"Tschechien ist gut für die EU, die EU gut für Tschechien"

Günter Verheugen

Zwei Jahre ist Tschechien nun Mitglied in der Europäischen Union, Zeit für den Vater der EU-Erweiterung, den ehemaligen Erweiterungskommissar Günter Verheugen, einmal zu schauen, wie sich das Land in der EU entwickelt hat. In seiner neuen Funktion als Vizepräsident der Europäischen Kommission und Kommissar für Industrie- und Unternehmenspolitik der EU besuchte er Tschechien um sich mit Wirtschaftsminister Jiri Havel und mit Premierminister Jiri Paroubek zu treffen. Renate Zöller berichtet.

Aufgeräumt sah Günter Verheugen aus, als er am Freitagmorgen gemeinsam mit Jiri Havel vor die Presse trat: Tschechien sei noch viel erfolgreicher, als er es vor dem EU-Beitritt angenommen hatte. Er schätze die wirtschaftliche Situation sehr viel positiver ein, als er das in der Vergangenheit zu tun pflegte, sagte Verheugen:

"Dies ist mein erster Besuch in Tschechien nach dem Beitritt zur EU. Mein Eindruck ist, dass alle Versprechen, die wir gemacht haben, wahr geworden sind. Meine politische Einschätzung ist nach zwei Jahren EU Mitgliedschaft dieses Landes sehr deutlich: Die Tschechische Republik ist gut für die EU und die EU ist gut für die Tschechische Republik."

Nachdem der große Happen "Osterweiterung" so gut von der EU geschluckt wurde, stehen laut Verheugen nun neue Beitritte vor der Tür, und dabei denkt er nicht nur an diejenigen, die bereits verhandelt werden. So erfolgreich wie der Beitritt der 10 mittelosteuropäischen Länder 2004 dürften die weiteren Schritte vermutlich nicht verlaufen, aber doch könnte niemand ein Land, was in die EU wolle aufhalten, so Verheugen.

"Meiner Ansicht nach müssen wir unseren Nachbarn etwas anderes anbieten. Wir können ihnen nicht einfach sagen: Ihr müsst warten. Das heißt wir müssen die Beziehungen weiterentwickeln. Als ich noch Erweiterungskommissar war habe ich die so genannte 'Nachbarschaftspolitik' entwickelt. Das bedeutet, dass wir Ländern wie der Ukraine oder anderen Nachbarn die volle ökonomische Integration anbieten und graduell auch mehr politische Integration."

Neben der Ukraine, die für die Tschechen wegen der Nähe und der vielen legalen und illegalen Gastarbeiter im Zentrum des Interesses steht, spricht sich Verheugen auch für die Verhandlungen mit der Türkei aus, die wiederum in Deutschland kritisch verfolgt werden.

"Die Türkei, die möglicherweise ein Teil der Europäischen Union wird, wäre eine komplett andere Türkei als die heutige. Niemand bräuchte Angst vor ihr zu haben. Mein Rat ist: Lasst sie mit der EU verhandeln und lasst die Türken ihre Hausaufgaben machen, lasst sie fortfahren mit dem Reformprozess, der bereits sehr weit fortgeschritten ist. Sowohl mit den Reformen im institutionellen System als auch denen im Handelssystem und in der Wirtschaft. Letzten Endes werden wir uns das Ergebnis anschauen und erst danach entscheiden."