Deutsche und Tschechen im Kino: Cinefest und Filmhistorischer Kongress in Hamburg

Besonders im Film spiegelt sich die wechselhafte Geschichte des deutsch-tschechischen Zusammenlebens wieder. Die gemeinsame deutsch-tschechische Filmgeschichte beleuchten nun das Festival Cinefest und der Filmhistorische Kongress. Sie finden vom 17. bis 25. November unter dem Titel „Film im Herzen Europas“ in Hamburg statt.

„Dass ein Festival und ein Kongress sich den deutsch-tschechischen Filmbeziehungen widmen, geschieht zum ersten Mal überhaupt. Es gibt zwar Forschung zu speziellen Themen wie der Okkupation, aber die ganze Bandbreite der deutsch-tschechischen Filmbeziehungen wurde bisher nicht diskutiert.“

Tereza Dvorakova ist Dozentin am Institut für Filmwissenschaft der Karlsuniversität. Die Prager Filmwissenschaflter haben das Hamburger Cinefest und den filmhistorischen Kongress mitorganisiert, da dieses Jahr die deutsch-tschechischen Filmbeziehungen Thema sind. Festival und Kongress haben in Hamburg Tradition: Sie werden einmal im Jahr vom Hamburgischen Centrum für Filmforschung Cinegraph veranstaltet und widmen sich wenig erforschten Kapiteln der deutschen Kinematographie – wie eben den Beziehungen zum tschechischen Kino. Dazu Ivan Klimes vom Institut für Filmwissenschaft und dem Nationalen Filmarchiv Prag:

„Wir versprechen uns vom diesjährigen Cinefest, die Aufmerksamkeit deutscher Filmhistoriker auf die tschechische Kinematografie und die wechselseitigen Beziehungen zu lenken. Es ist paradox, aber beispielsweise über die Geschichte der Prag Film AG, eine ursprünglich tschechoslowakische Filmgesellschaft, die von den Deutschen übernommen wurde und während des Protektorats Filme produzierte, ist in Deutschland eine einzige Studie erschienen. Die deutschen Filmhistoriker haben sich bisher vor allem auf das eigene deutsche Filmmilieu konzentriert. Die vielen Überschneidungen sind ihnen entgangen.“

Kino Světozor
Cinefest ist jedoch vor allem ein Filmfestival für die Zuschauer, für Kinoliebhaber, so Tereza Dvorakova:

„Das Festival ist keine akademische Veranstaltung einer Handvoll von Filmhistorikern, sondern richtet sich vor allem an die Zuschauer. Das Programm ist so zusammengestellt, dass für jeden Zuschauer etwas dabei ist: von Märchenfilmen und Kurzfilmen über historische Filme aus den Filmarchiven bis hin zu zeitgenössischen Filmen.“

Eröffnet wurde das Festival mit einer echten Rarität - einem Fragment des seit fast 90 Jahren verschollenen Films „Der Golem“ von 1914, das erst vor kurzem wiederentdeckt wurde. Im Programm finden sich deutsch-tschechoslowakische Koproduktionen, frühe Tonfilme in deutschen und tschechischen Sprachversionen und Filme, die sich mit Okkupation, Krieg und Vertreibung auseinandersetzen. Ivan Klimes über die Ziele des Festivals:

„Die deutsch-tschechischen Filmbeziehungen sind natürlich Teil der Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen. Es wird immer die Konfliktbeladenheit dieses Verhältnisses unterstrichen, Zusammenarbeit und gegenseitige Einflüsse werden ausgelassen. So gibt es in Tschechien die Wahrnehmung des Deutschen als Erbfeind. Der Kongress und das Festival sollen zeigen, dass es sich hier um Stereotype handelt, die nicht den historischen Tatsachen entsprechen. Es geht also auch um einen Dialog, um Kommunikation, wobei die Vergangenheit in ihren komplexeren Ausmaßen gezeigt werden soll.“

Das Filmprogramm wird im Dezember in Berlin und im Januar in Prag gezeigt.

www.cinefest.de