Tschechien mit einem Bein in der Rezession – Regierung legt Antikrisenplan vor
Die Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise werden auch in Tschechien immer spürbarer. Am Ende des Vorjahres war bereits ein Produktionsrückgang zu registrieren, nach Ende des ersten Quartals rechnet man damit, auch hierzulande in einer Rezession zu sein. Wird Tschechien diesen Entwicklungen wirksam entgegensteuern können?
„Eine Rezession ist dann erreicht, wenn das Wirtschaftswachstum in zwei aufeinander folgenden Quartalen eine rückläufige Tendenz aufweist. Das heißt, die tschechische Wirtschaft ist auf dem direkten Weg in die Rezession. Dieser Tatbestand wird in diesem Jahr zum Ende des ersten Quartals erreicht sein“, sagt der Chefökonom der UniCredit Bank, Pavel Sobíšek.
Die tschechische Wirtschaft ist also mit einem Bein bereits in der Rezession. Darüber könne auch das unerwartet gute Ergebnis im vierten Quartal nicht hinwegtäuschen, für das Sobíšek eine plausible Erklärung hat:
„Das Ergebnis des Bruttoinlandsproduktes für das vierte Quartal hat die schlimmsten Befürchtungen nicht wahr werden lassen. Das ist das Positive. Die Begleitumstände allerdings sind nicht so positiv. Aufgrund des deutlichen Export-Rückgangs und der stagnierenden Umsätze im Einzelhandel kann man darauf schließen, dass der Anstieg des Wirtschaftswachstums in beträchtlichem Maße auf eine Produktion auf Lager zurückzuführen ist. Sie kam zustande, weil sich die Auftragslage schlagartig verschlechtert hat.“
Dass auch die tschechische Wirtschaft in die weltweite Flaute gesteuert ist, beweist der starke Einbruch in der Industrieproduktion. Nach dem Negativrekord im November ist sie auch im Dezember erheblich zurückgegangen, und zwar nominell um 14,6 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2007. Bereinigt um die Unterschiede in der Zahl der Arbeitstage war der Rückgang sogar noch stärker und lag bei über 17 Prozent.
„Dieser Absturz kam nicht nur für die Statistiker, sondern auch für Analytiker und Ökonomen sehr überraschend. Es war ein Einbruch, wie man ihn in der Geschichte der Tschechischen Republik seit 1993 noch nicht gekannt hat“, so Josef Vlášek vom tschechischen Statistikamt. Vlášek nannte auch die Branchen, in denen die rasante Talfahrt besonders zu spüren war:
„Wenn wir nur auf das vierte Quartal schauen, dann haben in erster Linie die Automobilindustrie mit ihren Zulieferern sowie die Elektrotechnik und das Hüttenwesen den Einbruch in der Produktion bedingt. Wenn wir aber die Industrieproduktion des gesamten Jahres betrachten, dann macht sich der Rückgang am stärksten in der Textil- und Bekleidungsindustrie sowie in der Leder und Holz verarbeitenden Industrie bemerkbar.“
Auftragsflaute und Produktionsrückgang. Diese Tatsachen ziehen zwangsläufig noch ein weiteres Merkmal der Krise nach sich: die zunehmende Arbeitslosigkeit. Zu Jahresbeginn ist sie sprunghaft gestiegen, von 6 Prozent im Dezember auf 6,8 Prozent im Januar. Und Helena Horská, die Analytikerin der Raiffeisenbank, sieht das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht:
„Wir erwarten, dass die Arbeitslosigkeit in Tschechien spätestens im Herbst, also gegen Jahresende, auf über acht Prozent ansteigt. Das bedeutet, dass eine halbe Million Menschen keine Arbeit haben werden.“
Angesichts der großen Probleme, die die globale Finanz- und Wirtschaftskrise mittlerweile geschaffen hat, ist jetzt also auch in Tschechien ein gutes Krisenmanagement gefragt. Es geht um nicht mehr oder weniger als den Erhalt von Produktionsstandorten und damit auch von Arbeitsplätzen. Opposition und Gewerkschaften haben der Regierung von Premier Mirek Topolánek bereits vorgeworfen, die Entwicklung verschlafen zu haben. Niemand hat jedoch ein Patentrezept zur Bewältigung der Krise in der Tasche. Um nun Lösungen zu finden, wurde Anfang Januar der Nationale Wirtschaftsrat der Regierung (NERV) ins Leben gerufen – eine Art Rat der Wirtschaftsweisen unter Topoláneks Führung. Tomáš Sedláček, Chefökonom der Tschechoslowakischen Handelsbank (ČSOB), ist eines seiner zehn Mitglieder. Sedláček zur Ausgangslage:
„Wir sind ein kleine und offene Wirtschaft. Das heißt, wir können uns von den milliardenschweren Hilfspaketen, wie sie derzeit in Industrienationen wie den Vereinigten Staaten, Deutschland oder Frankreich geschnürt werden, nicht inspirieren lassen. In Tschechien ist die Binnennachfrage weit geringer, also können unsere Maßnahmen auch nicht darauf zielen, den Konsum zu stimulieren. Es macht wesentlich mehr Sinn, sich darauf zu konzentrieren, dass wir die Produktionskosten reduzieren. Zu diesen Maßnahmen gehören zum Beispiel die Unterstützung des Unternehmertums, die Senkung der Lohnnebenkosten oder die Senkung der Versicherungsbeiträge. Alles muss dazu beitragen, dass unsere Produkte konkurrenzfähig und sehr gut verkäuflich sind.“
Am Montag hat die tschechische Regierung nun endlich ein Maßnahmenpaket zur Krisenbewältigung verabschiedet; ein Paket, das der Wirtschaftsrat empfohlen hat. Unter anderem in diesem Paket enthalten sind die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, die Verkürzung der Abschreibungsfristen sowie die Absetzbarkeit der Mehrwertsteuer für neue Firmenwagen. Darüber hinaus ziehe der Staat eine Risikobeteiligung bei der Kreditvergabe an kleinere und mittlere Unternehmen in Betracht, sagte Finanzminister Kalousek. Auch staatliche Rückvergütungen gehören zum Hilfspaket. Arbeitsminister Petr Nečas erklärte dazu:
„Wir wollen den Arbeitgebern finanzielle Mittel an die Hand geben für die Zeiträume, in denen sie ihren Beschäftigten keine Arbeit anbieten können. Anstatt dass die Beschäftigten dann mit einer 60-prozentigen Lohnfortzahlung zu Hause bleiben, können sie mit Hilfe der staatlichen Zuwendungen zu Aus- und Weiterbildungslehrgänge geschickt werden. In dieser Zeit würden wir ihnen bis zu 80 Prozent ihres Lohns einschließlich des Arbeitgeberanteils der Kranken- und Sozialversicherungsbeiträge zahlen.“Einer Abwrackprämie für ältere Fahrzeuge, wie sie in Deutschland eingeführt wurde, erteilte die Regierung hingegen eine Absage. Die Kosten für das Maßnahmenpaket belaufen sich auf 1,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, sagte Premier Topolánek. Das sind umgerechnet rund 2,4 Milliarden Euro.
Zur Wirkung kommt das Maßnahmenpaket jedoch erst dann, wenn es im Parlament verabschiedet wird. Und da wird die Regierung in Detailfragen erneut auf den harten Widerstand der Opposition stoßen. Für den Vizechef der Sozialdemokraten und Finanzminister des Schattenkabinetts, Bohuslav Sobotka, kommt der Antikrisenplan der Regierung ohnehin zu spät:
„Das Maßnahmenpaket, das die Regierung vorgelegt hat, ist oberflächlich und unzureichend. Sie hat es zudem erst jetzt zu Papier gebracht, so dass die Maßnahmen legislativ noch nicht umgesetzt werden können. Mit anderen Worten: Die Regierung hat ihren so genannten Antikrisenplan ziemlich spät auf den Weg gebracht. Von daher wird er die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr praktisch nicht beeinflussen, sondern wird erst in das Wirtschaftsgeschehen des Jahres 2010 eingreifen.“