Nach Leidensweg durch kommunistische Gefängnisse lebensfroh geblieben

Jan Zemanek (Foto: Autorin)

Am 28. Oktober, dem Staatsfeiertag der Tschechischen Repblik werden traditionsgemäß hohe Staatsauszeichnungen bedeutenden Persönlichkeiten des Landes verliehen. Beim diesjährigen feierlichen Zeremoniell auf der Prager Burg wurden insgesamt 24 Tschechen und Tschechinnen ausgezeichnet. Unter ihnen war auch der 82-jährige Jan Zemanek, den wir in der nun folgenden Ausgabe der Sendereihe Heute am Mikrophon vorstellen wollen.

Jan Zemanek  (Foto: Martina Schneibergova)
Jan Zemanek wurde am 23. Januar 1925 in Drslavice nahe der südmährischen Stadt Uhersky Brod geboren. Schon mit elf Jahren wusste er, dass er Priester werden will. Mit 20 trat er der "Kongregation des Heiligsten Erlösers", den so genannten Redemptoristen bei. Seine Entscheidung wurde ihm zum Verhängnis. Weil er Priester war, wurde Zemanek wiederholt verhaftet und inhaftiert. In kommunistischen Strafanstalten verbrachte er insgesamt neun Jahre. Nach der kommunistischen Machtergreifung 1948 ballten sich in der Tschechoslowakei sehr schnell die Wolken über den Kirchen zusammen, namentlich über der katholischen Kirche. Zemanek war damals im Priesterseminar, als sein Leidensweg begann. In einem Gespräch mit Radio Prag erinnert er sich:

"Ich wurde vorzeitig zum Priester geweiht. Unsere Vorgesetzten hatten nämlich die Information erhalten, dass alle Priesterseminare und Kirchenorden in den einzelnen Diözesen im Sommer 1950 aufgelöst werden sollen. Daher wurden wir im November 1949, als ich im fünften Studienjahr war, geweiht. Man ging davon aus, dass uns dann die Schließung der Seminare nicht mehr bedrohen kann."

Kraliky  (Foto: Martina Schneibergová)
Schon einige Monate später, genau am 14. April 1950, passierte es dennoch. In der Nacht wurden 250 Angehörige seines Priesterseminars in nur zwei Stunden nach Kraliky in Ostböhmen überführt. Das dortige Kloster wurde in eines der so genannten Zentralisierungsklöster umgewandelt. Insgesamt 2400 Ordensangehörige wurden letztlich in diese Klöster gepfercht:

"Es war eine Art milderes Gefängnis, jedoch in absoluter Isolation. Wir durften keine Kontakte zu anderen Menschen haben, keine Besuche empfangen, unsere Post wurde kontrolliert und das ganze Gebäude wurde rund um die Uhr bewacht. In wenigen Tagen nach unserer Ankunft in Kraliky wartete schon harte Arbeit auf Feldern und im Wald oder in neu errichteten kleinen Werkstätten auf uns. Arbeiten mussten alle, mit Ausnahme der Ältesten oder Kranken."

Die Internierung geschah ohne jegliches Gerichtsverfahren. Die Presse berichtete damals über Funkgeräte und Waffen, die angeblich bei inhaftierten Personen gefunden wurden. In Kraliky blieb Jan Zemanek nur ein halbes Jahr. Danach wurde er wie viele andere zu den so genannten PTP-Bataillons geschickt. Dies war ein Deckname für Zwangsarbeit. Im Volksmund hat sich für sie die Bezeichnung "schwarze Barone" eingebürgert. Anstatt um die Arbeit ging es dort aber um etwas anderes, meint Zemanek:

"Dort ging es vor allem um unsere Umerziehung. Wir waren alle bis 35 Jahre alt, und durch endlose Schulungen wollte man uns zum Umdenken bringen. Das hat uns aber nichts gebracht. Unsere Einheit bestand aus Hochschulabsolventen und diejenigen, die uns ausbilden sollten, konnten vielleicht maximal lesen. Sie waren nicht einmal in der kommunistischen Ideologie ausgebildet, und vom Christentum wussten sie gar nichts. Für uns waren es arme Leute. Da wir eine gute Truppe waren, ließ sich diese Situation besser ertragen. Wir waren ungefähr 180 Mann, hatten einen tollen Chor und konnten vier Stunden in der Woche proben. Von den sechs Einheiten des Bataillons wies unsere Einheit der Priester die besten Resultate aus, mit Ausnahme im Bereich Politik."

Nach 40 Monaten habe man auf ihre Umerziehung verzichtet, erzählt Jan Zemanek mit einem sanften Lächeln, als würde er sich nur angenehme Erlebnisse in Erinnerung rufen. Nach der Freilassung sollten sich die Priester in einem Zivilberuf versuchen. Zur Auswahl stand allerdings nicht viel: Arbeit im Bergbau, in der Landwirtschaft oder im Bauwesen. Pastorale Tätigkeit stand außer Frage. Jan Zemanek fand Arbeit bei der Baufirma "Vojenske stavby" in Brünn / Brno:

"Da wir dort eine Gruppe von Kollegen waren, die gute Kontakte pflegten, hat es mich nach ein paar Jahren erneut erwischt: Wegen dieser Kontakte hat man mir und den Kollegen zur Last gelegt, die Erneuerung der früheren Kirchenorden angestrebt zu haben. Das bedeutete Hochverrat und zehn Jahre Freiheitsstrafe. Für mich war das eine weitere Lebenserfahrung."

Damals war es Gang und Gäbe, dass nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Gruppen verurteilt wurden, die dem Regime nicht passten, sagt Zemanek. Man schrieb das Jahr 1961, als er wieder ins Gefängnis musste. Aber auch dieser neuen Lebenssituation konnte er etwas Positives abgewinnen. Er habe dort viele interessante Persönlichkeiten kennen gelernt:

"Dass wir isoliert von der Außenwelt lebten, war für uns ein großer Vorteil. Früher habe ich die bekannten Persönlichkeiten nur vom Hörensagen gekannt, denn es war ein großes Risiko, sie zu treffen. Dort lebten wir in einer geschlossenen Gemeinschaft und jeder konnte sich an jeden wenden."

Über die schweren Momente, die seinem Leben eine andere als die von ihm selbst gewählte Richtung gaben, spricht Zemanek sehr wenig. Doch fragen wir ihn, wann es für ihn am schwersten war:

"Wissen Sie, wann es für mich am schwersten war? Bei den Verhören! Dort hat man uns unentwegt, jeden Tag, mit Lügen gequält. Man konnte nicht wissen, was Wahrheit ist und was nicht. Drei Monate war ich nicht imstande zu beten. Ich tappte im Dunkeln, als hätte es keinen Gott gegeben. Es war wie in der Bibelgeschichte über Daniel, der in der Löwengrube darauf wartet, bis er aufgefressen wird. In einer solchen Lage war ich dort, in der schrecklichsten Lage meines Lebens."

Dann wurde er aber in eine Zelle verlegt, in der ein Mann saß, der bereits verurteilt war, aber zugleich Hoffnung und Vertrauen hatte, erinnert sich Zemanek. Der Mann gab ihm die Kraft, sich aufzurappeln:

"Ich fragte mich selbst: Was willst du eigentlich, du Priester? Hier ist ein Laie, der viel stärker ist als du. Er hat mir ein Gebet beigebracht, das ich bis heute bete - schon 45 Jahre lang. Geholfen hat mir auch, dass ich später, als ich schon im Strafvollzug war, mit tapferen Menschen zusammenkommen konnte, die bereits mehrere Jahre im Gefängnis hinter sich und immer noch den Willen zum Leben nicht verloren hatten."

Von der zehnjährigen Freiheitsstrafe saß Zemanek viereinhalb Jahre ab. Erst nach 1968 durfte er seine zwanzig Jahre früher geplante Laufbahn eines Geistlichen wirklich antreten:

"Ich ging in die Region von Zatec / Saaz, die damals sehr verödet war. Erst am 1. Januar 1969 konnte ich im Amt offiziell bestätigt werden, als der Staat sich bereit erklärt hatte, die Tätigkeit in der Kirchenverwaltung auch zu bezahlen. Es war ein kleines Dorf, in dem es nicht einmal eine Kneipe gab, aber auch kein Gemeindeamt. Kurzum ein Nest. In dem Landstrich gab es vier völlig heruntergekommene Kirchen. Mein Vorgänger, ein uralter Mann, ein Deutscher, der nicht die von ihm gewünschte Ausreisegenehmigung erhalten hatte, lag dort damals vereinsamt im Sterben. Während seiner Amtsausübung hatte er keine Möglichkeit gehabt, etwas reparieren zu lassen, hatte auch kein Auto und konnte nur mit dem Zug zwischen den einzelnen Pfarrbezirken pendeln. Für mich war es eine gute Gelegenheit, in verschiedenen Bereichen behilflich zu sein."

Und das nicht nur bei den dringenden Reparaturen der baufälligen Gotteshäuser: Zemanek war auch große Stütze für verschiedene Familien, die ihn regelmäßig besuchten. Er habe ihnen Räumlichkeiten in seinem Pfarrhaus zur Verfügung gestellt:

"Auch für mich war dies ein großes Plus, weil ich damit einen Einblick in das Familienleben in der Zeit des Totalitarismus gewinnen konnte. Es waren Familien, die ansonsten in Plattenbauten lebten, mit vier und mehr Kindern, ärmere Familien also. Bei mir haben sie sich aber wohl gefühlt. Fünf Minuten entfernt war dort ein Wald. Abends machten wir oft Lagerfeuer und sangen dabei. Das war schön. Für mich als Priester war es sehr wertvoll, auch das damalige Leben der Ehen zu sehen, das sich häufig in der Küche abspielte. Sie waren dort zum Beispiel den ganzen Sommer in den Ferien und auch an den Wochenenden. Die Mütter haben gekocht und die Kinder, manchmal acht oder zehn, liefen da umher. Das Pfarrhaus bebte in den Grundfesten. Ich war sehr dankbar dafür."

Mit dem Thema "Familie" beschäftigt sich Jan Zemanek nach eigenen Worten schon seit über 30 Jahren. Für ihn sei dieses Thema sehr nah, ja, wesentlich näher als das Gefängnis, sagt er im Scherz. Dabei ist er sich durchaus bewusst, wie unglaublich seine Lebensgeschichte sowie die seiner Kommilitonen heutzutage erscheinen mag.

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