Winzerdemokratie in den Habanerkellern: Republik Kraví hora / Kuhberg
Über das Wallachische Königtum – tschechisch „Valašské království“, das der populäre tschechische Schauspieler Bolek Polívka vor etwa zehn Jahren in der mährischen Region Valašsko gegründet hat, haben wir in unseren Sendungen bereits einige Mal berichtet. Innerhalb der Tschechischen Republik gibt es jedoch nicht nur ein Königtum, sondern auch eine Winzerrepublik. Entstanden ist sie vor ein paar Jahren in der südmährischen Gemeinde Bořetice.
„Auf die Idee, eine Winzerrepublik zu gründen, kamen wir bereits in den 80er Jahren, weil wir den Tourismus ein wenig ankurbeln mussten und den Kleinwinzern beim Verkauf des Weins helfen wollten. Die Idee konnten wir erst im Jahr 2000 in die Tat umsetzen. Wir waren davon überzeugt, dass wir die Aufmerksamkeit der Medien wecken werden, wenn wir uns etwas ganz Verrücktes ausdenken. Und dies ist uns mit der Republik Kraví hora wirklich gelungen.“
Der Name Kraví hora bedeutet Kuhberg. Den Namen haben sich die Winzer nicht ausgedacht. Kraví hora war schon immer ein Ortsteil von Bořetice und war mit dem Weinbau verbunden, sagt Präsident Petrásek:„Die erste schriftliche Erwähnung der Gemeinde Bořetice stammt aus dem Jahr 1222. Die ersten schriftlichen Berichte über den Weinbau in Kraví hora stammen aus den Jahren 1355 und 1361. Der Wein wird hier wirklich Jahrhunderte lang angebaut.“
Die freie Bundesrepublik Kraví hora besitzt eine eigene Regierung mit einem Regierungsprogramm, in dem unter anderem verankert ist, dass in einer Winzerdemokratie die Weinqualität entscheidend ist – und nicht politische Proklamationen. Václav Petrásek dazu:
„Als eine Republik sind wir streng organisiert. Wir haben eine Regierung, die direkt gewählt wird. Die Bewohner bekommen eine Kandidatenliste mit etwa 30 Namen der hiesigen Winzer, von denen sie zehn Regierungsmitglieder ankreuzen sollen. Wer von den Winzern die meisten Stimmen bekommt, wird automatisch zum Präsidenten von Kraví hora ernannt. Der zweiterfolgreichste Kandidat bekleidet das Premierministeramt. Und die folgenden acht Winzer bilden das Regierungskabinett.“
Die Winzer von Kraví hora überlassen nichts dem Zufall. Dem Innenminister ist sogar auch ein lokaler Nachrichtendienst untergeordnet, sagt der Präsident:
„Wir haben den so genannten KIS – den Informationsdienst von Kraví hora. In diesen lokalen Nachrichtendienst werden die eifrigsten Klatschtanten aus dem Dorf angeworben. Die Republik Kraví hora unterschreibt auch Verträge über gegenseitige Hilfe und Zusammenarbeit, die natürlich für ewige Zeit geschlossen werden.“Einst gab es zwischen der Gemeinde Bořetice und dem fruchtbarsten gegenüber liegenden Hügel einen See. Die Bewohner haben damals am Fuße des Bergs Keller eingerichtet, um den Wein nicht über den See ins Dorf transportieren zu müssen. Die Keller dienten den Bewohnern oft aber auch als Versteck. Die Gemeinde befindet sich in der Nähe der ehemaligen mährisch-ungarischen und österreichisch-mährischen Grenze. Im Mittelalter wurde die Gemeinde oft angegriffen und ausgeplündert. In Bořetice ließen sich im 16. Jahrhundert zahlreiche Wiedertäufer nieder, die aus Deutschland und der Schweiz geflüchtet waren. In der Region wurden sie eher „habáni“ (Habaner) oder „toufaři“ genannt, erzählt Václav Petrásek:
„In unser Dorf kamen die Wiedertäufer 1545. Die Habaner brachten neue Kenntnisse über den Weinbau mit sich und die hiesigen Fürsten erlaubten ihnen, sich um die Weinberge zu kümmern. Die Habaner sollen hervorragende Handwerker gewesen sein. Es wird behauptet, dass sie mehr als 40 Handwerke beherrscht haben. Am bekanntesten ist bis heute die Habanerfayence. Die hiesige Habanergemeinde wurde 1605 von Fürst Stephan Bocskai und seinen Truppen überfallen. Die Wiedertäufer flüchteten damals in das nahe Dorf Kobylí und sind danach nicht mehr zurückgekehrt. 1622 wurden die Habaner aus Mähren ausgewiesen.“
Wie Präsident Petrásek hinzufügt, überlege man in der Winzerrepublik, ob man sich nicht an Ungarn eventuell mit einem Entschädigungsantrag für die Plünderung des Dorfes durch Fürst Bocskai wenden könnte.
Wie aus dem Wahlsystem der Winzerrepublik hervorgeht, muss das Präsidentenamt ein Winzer bekleiden. Auch Václav Petrásek ist keine Ausnahme, er bearbeitet einen etwa halben Hektar großen Weinberg.
„Seitdem ich nicht mehr Bürgermeister bin, kümmere ich mich nur um den Weinberg und um meine Hobbys: die Geschichte und die Archäologie. Ich sammle Material, um ein Buch über Bořetice herausgeben zu können. Zudem denken wir daran, ein Museum der Gemeinde zu errichten.
Welchen der Weine von Kraví hora bevorzugt das Oberhaupt der Winzerrepublik?
„Mein Lieblingswein ist der Blaue Portugieser. Je älter, desto interessanter. Dieser Rotwein wurde einst verachtet, mir schmeckt er aber am besten.“
Wenn man die Republik Kraví hora betritt, kommt man an einem stilisierten Zollamt vorbei, an dem auch das Wappen der Republik angebracht ist.
„Beim Entwurf des Wappens haben wir uns auf das alte Gemeindewappen und ein historisches Siegel gestützt, das aus dem Dreißigjährigen Krieg stammt. Der Krieg hatte für das Dorf schlimme Folgen, in der Gemeinde blieben nur noch sieben bewohnte Häuser stehen. Das Siegel stammt aus dem Jahr 1653. Auf diesem Siegel waren ein Pflug und eine Pflugschar abgebildet, beides hat Bořetice heute übrigens auch in seinem Wappen. Diese Instrumente im Wappen zeugen davon, dass im 17. Jahrhundert der Weinbau hier vernichtet wurde. Unsere Winzerrepublik hat natürlich ein Weinblatt und eine Weintraube im Wappen.“
Eine Katastrophe für die hiesige Weinproduktion stellte auch die so genannte „Kollektivierung“ der Landwirtschaft während des Kommunismus dar. Für den guten Ruf der hiesigen Weine sorgten damals, wie sich Václav Petrásek erinnert, nur die Kleinwinzer, für die der Weinbau nur Hobby war. Heutzutage gibt es unter dem Kuhberg insgesamt 260 Weinkeller, 15 weitere Keller liegen direkt im Dorf. Auch Touristen können übrigens Bürger von Kraví hora werden. Die Winzer stellen ihnen dann einen Reisepass ihrer Republik aus.