Ehemalige politische Gefangene werden "1. Mai ohne Kommunisten" in Letna feiern

Nach vielen Jahren wird es in diesem Jahr auf dem Letna-Plateau in Prag keine kommunistische 1. Mai-Feier geben. So soll es auch in der Zukunft sein. Unter dem Motto "Der erste Mai ohne Kommunisten und nie mehr anders" werden dort diesmal die politischen Gefangenen den ersten Mai feiern. Mehr von Martina Schneibergova.

Mirko Stastny  (Foto: Theresa Kuglin)
Der Konföderation der politischen Gefangenen (KPV) gelang ein Meisterstück, den Platz von Letna, der traditionell von den Kommunisten okkupiert wurde, rechtzeitig für die eigene Kundgebung zu reservieren. Zu ihrer Feier wollen sie vor allem junge Menschen einladen. Der Vizevorsitzende der Konföderation, Mirko Stastny, sagte über die Beweggründe für ihre Versammlung:

"Wir sind alle um die achtzig Jahre alt. Die Mehrheit von uns hat zehn oder noch mehr Jahre in den kommunistischen Gefängnissen verbracht. Wir sind also alt und krank, denn der Aufenthalt in den kommunistischen Konzentrationslagern hat zu unserer Gesundheit nicht gerade positiv beigetragen. Wie möchten, dass jüngere Menschen an unsere Aktion anknüpfen, damit ähnliche Treffen auch in der Zukunft veranstaltet werden. Wir haben den Filmregisseur Vaclav Marhoul und seine Mitarbeiter kontaktiert, um eine so große Veranstaltung gemeinsam auf die Beine zu bringen."

In der vor einigen Monaten von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates verabschiedeten Resolution, die die Verbrechen der totalitären kommunistischen Regimes verurteilt, wurde geschätzt, dass diese weltweit ungefähr 95 Millionen Menschen auf dem Gewissen haben.

Regisseur Vaclav Marhoul hält die tschechischen Kommunisten auch weiterhin für gefährlich und schildert seine Erfahrung, als er mit einem kommunistischen Abgeordneten an einer Rundfunkdebatte teilnahm:

"Ich wollte die ganze Zeit, dass er sich zu den Kriminaltaten der Kommunisten und zur kommunistischen Ideologie äußert. Dies hat er nicht gemacht, aber nach der Diskussion sagte er zu mir: ´Wissen Sie, sobald wir gewinnen werden, werden wir Sie hier in einer Vitrine ausstellen, aber tot.´"

Vaclav Marhoul  (Foto: Theresa Kuglin)
Die tschechischen Kommunisten lagen in der letzten Zeit, was die Wahlpräferenzen anbelangt, immer an dritter Stelle. Wie kommt es, dass sich die Partei, die sich von ihren vor allem in den fünfziger Jahren verübten Verbrechen nie distanziert hat, immer noch einer solchen Wählergunst erfreut? Vaclav Marhoul meint, dass sich die Menschen eher nach dem sehnen, was einfach und mühelos zu erreichen ist und nicht so gerne die Verantwortung für sich übernehmen:

"Den zweiten Grund sehe ich darin, dass man nur ungern die eigenen Fehler zugibt, und viele Menschen haben so zu sagen ´Dreck am Stecken´, was ihr Verhalten während des Kommunismus betrifft. Das Schlimme hat man vergessen und man hat sich nur gemerkt, dass damals das Bier billiger war. Dies ist peinlich und es ist schade, dass das menschliche Gedächtnis so kurz ist."

Auf dem Programm, das für den 1. Mai von den politischen Gefangenen und der Bürgerinitiative "Trikem proti komunismu" (zu deutsch etwa: "Mit dem T-Shirt gegen den Kommunismus" sowie "Mit einem Trick gegen den Kommunismus") vorbereitet wird, steht nach dem eher politischen Teil ein Megakonzert, an dem zahlreiche bekannte tschechische Musiker teilnehmen. Wie die politischen Gefangenen sagten, darf unter den Künstlern kein ehemaliger Kommunist oder Mitarbeiter des kommunistischen Geheimdienstes sein.