Erasmus von Rotterdam und seine Erben

Foto: Europäische Kommission

Mit dem Erasmus-Austauschprogramm der EU pilgern jährlich tausende auslandsneugierige Studenten durch die verschiedenen europäischen Länder. Eines davon ist Tschechien. Politikwissenschaftsstudentin Susa studierte ein Semester in Prag - sie kehrt demnächst nach Deutschland zurück. Was bedeutet das Erasmusjahr und wie geht es danach weiter, das hinterfragten Miriam Goetz und Svenja Mettlach.

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Susa sitzt auf den bereits gepackten Koffern und befürchtet folgende Heimkehrsituation: Sie sitzt bei Kaffee und Kuchen im Kreise ihrer Lieben und dann ertönt die unheilvolle Eingangsfrage des Verhörs:

"Also Kind, erzähl mal - wat is denn nun so rischtisch Tschechisch!"

"Ich weiß nicht, was ist schon richtig Tschechisch - keine Ahnung, vielleicht das Essen - Knödel....", seufzt Susa.

Doch mit dieser Aussage gibt sich keine Familie der Welt zufrieden! Es wird also nachgehakt und Susa versucht diplomatisch zu erklären:

"Ich weiß gar nicht, inwiefern ich wirklich etwas Tschechisches mitbekommen habe. Denn die Leute, die man kennen gelernt hat, sind fast alle Erasmus- oder Auslandsstudenten gewesen. Und auch in den Uniseminaren gab es super viele ausländische Studenten."

Mit dieser Erfahrung ist Susa nicht allein. Charakteristisch für das Erasmusjahr sehen viele Programmteilnehmer, dass sie aufgrund des gleichen Alters und ähnlicher Interessen eine sehr große, geschlossene Gruppe bilden. Die Folge: Es wird nur wenig Kontakt zu den einheimischen Studenten aufgebaut. Bei ihren Erasmusabendessen saßen mitunter Studenten aus 15 verschiedenen Nationen zusammen, aber kein Angehöriger des Gastlandes, bedauert Susa. Insgesamt wird von der Mehrzahl der Erasmusstudenten das Jahr als großartig für das gegenseitige Verständnis und den Abbau von Vorurteilen über die Landesgrenzen hinweg aufgefasst. Zurück im Heimatland muss sich der Weltenbummler-Student mit dem berühmt berüchtigten "erweiterten Horizont" in den Alltag neu eingliedern. Gerade letzteres gestaltet sich für die meisten oft schwieriger als vermutet. Trotz bevorstehender Umstellungsschwierigkeiten sieht Susa nun auch einiges positiver...

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"Also davon abgesehen, dass man in Deutschland seinem geregelten Alltag nachgeht und geregelten Strukturen, die man hier schon vermisst, ist es natürlich angenehmer was die Uni betrifft. Eigentlich bin ich auch zufrieden jetzt, so im Nachhinein, wenn man mal gesehen hat, wie es anderswo abläuft."

Das Fazit zum Erasmusjahr lautet: Die Studenten lernen oder verbessern die eigenen Fremdsprachenkenntnisse und erhalten Einblicke in das eigene Studienfach aus der ausländischen Perspektive heraus. Was noch viel wichtiger ist, sie lernen ein neues Land und dessen Kultur kennen. Mitunter kann man durch ein Studium im Ausland auch den deutschen Numerus-Clausus umgehen. Zudem erleichtern Auslandserfahrungen, die zunehmend vom Arbeitgeber gefordert werden, den Einstieg ins Berufsleben. Die Mehrzahl der Erasmuspilger beurteilt ihre Zeit im Ausland als sehr positiv, dennoch wird um vorangehende Bürokratie und Planung, sowie nachfolgende Eingliederungsschwierigkeiten kein Student herumkommen. Aber der gewonnene "Blick über den heimatlichen Gartenzaun" ist es definitiv wert, bestätigt auch Susa. Da lassen sich selbst die Verwandtschaftsverhöre in trauter Kaffee-Kuchen-Stimmung ertragen.