch zahlreiche öffentliche Gebäude vorgestellt: etwa das ehemalige Waisenhaus in der Straße Milady Horákové, dessen Gebäude heute dem Kulturministerium gehört und zum Kulturdenkmal erklärt wurde. Im sechsten Stadtbezirk findet man außerdem zahlreiche Schulgebäude sowie Industrie- und Verkehrsbauten; zum Beispiel das Ökologisch-technische Museum in der alten Kläranlage, die Garagen der Elektrischen Betriebe oder auch den Flughafen Ruzyně. Einige dieser Industriebauten möchten wir Ihnen in einer der nächsten Ausgaben des „Spaziergangs durch Prag“ vorstellen.
Das älteste Baudenkmal, das in der Ausstellung vorgestellt wird, ist das Benediktinerstift in Břevnov. In dem Stift wurde ein Heiliger beigesetzt, der aus Bayern stammte und als Einsiedler im Böhmerwald gelebt hat. Falls Sie wissen, um welchen Heiligen es geht, können Sie es uns schreiben, denn so lautet die heutige Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Im Tschechischen nennen wir den Heiligen übrigens Vintíř. Ihre Zuschriften richten sie bitte an Radio Prag, Vinohradská 12, PLZ 120 99 Prag 2.
Vor einem Monat haben wir Sie danach gefragt, wo der dänische Astronom Tycho de Brahe bestattet wurde. Es war in der Teynkirche, wo er bis heute ein Grabmal hat. Ein Buch geht diesmal an Hans Petersen aus Sydals in Dänemark. Herzlichen Glückwunsch oder „gratulerer“!