Tschechiens Zeitungslandschaft um drei neue Boulevard-Zeitungen reicher
Tschechiens Zeitungslandschaft ist in den vergangenen Wochen und Monaten bunter geworden. Gleich drei neue Boulevard-Zeitungen sind auf den Markt gekommen. Werden die seriösen Zeitungen auf diese Herausforderung reagieren? Das erfahren Sie nun von Robert Schuster in einer neuen Folge von "Im Spiegel der Medien", der Mediensendung von Radio Prag.
Die starke Marktstellung von Blesk hängt auch damit zusammen, dass die Zeitung praktisch nie einen direkten Konkurrenten im Segment der Boulevard-Zeitungen hatte. Der letzte ernst zunehmende Mitbewerber war in den Jahren 2001 und 2002 die Tageszeitung Super, welche zwar versuchte mit einem Dumping-Preis und einem reißerischen Titelüberschriften den Platzhirschen zu verdrängen, letztlich jedoch am geringen Interesse der Werbewirtschaft scheiterte.
Tschechische Medienexperten sind der Ansicht, dass letztlich auch die vielen Reality-Shows, die in den vergangenen beiden Jahren vor allem bei den kommerziellen Fernsehsendern das Programm dominierten und eine Reihe von neuen Sternen und Sternchen im tschechischen Unterhaltungsgeschäft hervorgebracht haben, dazu beigetragen haben, dass das Interesse der Leser an brisanten Enthüllungsgeschichten über Prominente stark angestiegen ist und diese Nachfrage wohl kaum von einem einzigen Titel befriedigt werden kann.
Das zeigt auch der Erfolg bei einem anderen stark wachsenden Segment, bei den so genannten Gratis-Zeitungen, wo ebenfalls die Klatschspalten über Prominente und diejenigen, die sich dafür halten, einen großen Teil des Inhalts füllen.
Wie werden aber auf diese Entwicklung die insgesamt vier seriösen Zeitungen - das heißt die Mlada fronta Dnes, die Lidove noviny, die Pravo und die Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny reagieren? Darüber unterhielten wir uns mit dem Journalisten und Publizisten Karel Hvizdala.
"Ich glaube, sie haben schon reagiert. Zumindest die größte Zeitung des Landes, die Mlada fronta Dnes hat hier bereits nachgezogen. Man sieht, dass die Zeitung Angst hat, dass in Tschechien etwas Ähnliches passieren könnte, wie in Polen, wo zwischen der Boulevardzeitung Zeitung Superexpress und der seriösen Gazeta Wyborcza, sich ein weiterer Titel erfolgreich positionieren konnte. Die Mlada fronta Dnes versucht nun also die Schere, was ihre Breitenwirkung angeht, noch mehr zu öffnen, um keinen anderen hineinzulassen. Ich denke, dass alle vier bestehenden Boulevardblätter in dieser Form nicht längerfristig überleben können."
Die seriösen Zeitungen beklagen seit langem, dass deren Leserzahlen abnehmen und sie gezwungen sind näher zu rücken, womit wahrscheinlich auch erklärt werden soll, warum sich die verbliebenen Zeitungen selbst in ihren Kommentaren voneinander nur ausnahmsweise unterscheiden. Das verstärkte Engagement der Verleger auf dem Boulevard-Markt lässt aber die Vermutung zu, dass es in diesem Marktsegment im Gegenteil keine Abnahme bei den Lesern gibt, denn sonst würden die Verlagshäuser wohl nicht diese kostspieligen Projekte starten. Wie ist diese Asymmetrie bei der Entwicklung der Leserzahlen zu erklären? Dazu sagt Karel Hvizdala:
"Ich glaube, das stimmt so nicht. Die letzten Zahlen vom Februar zeigen, dass die so genannten seriösen Zeitungen im Prinzip fast dieselbe verkaufte Auflage haben, wie die Boulevard-Titel. Das also erstens. Man sollte noch hinzufügen, dass die so genannten seriösen Titel in Tschechien in Wirklichkeit nicht seriös sind, denn das sind Pop-Zeitungen. Wenn wir die Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny ausklammern würden, ließe sich hierzulande keine im westlichen Sinn seriöse Zeitung finden. Und zweitens verzeichnen die Boulevard-Blätter gegenwärtig wirklich einen Boom bei uns. Zudem lässt sich bei den Lesern ein interessanten Leseverhalten feststellen: Sie kaufen nämlich gleichzeitig mehrere solche Zeitungen, ohne sie jedoch zu gründlich lesen. Sie blättern sie durch und werfen sie dann weg."Wie bereits eingangs erwähnt, lässt sich in Tschechien auch ein Trend zu Gratiszeitungen feststellen. Karel Hvizdala war selber einige Jahre lang Chefredakteur der Mlada fronta Dnes und leitete zeitweise auch den gleichnamigen Zeitungsverlag. Sind die Gratiszeitungen aus seiner Sicht - unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus betrachtet - überhaupt überlebensfähig? Lassen sich die Kosten nur durch Werbung begleichen? Karel Hvizdala:
"Ich denke, das kann man zurzeit nicht mir wirtschaftlichen Motiven erklären. Die Verleger dieser Zeitungen versuchen so zu sagen lediglich einen Fuß in die Tür und Angel zu kriegen, und zwar für den Fall, dass sich auf dem Zeitungsmarkt etwas Neues ergibt. Jetzt sind solche Zeitungen für alle sehr teuer, zudem lässt sich damit kaum etwas verdienen. In Branchenkreisen heißt es, dass die Gratis-Zeitung Metro, die vor gut zehn Jahren als erste tschechische Zeitung dieser Art auf den Markt kam, in großen finanziellen Schwierigkeiten steckt. Ich denke, dass die Mlada fronta nun mit den anderen Bewerbern ein Spiel spielt, in dem sie zwar ein vergleichbares Projekt vorbereitet, es aber noch nicht gestartet hat und nun abwartet, bis die Konkurrenz ausblutet. Drei solche Titel wären schon wirklich zuviel, weil der Markt zu klein dafür ist. Das generelle Problem der tschechischen Medien besteht darin, dass zwar Vieles nachgemacht wird, was im Westen funktioniert hat, aber der Markt hierzulande dafür nicht vorhanden ist."
Gegenwärtig ist in Tschechien der Wahlkampf für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus, die in zwei Monaten stattfinden werden, im vollen Gange. Gerade in dieser Zeit kommt den Medien traditionell eine sehr wichtige Rolle zu, denn erstens spielt sich ein Großteil der Auseinandersetzung zwischen den Politikern und deren Parteien über die Medien ab, zum anderen können Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen etwa durch Kommentare, oder durch eine konzentrierte Fokussierung ihrer Berichterstattung auch die Meinung der Leser stark beeinflussen.Lässt sich also annehmen, dass angesichts der neuerdings starken Präsenz von Boulevard-Zeitungen auf dem tschechischen Markt auch der Wahlkampf eine neue Richtung bekommen wird? Oder werden sich diese Blätter eher passiv verhalten, bzw. die Politik wegen der in Tschechien stark vorhandenen Politikverdrossenheit gänzlich aussparen? Hören Sie dazu abschließend noch einmal den Publizisten und früheren Chefredakteur der Tageszeitung Mlada fronta Dnes Karel Hvizdala:
"Ich glaube, dass man das nicht so verallgemeinern kann. Die Zeitung Spy zum Beispiel, schreibt überhaupt nicht über Politik. Die anderen schreiben darüber und dort könnte man erwarten, dass sie auch Farbe bekennen werden und sich für eine bestimmte politische Richtung aussprechen werden. Das funktioniert nach diesem Schneeballsystem, das heißt, dass die Partei, die die größte Chance hat, kann auf Unterstützung von Seiten des Boulevards hoffen."