Kleider machen Leute und Leute machen Kleider
„Šaty dělaj člověka“, Kleider machen Leute, das ist nicht nur der Titel eines Liedes, das die legendären tschechischen Künstler Jan Werich und Jiří Voskovec zum ersten Mal in 1934 auf der Bühne des legendären Prager Theaters „Osvobozené divadlo“ (Befreites Theater) gesungen haben. Hierbei geht es wohl um eine weltweit bekannte Redewendung, die im praktischen Leben eigentlich auch zur Geltung kommt. Gleichzeitig aber gilt auch, dass die Kleider, sprich Bekleidungsmode, von Leuten gemacht werden. Eine junge Modemacherin, die in der Branche bereits ihre ersten Erfolge gefeiert hat, stellt Jitka Mládková vor.
Puppenkleider zu nähen war nicht Ihr Hobby im Kindesalter, doch bereits als Kind haben Sie gerne Kleider gezeichnet. Was hat sich als Initialzündung erwiesen, nach der Sie nach einem Stift gegriffen haben?
„Unter der Überschrift „Modetrends“ wurden in der Beilage der Tageszeitung Mlada fronta dnes ein paar Kleiderzeichnungen von der damals aktuellen Modemesse in Düsseldorf gezeigt. Eigentlich waren es nur Skizzen, die ich hinreißend fand. Ich wusste, dass ich auch so etwas machen wollte und habe anschließend auch viel auch geübt. Ein paar Mallektionen hat mir auch mein Vater erteilt. Er war es, der mir riet, zunächst den Menschenkörper in alltäglichen Situationen ins Auge zu fassen, bevor ich ein Kleid entwerfe.“
Damals waren Sie noch an der Grundschule und das Zeichnen übten Sie nicht nur zu Hause, sondern auch im Unterricht. Wie war es dann an der Fachmittelschule für Textilgewerbe?
„Der Anfang war nicht einfach. Nach der Grundschule machte ich mein Abitur an der Fachschule für Fachgewerbe, von der ich vorher die ganze Zeit geträumt hatte. Dort wollte man uns aber vor allem Nähen beibringen. Dabei war ich allerdings nicht besonders geschickt. Im Laufe der Zeit ist es besser geworden, etwa nach dem Motto: 20 Prozent Talent und der Rest tut der Fleiß. Ich bin immer noch am Lernen. Wahrscheinlich werde ich noch mein ganzes Leben lernen.“
Erst nach der Aufnahmeprüfung an der Mittelschule hat Radka Sirková ihre erste Nähmaschine von der Großmutter geschenkt bekommen. Einen Schnitt anzufertigen, sei für sie kein Problem. Diesen in ein fertiges Kleid umzusetzen, koste aber schon viel mehr Mühe. Wie sah der praktische Unterricht an der Fachmittelschule aus? …
„Es fängt beim Handsticken an, mit den einzelnen Stickstichen. Danach macht man sich mit dem Nähzeug vertraut. Anschließend werden zunächst elementare Kleidungsstücke genäht wie Schürze und Rock, gefolgt von immer anspruchsvolleren Sachen. Als Abschlussarbeit musste jeder eine eigene Bekleidung entwerfen einschließlich der gesamten technischen Dokumentation, so wie man es in einer Textilfabrik macht. Erst ganz zum Schluss haben wir die entworfenen Kleidungsstücke dann genäht.“
Im eigenhändig angefertigten Kostüm hat Radka auch ihr Abitur abgelegt. Aber auch dann sei sie immer noch nicht davon überzeugt gewesen, nähen zu können. Sie wollte sich aber unbedingt dem Modedesign widmen. Das war auch ihr Studienfach an der Hochschule für Kunstgewerbe in Bratislava, sie sehnte sich aber immer danach, nach Prag zu wechseln. Das ist ihr letzten Endes auch gelungen. Warum ist es besser in Prag als in Bratislava zu studieren?
„Hier gibt es wesentlich mehr Möglichkeiten, sich selbst auch außerhalb der Schule zu verwirklichen. Außerdem konnte ich mein Studienfach in Prag um das Schuhdesign erweitern. Dazu gehört die Arbeit mit Leder, aber auch die Fertigung von Lederzubehör. Kunstfachatelier als Studienfach ist auch im internationalen Vergleich einmalig. Das war wirklich super. Noch dazu bleibt das Atelier nicht hinter dem Schultor verschlossen, sondern es präsentiert sich auch nach außen. Das hat mich begeistert.“
Jedes Jahr findet in der tschechischen Hauptstadt ein Designerwettbewerb „Prague Fashion Design Week“ statt. In der Junior - Kategorie haben Sie bereits zwei Mal den Sieg davon getragen. Das Leitmotto des Wettbewerbs in 2005 war „Timeless“ und Sie haben sich von Volkstrachten inspirieren lassen. Dabei geraten sie in der heutigen Zeit immer mehr in Vergessenheit:
„Leider, denn das ist eben etwas, wodurch wir uns unterscheiden, nämlich durch eigenartige Traditionen. Die wohl meistgeschmückten sind die Trachten aus der Hana-Gegend. Die sind wirklich wunderschön mit feinen präzisen Handstickereien.“
Könnten Sie ihre Trachteninspirationen ein bisschen konkretisieren?
„Ich habe mir immer wieder gesagt: ‚Es darf nicht nach Trachtenmode aussehen!’ Erstens habe ich meine Modellkleider ganz in Schwarz als Grundfarbe gestaltet. Stickereimotive habe ich per Siebdruck auf den Stoff übertragen, das war schnell und einfach. Als Stoff habe ich schwarzes Leinen genommen, kombiniert mit Baumwolle, aus der normalerweise T-Shirts gemacht werden. Auf Kapuzen habe ich große Schleifen angenäht, so wie man sie auch auf Trachtenhauben trägt. Einige lachten. Die Kleider erinnerten sie an Mickymaus, einige nannten die Kleider´schwarze Witwen´. Für mich sind es einfach Trachten, die ich auf meine eigene Art und Weise interpretieren wollte.“
Sie reisen auch ins Ausland. Unterscheidet sich die tschechische Bekleidungskultur im Vergleich zu anderen Ländern, die Sie besucht haben?
„Jedes Mal, wenn ich im Ausland bin, bin ich überwältigt. Der Unterschied ist markant. Man steht auf der Straße, die viel bunter und kreativer wirken. Hierzulande habe ich das Gefühl, dass die Angst der prägende Faktor ist. Die Angst davor, was andere Leute sagen oder sich denken werden. Und auch die Unwissenheit, dass es auch anders sein könnte. Außerdem muss man in Tschechien wesentlich mehr Geld für die Bekleidung bezahlen als es in anderen Ländern der Fall ist. Daher ist es nicht leicht, sich so anzuziehen wie man möchte.“
Was sagen Sie zu den Klamottenhalden in den tschechischen Markthallen?„Ein weiteres Problem ist wiederum, dass man immer noch nicht gelernt hat, sich an Qualität zu orientieren. Man sagt sich, OK, jetzt kaufe ich mir etwas Billiges von Null-Qualität und schmeiße es nach drei Monaten wieder weg. Ich glaube aber, dass Sachen von einem dauerhaften Wert sein sollten.“
Radka Sirková hat gemeinsam mit zwei anderen Kolleginnen aus der Modebranche eine kleine Firma gegründet, die die so genannte Streetwear-Mode anbietet. An Kunden mangelt es dem Trio nicht, im Gegenteil. Sein Image baut es unter anderem auch darauf, dass jedes Kleidungsstück ein Original ist, weil es nur in einem Exemplar angefertigt wird. Abschließend frage ich die junge Modemacherin: Möchten Sie in der Modebranche zum begriff werden?
„Die Frage ist doch: Kann man sich einen Namen machen und gleichzeitig damit, was man macht, sein Brot verdienen? Ich will nicht um jeden Preis, dass man Artikel über mich schreibt. Ich will das machen, was ich mache und will davon auch leben können. Hierzulande ist es nicht unbedingt so, dass man als berühmter Mensch automatisch auch gut verdient. Ich will mich selbst verwirklichen, das reicht mir. Wenn man sich für mich interessiert, in Ordnung."