Trend zur Sparte: die Rundfunklandschaft in Tschechien
Auf den ersten Blick sind die Karten im tschechischen Äther klar vergeben: Neben drei großen landesweiten und allumfassenden Radiosendern buhlt eine Reihe von kleinen, oft lokalen Stationen um die Gunst der Hörerinnen und Hörer. Doch der Trend geht in Richtung zielgruppengerechtem Rundfunkprogramm und dem werden sich auch die großen Anbieter anpassen müssen. Robert Schuster hat mit dem Chefredakteur des tschechischen Medienservers radiotv.cz, Juraj Koiš, úber die tschechische Rundfunklandschaft gesprochen.
Der öffentlich-rechtliche Tschechische Rundfunk, Český rozhlas, hat in den vergangen Tagen sein 85. Jubiläum gefeiert. Dieser Geburtstag ist Anlass genug, einmal einen Blick auf die tschechische Rundfunklandschaft zu werfen. Unterscheidet sich denn die Landschaft von jener in anderen Ländern?
„Ich denke nicht, denn die die Rundfunklandschaft nimmt eher standardgemäße Formen an. Dass heißt, die Trends, die anderswo bereits vor Jahren zu sehen waren, haben sich mittlerweile auch in Tschechien durchgesetzt. Dazu gehört, dass sich einzelne Privatsender zu Netzwerken zusammengeschlossen haben. Eine weitere Entwicklung, die damit eng zusammenhängt, ist die Regionalisierung der Rundfunklandschaft. Die Betreiber legen also großen Wert darauf, einen starken Bezug zum jeweiligen Sendestandort herzustellen und aus der Region zu berichten. Der Wettbewerb wird aber in viel größerem Rahmen geführt. Regionale Radiosender können nur überleben, wenn sie in bestimmten Bereichen zusammenarbeiten. Erst dann können sie jene Dienstleistungen anbieten, die von den Hörern gewünscht werden.“
Womit versuchen die Radiostationen in Tschechien generell die Hörer anzusprechen – sind das Modelle, die schon zuvor anderswo erfolgreich waren oder geht man eher auf eigenen Wegen?
„Meistens handelt es sich tatsächlich um Modelle, die schon zuvor in anderen Ländern erfolgreich waren – vor allem in Westeuropa und Nordamerika. Die Rundfunklandschaft hat sich dort herauskristallisiert, die Verhaltensweisen der Hörer sind gut bekannt und so war es nur eine Frage der Zeit, bis das auch in Mitteleuropa eintrifft. Die Modelle aus dem Ausland wurden jedoch nicht im Maßstab 1:1 übertragen. Natürlich wurden sie den örtlichen Gepflogenheiten und Erwartungen angepasst.“
Der öffentlich-rechtliche Tschechische Rundfunk ist die größte Rundfunkanstalt Tschechiens. Er hat heute sieben vollwertige Programme, einschließlich Radio Prag, dem Auslandssender des Rundfunks. Ist sein Status als Anstalt des öffentlichen Rechts für den Rundfunk von Vorteil und gewährt ihm vielleicht gegenüber anderen Mitbewerbern auf dem tschechischen Markt einen gewissen Vorsprung?
„Der öffentlich-rechtliche Charakter einer Anstalt ist in unseren Breitengraden ein Vorteil. Weder der tschechische, noch der slowakische Markt sind ausreichend groß, um zum Beispiel den Stationen, die nicht auf reinen Kommerz setzen, sondern auch anspruchsvolle Programme bringen, das Überleben zu sichern. In dieser Hinsicht wird die Rolle des Tschechischen Rundfunks stets unersetzlich sein. Das ist nichts spezifisch Tschechisches, denn das Hauptziel von kommerziellen Sendern wird immer sein Gewinn zu erzielen, weil sie auch irgendwie ihren Betrieb finanzieren müssen. Schließlich wird kein Investor sein Geld in ein Projekt stecken, das nicht profitabel ist. In dieser Hinsicht hat der Tschechische Rundfunk den Vorteil, dass er auch aus öffentlichen Geldern finanziert wird und deshalb sich erlauben kann, auch Dienstleistungen anzubieten, die aus der Sicht von kommerziellen Stationen nicht profitabel sind.“
Welche anderen wichtigen Stationen gibt es neben dem Tschechischen Rundfunk noch in Tschechien?„Es gibt offiziell neben dem Tschechischen Rundfunk noch zwei andere landesweite Rundfunkstationen – Radio Impuls und Frekvence 1. Dazu kommen noch einige Radionetzwerke, die ein Zusammenschluss mehrerer regionaler Stationen sind. Eines der Netzwerke gehört dem Musiksender Europe 2. Das Prinzip dieser Rundfunknetzwerke besteht darin, dass die beteiligten Lokalradios einige Sendungen gemeinsam produzieren. Diese Sendungen können dann praktisch landesweit ausgestrahlt werden. Auf der anderen Seite bleibt damit der ursprüngliche Charakter der Stationen erhalten. Des Weiteren bestehen einige Radiostationen, die formal unabhängig sind und zum Beispiel lediglich in der Eigenvermarktung und Werbung zusammenarbeiten. Insgesamt muss ich gestehen, dass die Zahl jener Stationen, die von ihrem Programm her unabhängig sind, abnimmt. Heute sind es vielleicht gerade einmal zehn Sender im ganzen Land.“
Das Fernsehen und Printmedien setzen massiv auf die Ausweitung ihres Internetangebots, auf diese Weise entstehen praktisch völlig neue und mehr oder weniger selbständige Programme. Wie reagieren die Radiosender? Hat es so etwas überhaupt nötig?"Das hängt stark von den Erwartungen jedes einzelnen Hörers ab. Das klassische Radio, wie wir es hier in Tschechien noch vor zehn Jahren gekannt haben, wird immer stärker in den Hintergrund treten. Die Zukunft gehört jenen Rundfunkstationen, die sich auf bestimmte Genres spezialisieren. Mit der geplanten Digitalisierung wird sich dieser Trend noch verstärken. Vor allem wird immer seltener eine Station für mehrere Zielgruppen gleichzeitig sendet. Der Tschechische Rundfunk nimmt in dieser Hinsicht sogar eine Vorreiterrolle ein und bietet bereits jetzt einige Stationen an, die zwar noch nicht allgemein bekannt sind, aber den Charakter klassischer Spartensender haben und auf diese Weise den Erfolg suchen. Ich denke da zum Beispiel an den Klassik-Sender D-Dur, den Wissenschaftssender Leonardo oder den Nachrichtensender Radio Česko, die man bisher nur über Satellit, oder Kabel empfangen kann. Ich denke, dass dieser Trend anhalten wird."