Das Internet als neues Medium im tschechischen Wahlkampf
Im Gegensatz zur letzten Wahlkampagne vor vier Jahren, spielt das Internet bei der Wahlwerbung diesmal eine weitaus größere Rolle als vor vier Jahren. Und wenn in einigen Wochen der Verlauf des diesjährigen Wahlkampfs bilanziert wird, wird dabei sicherlich die herausragende Rolle der neuen Medien und vor allem des Internets besonders hervorgehoben werden.
Fast alle großen tschechischen Parteien haben sich in den letzten Wochen einen neuen, zeitgemäßeren Internet-Auftritt verpasst und ihr Informationsangebot auf den Seiten erweitert. Auch auf den Großplakaten der Parteien lässt sich mittlerweile ein Verweis auf weiterführende Informationen im Internet finden.
Viele Politiker sind nun mit persönlichen Seiten im weltweiten Netz vertreten, oder haben zumindest jene Seiten mit neuem Leben erfüllt, die seit den letzten Wahlen vor vier Jahren brach lagen. Hierbei lässt sich vor allem eine Tendenz feststellen: Die Politiker versuchen ihre Botschaften und Standpunkte eher indirekt, fast ganz beiläufig, an die Internetnutzer weiterzugeben und versuchen sie durch eine gewisse Interaktivität, etwa durch Abstimmungen, oder Diskussionsgruppen, dazu zu bewegen, die Seiten regelmäßig zu besuchen.
Dem verstärkten Drang im Internet vertreten zu sein, versuchen auch die klassischen Medien, also die Fernseh- oder Rundfunkstation, wie auch die Zeitungen Rechnung zu tragen, indem sie insbesondere Internetdebatten mit Politikern veranstalten.
Wodurch ist diese stärkere Rolle des weltweiten Netzes im diesjährigen Wahlkampf zu erklären? Das fragten wir den Publizisten Ondrej Neff, der auf dem Gebiet des Internet und dessen Nutzung als wichtigen Kommunikationskanal zu den Pionieren in Tschechien gehört:
"Natürlich, in den vergangenen vier Jahren ist es zu einem großen Anstieg der Zahl der Internet-Nutzer gekommen, wie auch der Übertragungsgeschwindigkeit, vor allem mit der Einführung von ADSL. Dadurch ist das Internet im Bereich der Information wichtiger geworden. Das wird sich natürlich auch bei den Wahlen bemerkbar machen, wo das Internet seine Rolle spielen wird."
Laut Ondrej Neff sei es interessant zu verfolgen, welches Meinungsklima unter den tschechischen Internetnutzern herrscht, wobei deren Haltung sich vor allem bei verschiedenen Abstimmungen widerspiegelt. Hier lässt sich sagen, dass die Nutzer mehrheitlich eher zur demokratischen und liberalen Rechten neigen, also etwa weitaus stärker zu den Bürgerdemokraten, als etwa zu den Sozialdemokraten. Sicherlich hänge das, so Neff im Gespräch mit Radio Prag, auch mit einer gewissen Oppositionshaltung zusammen, die sich bei den meist jungen Internetnutzen feststellen lässt. Würde also in den kommenden Wahlen die ODS gewinnen, wäre die Lage in vier Jahren genau umgekehrt.
Das Internet macht es auch möglich, dass auch politische Gruppierungen auf sich aufmerksam machen können, die ansonsten in den Medien kein Gehör finden würden. Einerseits, weil es sich um kleine Splittergruppierungen handelt, oder auch um extreme Parteien. So hat etwa die rechtsradikale Nationale Partei zu Jahresbeginn mit "Radio Vlast", was mit Radio Vaterland zu übersetzen wäre, ein eigenes Internetradio gestartet, wo täglich so genannte "unzensierte Nachrichten", Berichte und natürlich auch einschlägige Musik ausgestrahlt werden.Auch Tschechiens Kommunisten, die als Parlamentspartei eigentlich keine Schwierigkeiten haben in den wichtigsten Medien des Landes präsent zu sein, haben übrigens vergangenen Sommer ebenfalls ein eigenes Internetradio gegründet, welches nun im Walkampf verstärkt zum Einsatz kommt.
Besteht da nicht die Gefahr, dass auf diesem Wege unzensiert extreme Positionen verbreitet werden könnten, oder sollte man das unter dem Gesichtspunkt der freien Meinungsäußerung betrachten? Dazu meint Ondrej Neff:
"Ich würde das gewiss im Zusammenhang mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung sehen und würde das nicht allzu dramatisch beurteilen. In jeder Gesellschaft gibt es extreme politische Richtungen und die wird es auch in Zukunft geben. Man muss bedenken, dass das Internet ein technisch sehr einfaches Medium ist, über das sich politische Botschaften transportieren lassen. So ist es logisch, dass auch extremistische Gruppierungen sich dieses Mediums bedienen. Die Kommunisten, oder die extremen Nationalisten haben zwar ihr Internetprogramm gestartet, aber das Angebot gerade im Bereich der Rundfunkstationen im Internet ist heute derart groß, dass ich es nicht für möglich halte, dass das überhaupt irgendeine Rolle spielen und weitere Teile der Bevölkerung erfassen könnte. Es ist also nicht zu erwarten, dass aus diesen Quellen die Gesellschaft im Wesentlichen beeinflusst werden könnte."
Blickt man nach Übersee, sieht man, dass dort das Internet seit einigen Jahren nicht nur als Informationsquelle zu Wahlkampfzeiten, sondern auch als Instrument zur Rekrutierung von freiwilligen Helfern, bzw. zum Sammeln von Spenden dient. Wird man also in vier Jahren, wenn in Tschechien wieder Parlamentswahlen ins Haus stehen werden, angesichts der rasanten Entwicklug im Bereich der neuen Medien auch hierzulande auf etwas Ähnliches treffen? Das war unsere abschließende Frage an den Publizisten und Internetexperten Ondrej Neff:
"Ich denke, dass das, worüber sie gesprochen haben, nämlich dieser amerikanische Stil, wo sich die Parteien erst im Zusammenhang mit bevorstehenden Wahlen aktivieren, sich in Europa nicht finden lässt. Auch die historische Basis der europäischen Parteien ist eine völlig anderen. Es lässt sich also nicht erwarten, dass hierzulande etwas Vergleichbares eintreten könnte. Mit der weiteren Entwicklung von multimedialen Kommunikationsformen lässt sich aber erwarten, dass auch die Internetseiten der Parteien und Politiker nicht mehr nur klassisch gestaltet sein werden, also mit Texten usw., sondern auch Videozusammenschnitte, herunterladbare Reden und Vieles mehr beinhalten werden. Mit anderen Worten, das Internet wird wichtiger werden - sowohl wegen des Inhalts, wie auch der technischen Möglichkeiten, vor allem der Beschleunigung bei der Datenübertragung."