Präsidenten, Ex-Präsidenten und rassistische Wahlspots zur Europawahl
In den Zeitungen dieser Woche haben vor allem Präsidenten viel Platz für sich beansprucht. Einmal der amtierende Präsident Klaus mit seiner Kritik an der vorherigen Topolánek-Regierung. Aber auch der frühere Präsident Havel hat von sich Reden gemacht. Da ging es um Autos und Konzentrationslager.
CR: Richtig, das, was dann Wellen geschlagen hat, war die Behauptung von Klaus, keine andere Regierung sei so anfällig für Lobbyisten gewesen, wie des letzten Premiers Topolánek. Wir müssen vielleicht daran erinnern, dass die Rivalität zwischen den beiden Bürgerdemokraten Klaus und Topolánek und der Streit um die Politik der ODS seit bald sieben Jahren anhält. Topolánek hat Klaus ja beerbt. Zuerst als Parteichef der ODS und dann auch als Premier, wenn auch nicht in direkter Nachfolge. Und Topolánek ist jemand, der Klaus weder persönlich noch politisch schmeckt. Dieser späte Lobbyismus-Vorwurf von Klaus, der ist nicht das eigentlich Interessante an dem Interview, meint der Politologe und Publizist Bohumil Doležal ebenfalls in der „Lidové noviny“. Was Lobbyismus betrifft, da nähmen sich die Topolánek-Regierung und die Klaus-Regierung der 90er Jahre nicht viel. Wichtig sei die Form, in der sich der Präsident öffentlich äußere, meint Doležal und schreibt:
„Der Präsident kritisiert mit der Autorität seines Amtes nur eine der beiden großen Parlamentsparteien. Er stellt dieser Partei sein eigenes, abweichendes politisches Konzept entgegen und tritt also selber auch wie eine politische Partei auf. Das sollte doch wohl gegen die Verfassung verstoßen. Dass es aber nicht gegen die Verfassung verstößt, ist die Schuld der Verfassungsväter. Sie haben nach der Wende mit heißer Nadel alles auf einen Václav Havel zugeschnitten. Das musste Klaus damals geduldig hinnehmen. Jetzt zahlt sich seine Geduld aus. Sein Verhalten ist nämlich nicht verfassungswidrig, es ist einfach nur nicht korrekt.“
Václav Havel hätte also als Präsident nie so konkret Parteipolitik gemacht wie Václav Klaus.
CR: Das meint jedenfalls der Kommentator Bohumil Doležal.
Topolánek hat ja zurückgefeuert und Unternehmer genannt, die sich als Lobbyisten eng um den damaligen Premier Klaus geschart haben.
CR: Ja und genau das Zurückfeuern hält der Kommentator Martin Komárek in der „Mladá fronta Dnes“ für überflüssig. Er schreibt:
„Dem Präsidenten kann nichts mehr passieren. Er ist für die Politik nicht verantwortlich, er ist nicht abwählbar und kann nicht strafrechtlich verfolgt werden. Sein politisches Ziel ist, die EU zu zerstören und wenn das nicht geht, dann wenigstens die ODS und vor allem Topolánek.“
Wir hatten aber schon angekündigt, dass nicht nur der eine Präsident in die Schlagzeilen geraten ist.
CR: Genau. Klaus´ Amtsvorgänger Václav Havel hat auch von sich Reden gemacht. Havel reagierte eigentlich nur auf die Forderung eines Politikers. Der hatte nämlich gesagt, der Autohersteller Skoda solle mehr Autos produzieren, damit die Leute Arbeite hätten. Havels Antwort: Das sei genauso logisch, wie zu sagen: Konzentrationslager muss es geben, damit Aufseher und Häftlinge Arbeit haben. Havel ging es schlicht darum zu sagen, dass eine Steigerung der Industrieproduktion nicht zum Selbstzweck werden sollte.
Aber solche Vergleich mit der Nazi-Zeit sind ja immer heikel. Darauf haben die Kommentatoren doch sicher reagiert, oder?CR: Ja, fast alle lehnen den Vergleich ab. Zum Beispiel Tomáš Němeček hält die Worte Havels für eine schlechte Wahl und schreibt in der „Hospodářské noviny“:
„Wenn man könnte, hätte man diesen Vergleich wie eine gesellschaftliche Peinlichkeit überhören müssen. Nur dass Havel eben kein unbedeutender Rentner ist, sondern Umfragen zufolge der bekannteste Tscheche und die drittgrößte Persönlichkeit in der tschechischen Geschichte überhaupt.“ Schreibt Nemecek und fragt: „Wo ist der Analytiker Havel geblieben, der mit Bedacht die genauesten Formulierungen findet? Wenn er über Menschenrechte gesprochen hätte, dann hätte er sich nie im Leben solch ein Geschwätz erlaubt.“
Schuster, bleib bei deinen Leisten. So klingt jedenfalls der Kommentar von Tomáš Němeček. Havel hat ja bei der Veranstaltung die Grünen unterstützt und gewarnt, dass es um die politische Landschaft schlecht stünde, wenn es die Grünen nicht mehr gäbe.
CR: Daran knüpft auch Alexandr Mitrofanov in seinem Kommentar für die Právo an. Er schreibt ironisch:
„Arbeiter und Ingenieure können ruhig ihren Job verlieren. Wenn aber die Grünenspitze mit Martin Bursík und Kateřina Jacques ihre Posten verlören, dann wäre das eine Katastrophe für das Land. Das predigt Václav Havel.“
Man sieht, auch Ex-Präsidenten sind umstritten, selbst wenn sie Václav Havel heißen.
CR: Genau. Aber lassen wir mal die Präsidenten und Ex-Präsidenten mal unter sich und uns noch ein anderes Thema vornehmen. Ein Medienthema erster Güte, denn es geht um einen TV-Skandal. Und zwar um den Wahlspot der rechtsradikalen Nationalpartei für die Europawahlen. Darin macht sie Front gegen die Roma-Minderheit: „Wir wollen keine Parasiten; deine Steuern sind ihre Zukunft“, heißt es da. Und in diesem Clip bietet die Nationalpartei wortwörtlich die „Endlösung der Zigeunerfrage als Anleitung für alle europäischen Staaten an“. Der Wahlspot wurde am Mittwoch ein Mal im Tschechischen Fernsehen ausgestrahlt. Dann bekam der Generaldirektor weiche Knie und nahm den Spot aus dem Programm. Obwohl ja die Öffentlich-rechtlichen verpflichtet sind, die Spots aller Parteien zu senden. Der Sender hat dann sofort Anzeige gegen die Partei erstattet. Der Kommentator der „Mladá fronta Dnes“, Jan Jandourek, lässt sich über den Wahlspot aus und kritisiert aber auch das Tschechische Fernsehen. Er schreibt:
„Peinlich war auch die Haltung des Tschechische Fernsehens, das den Clip angeblich senden musste, obwohl der Inhalt ganz eindeutig rassistisch war. Am Ende hat sich der Sender dann doch noch ermannt und diese Geschmacklosigkeit gestoppt. Warum sollten auch die Gebührenzahler so etwas bezahlen?“ fragt Jan Jandourek.
CR: Auch Jiří Franěk von der Zeitung „Právo“ sieht das ähnlich:
„Als unglücklich muss man allein schon die Tatsache bezeichnen, dass man so einen Dreck überhaupt sendet, auch wenn die Bedingungen für Wahlkampagnen gelten. Glück sehe ich hingegen darin, dass sich den insgesamt eine Stunde und 15 Minuten langen Block von politischen Wahlspots wohl niemand angesehen hat“, schreibt Jiří Franěk und hängt dann noch lakonisch dran: „Außer uns Kommentatoren, für die so etwas harte Arbeit ist, die sie lieber hinschmeißen würden.“
Alles in allem viel Aufregung um etwas, was ja eigentlich schon längst bekannt ist: der Hass der Rechtsradikalen gegenüber den Roma.
CR: Ja und nein. Es ist wahr, der Inhalt ist nichts Neues. Jetzt regt man sich eher auf, weil es über den öffentlich-rechtlichen Kanal ging und damit eben Millionen von Zuschauern erreicht werden. Das Wort „Endlösung“ ist in diesem Zusammenhang wahrlich nicht zum ersten Mal ins Gespräch gebracht worden.
Christian Rühmkorf war das mit dem Medienspiegel. Vielen Dank!