Göring-Eckardt: Umstieg auf erneuerbare Energien ist der richtige Weg

Katrin Göring-Eckardt (Foto: www.bundestag.de)

Die tschechische Hauptstadt Prag liegt nicht nur mitten in Europa, sondern in Prag werden auch immer häufiger gesamteuropäische Fragen diskutiert und entsprechende Problemlösungen erörtert. Am Mittwoch wartete zum Beispiel die stellvertretende Vorsitzende des deutschen Bundestags, Katrin Göring-Eckardt, in der Prager Karlsuniversität mit einem Vortrag über die "Europäische Energiepolitik in der Zukunft" auf. Darin sprach sich die Grünen-Abgeordnete mehrfach für einen Umstieg in der Energiegewinnung aus, d. h. weg von den fossilen Energiequellen und hin zu einer verstärkten Nutzung von erneuerbaren Energien auf der Basis nachwachsender Rohstoffe. Sowohl Deutschland als auch die EU haben sich hierbei ehrgeizige Ziele gesetzt, aber die spannende Frage bleibt: Bis wann will man einen Umstieg in der europäischen Energiepolitik eigentlich vollziehen? Eine Antwort darauf gibt Katrin Göring-Eckardt sogleich in dem Gespräch, das Radio Prag exklusiv mit ihr in Prag führen konnte.

"Ich glaube, wir müssen noch bis auf weiteres auf die fossilen Energiequellen zurückgreifen und wir können nur nach und nach einen Umstieg schaffen. Ich will da keine Prognosen abgeben, weil eine solche Energiepolitik nicht allein von Deutschland, und auch nicht allein von Europa abhängt. Aber wenn wir 50 Prozent schaffen könnten in den nächsten 15 bis 20 Jahren, dann wären wir schon sehr weit. Dann hätten wir, so glaube ich, auch schon ein echtes Umsteuern erreicht."

Welche der fossilen Energiequellen würden Sie denn in der Übergangsphase noch weiter ausschöpfen, und welche Energieträger wiederum würden Sie schneller aussortieren?

"In Deutschland haben wir ja einen Konsens über den Ausstieg aus der Atomenergie verabredet. Das heißt: Nicht sofort abschalten, sondern ein langsamer Ausstieg in den nächsten Jahren. Daran will ich auf jeden Fall festhalten. Ich will auch daran festhalten, uneffiziente Kohlekraftwerke abzuschaffen. Aber wir haben im Moment die Möglichkeit, durch Neuinvestitionen auch hocheffiziente Kohlekraftwerke zu bauen, die weitaus klimaverträglicher sind, als das bei den heutigen Kraftwerken der Fall ist. Das ist, so meine ich, der richtige Weg."

Also ist die Atomenergie das größte Schreckgespenst?

"Atomenergie ist aus ökologischen Gründen und wegen der Unsicherheit der Atomkraftwerke - wir haben uns gerade an die Katastrophe von Tschernobyl erinnert, die vor genau 20 Jahren passiert ist - eine nicht sehr lukrative Energieform, um das einmal vorsichtig auszudrücken. Aber vor allem muss man sich klar darüber sein, dass auch das Uran bald zur Neige geht. Daher ist die Atomenergie auch keine zukunftsfähige Energieform."

Viele Experten sagen aber: Die Kohle geht schneller zur Neige!

"Darüber kann man sich jetzt lange streiten, ob das zehn Jahre weniger oder zehn Jahre mehr sind. Das ist nicht die Frage, denn das, was nicht zu Ende geht, sind die erneuerbaren Energien, wie der Name schon sagt."

Warum ist es in Europa bzw. in der EU eigentlich derzeit so schwer, eine gemeinsame und weitsichtige Energiepolitik voranzutreiben?

"Ich glaube, wir haben da in erster Linie noch eine Reihe von ideologischen Hemmnissen. Man hat das Gefühl, dass die Atomenergie eine Energieform ist, die angeblich sogar förderlich für den Klimaschutz sein könnte, was ich jedoch für völligen Unsinn halte. Es sind lediglich fünf Prozent, die bei der Energiegewinnung weltweit von der Atomenergie getragen werden. Wir müssten daher tausende von neuen Atomkraftwerken bauen, was nicht sehr sinnvoll wäre. Ich glaube, die Europäische Union muss sich überlegen, ob sie das tut, was ihre Bürgerinnen und Bürger in der Mehrheit wollen. Denn 55 Prozent der EU-Bürger sagen: Wir wollen keine Atomenergie! Deshalb, so meine ich, wäre hier ein Umsteuern angesagt. Ich denke, es sind in der Tat ideologische Hemmnisse, die uns derzeit noch an einem Kurswechsel hindern. Denn ökonomisch spricht nichts gegen die erneuerbaren Energien. Im Gegenteil! Man schafft durch sie neue Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum und auch Exportfähigkeit."