Blue Jeans in grauen Zeiten: Wie die Menschen in der Tschechoslowakei an ihre Nietenhosen kamen

Ausstellung Jeans aus Tuzex

Jeans gehörten zu den begehrtesten Produkten, die in der kommunistischen Tschechoslowakei nicht ohne weiteres zu bekommen waren. Dennoch trugen auch hierzulande zahlreiche junge Leute die verpönten Hosen aus dem Westen. Was waren die Beschaffungswege? Und welche Marken waren sogar offiziell erhältlich? Diesen und weiteren Fragen geht eine neue Ausstellung in Prag nach.

Zu sehen ist die neue Schau zum Thema Jeans während der Zeit des Kommunismus im Retro-Museum in Prag. Dieses öffnete seine Pforten im vergangenen Jahr im obersten Stockwerk des Kaufhauses Kotva und hat seitdem laut den Betreibern schon über 50.000 Besucher angelockt.

Zum ersten Jubiläum des Museums und dem 150. Jahrestag der Patentierung der Jeans wurde der Nietenhose nun ein eigener Bereich in der Dauerausstellung des Retro-Museums gewidmet.

Michal Petrov hat ein Buch namens „Jeans Story“ geschrieben und die Neuzugänge im Retro-Museum als Kurator mitausgewählt. Im Interview für Radio Prag International sagt er über die Sehnsucht der Menschen in der Tschechoslowakei nach den heißbegehrten Hosen:

„Wir haben ja nicht auf dem Mond gelebt. Ganz im Gegenteil, wir standen in engem Kontakt mit Westdeutschland und Österreich. Von dort, also aus dem Westen, kamen viele Touristen hierher, und die Menschen in der Tschechoslowakei wollten einfach so sein wie sie. Ein weiterer Grund für die Beliebtheit der Hose war, dass sie die USA verkörperten. Amerika war der größte Feind der Sowjetunion, und die Sowjetunion war unser größter Feind.“

Laut Petrov waren Jeans zu Zeiten des Kommunismus ein Luxusgut. So habe man in der

Michal Petrov,  Jeans Story | Foto: JOTA

Tschechoslowakei der 1980er Jahre fast ein Viertel des Monatsgehaltes für das begehrte Kleidungsstück berappen müssen.

Doch… wie kamen die Menschen überhaupt an diese Hosen, wo sie doch als Symbol des Westens galten und von daher vom Regime verpönt waren?

„Der einfachste Weg war, dass die Westverwandtschaft eine Jeans mitbrachte. In einigen Läden mit junger Mode tauchte zudem ab und an das eine oder andere Exemplar auf, das mit normalen Kronen bezahlt werden konnte. Außerdem wurden illegale Schneidereien betrieben. Hinter ihnen standen vietnamesische Gastarbeiter, die Zugang zu den Stoffen hatten. Tagsüber arbeiteten sie in den Fabriken, und in der Nacht setzten sie sich in ihren Unterkünften an ihre privaten Nähmaschinen.“

Am häufigsten wurden Jeans aber in den Tuzex-Läden erworben. Diese Luxuskaufhäuser waren das tschechoslowakische Pendant zum Intershop in der DDR. Bezahlt werden konnte nur mit konvertierbaren Währungen, also nicht mit tschechoslowakischen Kronen. An harte Währungen konnten die Menschen damals etwa über Geschenke von Verwandten aus dem Ausland gelangen. Oder sie hätten das Geld illegal auf der Straße gewechselt, schildert Petrov.

Ausstellung Jeans aus Tuzex | Foto: Ian Willoughby,  Radio Prague International

Die beliebteste Jeans in der Tschechoslowakei war ihm zufolge übrigens der Klassiker aus dem Westen: die Levi’s 501. Großer Beliebtheit hätten sich aber auch andere Marken erfreut:

„Zu den Favoriten zählten die schottische Marke Wildcat oder das Label Pace aus Großbritannien. Hinzu kamen kleinere Hersteller. Bei Tuzex wurde etwa das Modell Dungarees von DC angeboten. Das war die einzige Latzhose, die hierzulande zu bekommen war.“

Zudem sei eine weitere Marke erwähnenswert, meint Petrov: „Auch der italienische Produzent Rifle fand hierzulande Abnehmer“, sagt er.

Die Rifle-Jeans waren die ersten, die im Tuzex angeboten wurden. Auf Tschechisch wurde der Name dieser Marke übrigens – anders als im Englischen – so ausgesprochen, wie man ihn schreibt: „rifle“. Diese Bezeichnung wird heute von vielen Menschen hierzulande noch immer synonym zum Wort „Jeans“ verwendet.

Das Retro-Museum mit der Jeans-Ausstellung im Prager Einkaufszentrum Kotva kann täglich von 9 bis 20 Uhr besucht werden. Der Eintritt kostet 220 Kronen.

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