Streitpunkt versteckte Kamera

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In vielen europäischen Ländern gehört der Gebrauch von versteckten Mikrophonen oder Kameras zum festen Bestandteil der journalistischen Kultur. Bei Weitem bedienen sich dieser Mittel nicht nur Medien, die sich auf Enthüllungsjournalismus spezialisieren und die zum Beispiel großen Korruptionsfällen auf der Spur sind. Auch in Tschechien waren in jüngster Vergangenheit geheim aufgenommene Videos oder Telefongespräche der Auslöser einiger Affären und lieferten nicht zuletzte wichtige Beweise für polizeiliche Ermittlungen.

Marek Dalik  (Foto: CTK)
Es passiert nicht alle Tage, dass die Bürger in Tschechien Einsicht bekommen, wie es hinter den Kulissen der heimischen Politik zugeht, mit welchen Mitteln dort gekämpft wird, oder auch welches Vokabular die politischen Entscheidungsträger gebrauchen.

Am vergangenen Wochenende bot sich aber so eine Gelegenheit. Alle Fernsehstationen strahlten nämlich in ihren Hauptnachrichten den Mitschnitt eines Videobandes aus, das mit vesteckter Kamera aufgezeichnet wurde. Zu sehen war dort Marek Dalik, der junge und einflussreiche Chefberater des tschechischen Premierministers Mirek Topolanek, der dort im Gespräch mit einem Journalisten der Tageszeitung "Mlada fronta Dnes" einfach aus dem Nähkästchen plauderte. Eine der Grundaussagen Daliks, die sofort ein politisches Donnerwetter auslöste, war: dass die derzeit laufenden und äußerst schwierigen Regierungsverhandlungen mit den Sozialdemokraten nur vorgetäuscht wären und Dalik zudem bemüht sei, einige Abgeordnete der Sozialdemokraten zu einem Seitenwechsel zu bewegen, um eine rein bürgerliche Regierung zu ermöglichen.

Die Sozialdemokraten reagierten sofort, in dem sie vorübergehend alle weiteren Gespräche auf Eis legten und von Premier Topolanek eine Klarstellung der Aussagen seines Beraters forderten.

Es ist nicht das erste Mal, dass die tschechischen Medien zu Mitteln der versteckten Ton- oder Bildaufnahme gegriffen haben. Das bekannteste Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist der Bestechungsskandal im tschechischen Fußball, der auf diese Weise aufgedeckt werden konnte. Ebenfalls nachgewiesen wurde auf diese Weise, dass Gelder, die vom Staat oder von der Europäischen Union für ganz konkrete Projekte zur Verfügung gestellt worden waren, von zwielichtigen Geschäftsleuten unter Beihilfe einiger Ministerialbeamter veruntreut wurden.

In beiden Fällen hatte also die Veröffentlichung dieser Aufnahmen praktische Konsequenzen, weil Polizei und Staatsanwaltschaft konkrete Ermittlungen einleiten konnten. Dennoch bleibt die Frage im Raum, in wie weit der Einsatz einer versteckten Kamera oder eines Mikrophons bei der journalistischen Arbeit zulässig ist? Stößt man damit nicht an gewisse ethische Grenzen, oder ist das in Zeiten des Sensationsjournalismus ein neuer Trend, mit dem man in Zukunft wird leben müssen? Darüber unterhielten wir uns im Folgenden mit dem Journalisten Miroslav Jelinek, dem Präsidenten der größten tschechischen Journalistenvereinigung, des so genannten "Journalisten-Syndikats" (Syndikat novinaru CR):

"Es wurde schon einmal in Tschechien versucht, den Gebrauch einer versteckten Kamera als Straftat zu qualifizieren. Das Journalisten-Syndikat ist gegen diese Sichtweise, weil es in der jüngsten Vergangenheit auf diese Weise gelungen ist, zum Beispiel die Korruption im tschechischen Fußball zu beweisen. Oder eine verdeckt aufgenommene Videosequenz zeigte, dass die Polizei außer Stande ist zu verhindern, dass Sprengstoff frei erworben werden kann. Das waren zwei Beispiele, wo diese Methode sicherlich positive Auswirkungen hatte. Ich würde aber vielleicht die Frage zweiteilen. Erstens geht es um die grundsätzliche Feststellung, ob man bei der journalistischen Arbeit eine verdeckte Kamera einsetzen darf oder nicht. Das Syndikat beantwortet das mit einem Ja. Gleichzeitig steht aber in unserem ethischen Kodex, dass ein Journalist nicht berechtigt ist, unehrenhafte Mittel zu gebrauchen, wozu natürlich auch eine versteckte Kamera gehört. Deshalb gibt es hier eine Ausnahme die besagt, dass die Verwendung von Informationen, die man auf diese Weise erhält, durch das Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt sein muss. Andernfalls würde sich der Journalist auf die Ebene eines Privatdetektivs begeben oder eines Gauners, der die Gespräche von Leuten aufnimmt, sie sammelt und dann bei Gelegenheit, wenn es ihm gerade opportun erscheint, veröffentlicht. So etwas verbietet nämlich unser ethischer Kodex ganz eindeutig."

Zum bereits eingangs erwähnten Fall des Chefberaters des tschechischen Premierministers Marek Dalik, der diese Woche intensiv diskutiert wurde, meint Miroslav Jelinek:

"Im konkreten Fall von Herrn Dalik stellt sich eben die Frage, ob es hier ein öffentliches Interesse gab, welches diese geheimen Aufnahmen legitimiert hätte? Ich denke, dass der Grundkonflikt, der dahinter steckt, sogar noch viel tiefer geht. Es ist sicherlich im Interesse aller Bürger dieses Landes, dass es den Politikern endlich gelingt, sich auf einer neuen Regierung zu einigen. Als zweite Frage wirft das Vorgehen des Journalisten der Mlada fronta Dnes auf, ob es im öffentlichen Interesse war, hinter die Kulissen dieser Verhandlungen zu blicken? Das wiederum führt zur Frage, welches der beiden Motive mehr wiegt und deshalb den Vorzug bekommen sollte? Ursprünglich habe ich den Standpunkt vertreten, dass es ein Fehler war diese Aufnahmen auszustrahlen, weil die Enthüllung die Bemühungen um eine neue Regierung stark beeinträchtigt haben. Mit dem Abstand einiger Tage lässt sich aber sagen, dass sich die Verhandlungen der Parteien seither eher beschleunigt haben."

Mirek Topolanek  (Foto: CTK)
Nicht nur der Fall Dalik oder die Korruptionsaffäre im tschechischen Fußball, die von den Medien aufbereitet wurden, haben eines gezeigt: dass die tschechischen Medien tatsächlich ihrem Informationsauftrag, wie auch den Erwartungen der Leser oder Zuschauer bezüglich der Rolle von Medien in einer demokratischen Gesellschaft, gerecht werden.

Eine wichtige Vorraussetzung dafür ist jedoch, dass die Medien in einem freien Umfeld und unabhängig agieren können. Die in Paris ansässige Vereinigung Reporter ohne Grenzen veröffentlicht zum Beispiel seit fünf Jahren immer gegen Ende Oktober eine weltweite Rangliste, auf der die einzelnen Länder entsprechend der dort vorhandenen Medienfreiheit aufgeführt werden. Dabei konnte sich Tschechien unlängst auf einem sehr guten fünften Rang platzieren. Entspricht das der Wirklichkeit? Hören Sie dazu abschließend nochn einmal den Präsidenten des tschechischen Journalisten-Syndikats, Miroslav Jelinek.

"Ich denke, dass die Platzierung auf dem fünften bis achten Platz, wenn man bedenkt, dass die Tschechische Republik im vergangenen Jahr noch Zehnte war, wirklich dem Stand der Medienfreiheit im Land entspricht. Denn, was die gesetzliche Lage angeht, gibt es hierzulande tatsächlich eines der liberalsten Pressegesetze überhaupt. Zudem ist es im vergangenen Jahr zu keinem Fall gekommen, wo die Medienfreiheit beeinträchtigt worden wäre. Natürlich ist es völlig normal, wenn Politiker versuchen die Berichterstattung in ihrem Sinne zu beeinflussen und im Wechselspiel mit den Journalisten Oberhand zu behalten. Wie bereits erwähnt, gab es zum Beispiel Bestrebungen, den Gebrauch von versteckter Kamera in Tschechien gesetzesmäßig zu verbieten. Es ist uns aber gelungen - übrigens erstmals überhaupt zusammen mit dem Verband der Zeitungsherausgeber -, alle Senatoren anzusprechen und so zu erreichen, dass das Gesetz nicht entsprechend geändert wurde. Es gab Versuche das Pressegesetz auch anderweitig zu ändern, aber es blieb bei verbalen Drohungen und hatte keine konkreten Folgen."