Ausflug in die Weißen Karpaten

Foto: Palickap, CC BY 3.0 Unported
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Eine gute Nachricht ist aus Prag zu vermelden. Dem Sommer haben wir zwar ade gesagt, doch trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit herrscht hierzulande immer noch der Altweibersommer, der sich durch all seine Attribute manifestiert: Sonnenschein, blauer Himmel, höchstens hie und da ein paar Wölkchen am Himmel, angenehme Tagestemperaturen und nicht zuletzt auch die Farbenpracht der Laubbäume. Kurzum ein Superherbst, der offenbar auch Jitka Mladkova zur Auswahl ihres Themas für die neue Ausgabe der Sendereihe Panorama CZ inspiriert hat. Wenn Sie wollen, folgen Sie ihr in das Landschaftsschutzgebiet Weiße Karpaten.

Das Landschaftsschutzgebiet Weiße Karpaten, auf Tschechisch unter der Abkürzung CHKO Bile Karpaty bekannt, ist nicht das einzige, sondern eine der relativ vielen Regionen dieser Art hierzulande, in denen eine ganze Menge von Regeln für deren Bewohner und Besucher verbindlich sind. Insofern ist dieses konkrete Gebiet nicht weniger wertvoll oder aber wertvoller als ein anderes dieser Art. Trotzdem unterscheiden sich die Weißen Karpaten durch etwas, was nur hier zu finden ist. Der Chef der Verwaltungsbehörde mit Sitz im südmährischen Luhacovice, Jiri Nemec, erläutert:

"Für die Weißen Karpaten sind großflächige Wiesen mit vielen seltenen Pflanzen charakteristisch. Durch die außerordentlich hohe Artenzahl der hier wachsenden Wiesenblumen gehört diese Region europaweit zu den wertvollsten. Ein weiteres Phänomen stellen die gut erhalten gebliebenen Laubwälder dar, die das Landschaftsbild auf eine bedeutende Weise prägen. Charakteristische Elemente des hiesigen Naturmosaiks sind aber kleinflächige Felder, brachliegende Obstgärten usw. Das alles zusammen bildet eine Landschaft mit ungewöhnlich abwechslungsreichem Relief."

Von den Pflanzenarten gibt es in den Weißen Karpaten buchstäblich eine Unmenge, doch mindestens hundert von ihnen gelten als bedroht. Genau gesagt, um die drei Gefährdungsstufen zu nennen, werden sie in drei Gruppen aufgeteilt: kritisch bedroht, stark bedroht und schließlich "nur" bedroht. Ihre hohe Konzentration auf insgesamt 715 Quadratkilometern ausgedehntem Gebiet gilt europaweit immer noch als einmalig. Einen Teil davon kann man aber schon als eine Kulturlandschaft bezeichnen, die Jahrhunderte lang durch Menschen kultiviert wurde. Die von Jiri Nemec erwähnten brachliegenden Obstgärten sind eigentlich die Spuren der einstigen Einwohner. Und wie sehen sie heute aus?

"Im Prinzip sind es auf einer Wiese stehende Obstbäume, die oft ungleichmäßig auf dem Gelände verteilt sind. In der Regel sind es nicht jeweils Obstbäume einer einzigen Sorte. Es geht eher um gemischte Baumgemeinschaften, wobei unter den Obstbäumen nicht selten auch andere Bäume verstreut stehen. Mal eine Eiche, mal eine Linde oder ein Ahorn und andere. Das Gelände wird aber mehr oder weniger wie eine Wiese behandelt."

Damit ist nicht gesagt, dass die einzelnen Grundstücke mit Bäumen einfach ihrem Schicksal überlassen werden. Bedienen kann man sich hier aber nur der traditionellen Methoden der Bodenbewirtschaftung. Es werden keine Kunstdünger, keine Herbizide bzw. Pestizide verwendet, und selbst die Obstbäume leben mit nur minimalen Eingriffen des Menschen. Trotzdem befinden sich unter ihnen nicht wenige recht bejahrte Exemplare. Ein hundertjähriger Obstbaum gilt hier nicht als Rarität! Kommen wir aber auf das besondere Phänomen der Weißen Karpaten zu sprechen. Gemeint sind die Biotope der dortigen artenreichen Blumenwiesen. Auch ihre Entstehung stuft Jiri Nemec als ein Resultat des Zusammenwirkens von Natur und Mensch. Von den vorhandenen äußerst bedrohten Pflanzenarten erwähnt er kurz einige:

"Hierzu gehört eine ganze Reihe von Orchideenarten. Aber auch andere, vielleicht etwas weniger auffallende oder weniger bekannte Pflanzen. Bedroht sind aber auch Gräser oder die im Herbst blühenden kleinen Enziane, Irise und andere."

Noch etwas ist allerdings von der Wiesenlandschaft der Weissen Karpaten nicht wegzudenken: die Nassgallen. Das sind kleine Bodenflächen rings um eine Wasserquelle, von denen es dort eine ganze Menge gibt. Und gerade auf diesen kleinen Flächen ist eine spezifische Vegetation mit zum Teil auch seltenen und gleichzeitig auch bedrohten Pflanzenarten zu finden. Nun, wie kann man die seltenen Pflanzen am Leben erhalten, fragte ich Jiri Nemec:

"Es ist an erster Stelle die Instandhaltung des Geländes durch schonende Methoden seiner Nutzung. Man spricht von extensiven Technologien als einem Gegenteil zur Anwendung von heutzutage durchaus üblichen intensiven Methoden. Es geht um einen sensiblen Umgang mit einer Wiese, indem sie nicht in den Dienst einer umfassenden Wirtschaftsproduktion gestellt wird. Heute nennt man es "schonendes Vorgehen", wobei es früher absolut geläufig war, denn anderes stand einfach nicht zur Verfügung. Es gab keine Kunstdünger, keine veredelten Grassorten, die viel von der Biomasse produzieren und daher auch keine anderen Pflanzen in ihren Bestand einlassen."

Inmitten des ausgedehnten Landschaftsschutzgebietes der Weißen Karpaten findet man eine spezifische Mikroregion genannt Kopanice, zu der nur einige wenige kleine Dörfer gehören. Hier ihre Charakteristik von Jiri Nemec:

" Diese Mikroregion zeichnet sich durch eine topografisch sehr abwechslungsreiche Landschaft aus - durch flächenmäßig kleine, oft entwaldete Täler, niedrige Hügel mit zumeist bewaldeten Kämmen, kurzum, eine formenreiche Landschaft. Mit dieser steht die reichhaltige Vegetation im Einklang, darunter auch die bereits erwähnten Nassgallen, verstreut vor allem auf den Weiden und Wiesen.

Es ist eine spät besiedelte und bis heute noch im gewissen Sinne auch, wie man sagt, gottvergessene Region. Auch ihre Entwicklung hatte ihr eigenes, eher langsames Tempo. Die Verbindung der einzelnen Dörfer mit der Außenwelt haben lange Zeit nur holprige und für die Autos bzw. Busse nur schwer verwendbare Straßen ermöglicht. Die Dorfbewohner bedienten sich zum Beispiel auch wesentlich länger der traditionellen Technologien in der Landwirtschaft als sonstwo im Lande."

Immerhin, die Zeiten ändern sich und mit ihnen ändern sich auch die Menschen. Die Bewohner der kleinen Dörfer in der erwähnten Mikroregion Kopanice leben nicht mehr von der Außenwelt abgeschnitten. Ihre Existenz ist nicht mehr vorrangig von dem Ertrag ihrer kleinen Felder abhängig. Ihr Brot verdienen sie zum Teil in den umliegenden Städten, die nicht mehr so schwer erreichbar sind, zum Teil müssen sie einen Job auch weit von ihrem Zuhause suchen. Darüber hinaus nicht allen, insbesondere aber jungen Menschen, fällt es leicht, sich nach wie vor den Regeln des nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt anzupassen.

"Es ist ein Problem, dass die moderaten Technologien, über die ich gesprochen habe und dank denen der Naturreichtum in der Region der Weissen Karpaten eigentlich entstehen konnte, nicht allgemein als modern wahrgenommen werden. Nicht alle sehen ihre Zukunft verbunden mit dem Geburtsort, wenn sie zum Beispiel eine Familie gründen wollen. Einige entscheiden sich, wegzugehen. Einige gingen weg und kehrten nach ein paar Jahren zurück. Sie kehren aber nicht nur mit dem verdienten Geld zurück, sondern auch mit anderen Vorstellungen über die Wohnkultur wie auch über den Umgang mit der Umwelt."

Zugleich aber, erzählt der Chef der Verwaltungsbehörde weiter, kommen Menschen aufs Land, die mit den Ortschaften nichts gemein haben. Es ist die Natur, die sie anzieht und zu deren Erhaltung sie bewusst beitragen wollen. Es sind Enthusiasten, die das, was das Naturschutzgesetz auferlegt, freiwillig in die Praxis umsetzen wollen. Gegen diejenigen, die die Gesetzesnormen nicht respektieren, muss der Verantwortungsträger, nämlich die Verwaltung des Naturschutzgebietes Weisse Karpaten aufgrund ihrer Kompetenzen eingreifen. Jiri Nemec hat ein konkretes Beispiel parat:

"Ein typischer Bereich unserer Tätigkeit, die viel Zeit in Anspruch nimmt und sehr wichtig ist, sind die Bauten. Faktisch die gesamte Bautätigkeit, die auf dem Gebiet unseres Naturschutzgebietes realisiert wird, unterliegt der Zustimmung der CHKO-Verwaltung. Sie muss als erste einen Bau genehmigen und erst dann das zuständige Bauamt. Zu unseren Kompetenzen gehört zum Beispiel auch die Möglichkeit, die traditionelle, im Sinne der heutigen Verhältnisse jedoch uneffektive Landwirtschaft finanziell zu unterstützen."

Eine Möglichkeit wäre, Touristen in die Region zu bringen und durch neu geschaffene Arbeitsplätze die Einheimischen zu motivieren, dazubleiben. Wie sehen es Herr Nemec und seine Behörde?

"Ich bin für den Tourismus, aber man muss gut aufpassen und bei jedem konkreten Projektantrag richtig entscheiden. Es geht darum, die Landschaft nicht zu sehr zu belasten und auch darum, dass die Touristen nicht nur dem jeweiligen Betreiber einer Einrichtung das Geld bringen, sondern auch einen positiven Effekt für die Landschaft."