Gutes Händchen für den Vierzigtonner - Behindertenfahrschule in Prelouc
Menschen mit einer körperlichen Behinderung sind meist von einer Person abhängig, die sie betreut. Ein eigenes Auto zu fahren, kann zur Selbstständigkeit beitragen. Allerdings muss man zuerst einen speziellen Fahrkurs absolvieren, bevor man sich hinters Lenkrad setzen darf. Und den bietet nicht jede Fahrschule an. Im ostböhmischen Prelouc gibt es eine der wenigen auf Behinderte spezialisierte Fahrschulen in Tschechien. Martin Karlík hat sie für eine neue Ausgabe unserer Sendereihe "Panorama CZ" besucht.
Frau Zimmermann ist kleinwüchsig, zudem sind ihre Beine gelähmt. Vor etwa zwei Jahren hat sie die Fahrprüfung für Behinderte erfolgreich abgelegt. Lenka Zimmermann ist an diesem Tag im August nach Prelouc gekommen, um eine Bekannte zu begleiten, die auch den Führerschein erwerben will.
"Ich wollte den Führerschein machen, damit ich noch selbständiger werde. Ich habe von dieser Fahrschule zufälligerweise erfahren", sagt Jitka Valcikova, die Bekannte.
Doch meist geht es beim Führerschein für Behinderte nicht nur um die Selbständigkeit um der Selbständigkeit willen. Das zeigt das Beispiel von Ondrej Sterovsky aus dem ostböhmischen Ort Borohradek. Als ich bei dem 25-Jährigen Man anrufe, geht seine Mutter ans Telefon. Auf die Frage, wo ihr Sohn ist, antwortet sie:
"In Kroatien, er kommt in zwei Wochen zurück."
Jana Sterovska erzählt, dass ihr Sohn nach einem Unfall ein Bein verlor; nun sei er aber Lkw-Fahrer, und das mit einer Prothese. Kleinere Lastwagen habe Ondrej schon vor dem Unfall gelenkt. Sein ursprünglicher Arbeitgeber versprach, ihn nach der Genesung wieder anzustellen. Ondrej wollte richtig große Trucks fahren. Es kam aber anders.
"Er wurde nicht wieder angestellt. Mein Junge brach zusammen. Und ich sagte: Nein. Ondrej beharrte aber drauf, also haben wir eine Einrichtung zur Handbedienung von Lkws gekauft und sind nach Prelouc gefahren. Er legte die Prüfung ab, fand einen Arbeitgeber- und jetzt fährt er."
War es denn schwierig einen Arbeitgeber zu finden? Jana Sterovska:
"Sein Vater ist Fahrer, er hat ihm dabei geholfen.
Ein behinderter Truckfahrer kann allerdings auch Misstrauen wecken, wie sich bei einer Fahrt nach Deutschland zeigte, erzählt Frau Sterovska ein Erlebnis ihres Sohnes."In Deutschland stoppte ihn die Polizei. Alles war in Ordnung. Als die Polizisten jedoch weggingen, kletterte er in die Kabine, das Hosenbein hob sich und sie sahen das hölzerne Bein. Danach durchstöberten die Polizisten alle seine Papiere. Doch alles stimmte. Zum Schluss lachten die Polizisten, salutierten und ließen ihn fahren.
Prelouc ist wahrscheinlich die einzige Fahrschule in Tschechien, die Lkw-Führerscheine für Behinderte anbietet. Und Ondrej Sterovsky war einer der ersten Absolventen des Lkw-Fahrkurses. Ab kommendem Jahr soll dieser Fahrkurs in das ständige Programm der Fahrschule aufgenommen werden, sagt ihr Leiter Pavel Peml. Auch in Europa sei dies eine Rarität, bei ihm würden sich bereits Interessierte aus Italien melden. Zu jenen, die in der ostböhmischen Stadt mit knapp 10.000 Einwohnern Pkw fahren lernten, zählen im Übrigen genauso zwei Deutsche.
Aber auch zu den Pkw-Fahrkursen kommen Leute aus ganz Tschechien. Damit die Bewerber nicht zwischen Prelouc und ihren Wohnorten pendeln müssen, werden sie in der Fahrschule unterbracht. Es handelt sich also um einen Intensivkurs, und der dauert 14 Tage. Damit steigen natürlich auch die Kosten. Der Kurs für Nichtbehinderte kommt bei der Fahrschule auf 8000 Kronen (285 Euro). Mit Vollpension und Unterkunft müssen jedoch 15.500 Kronen (553 Euro) berappt werden. Doch die Teilnehmer sind begeistert:
"Ich würde das nicht nur zwei Wochen lang machen wollen, sondern sogar zwei Monate. Es war super. Ich war dort mit meinem Freund und auch mit unserem Sohn und es war ein großer Urlaub", sagt Eliska Nova aus Mittelböhmen.Frau Nova hat den Kurs erfolgreich abgeschlossen hat. An jedem Tag ihres Aufenthaltes hat sie, genauso wie ihre Mitschüler, jeweils vormittags und nachmittags Theorie gepaukt und natürlich Fahrten in der Praxis absolviert. Damit dies nicht zu viel wird, gibt es auch Erholung. Der Leiter der Fahrschule, Pavel Peml:
"Wir machen Ausflüge in das Gestüt in Kladruby, mit dem Dampfschiff auf der Elbe oder nach Kutna Hora / Kuttenberg. Wenn es möglich ist, fahren wir mit den Teilnehmern der Kurse irgendwohin. Dafür stehen uns zwei Busse zur Verfügung. Für den September haben wir eine größere Aktion vorbereitet. Mit den acht körperbehinderten Kursteilnehmern, die dann da sein werden, werden wir in die Diskothek in Choltice fahren. Der Besitzer ist sehr entgegenkommend. Wir veranstalten dort eine Art Fahrschule-Party für die Behinderten und natürlich auch für die Öffentlichkeit."
Pavel Peml hat bereits weitere Pläne im Kopf. Nicht nur Lkws sollen Behinderte bei ihm fahren lernen sondern auch so genannten Quads. Diese vierrädrigen Gefährte sollen in diesem Fall praktisch ein Moped ersetzen.
Doch Quads sind eher zum Spaß da. Auto fahren zu können, bedeutet hingegen meist auch, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Denn viele Arbeitgeber verlangen den Führerschein der Klasse "B", der zum Fahren eines Pkw berechtigt. Dies bestätigt auch Pavel Peml.
"Von den 53 Leuten, die bei uns erfolgreich eine Fahrprüfung abgelegt haben, konnten, so weit ich weiß, 40 von ihnen dank dem Führerschein eine Stelle bekommen. Meist ging es dabei um den Transport von verschiedenen Dingen, aber sie haben eine Stelle gekriegt."
Die frisch gebackenen Fahrschulabsolventen müssen natürlich als erstes ihren Wagen, falls sie bereits einen haben, behindertengerecht umrüsten. Das Handbedienungsset zahlt der tschechische Staat, den Einbau nimmt die Fahrschule in Prelouc ebenfalls vor. Dann aber steht einer Spritztour wirklich nichts mehr im Wege.