Tschechische Studenten – fürs Diplom nach Passau
Manche Studierende aus Tschechien gehen bewusst an deutsche Universitäten. Ihnen geht es dort um das bessere Studiensystem, einen internationalen Abschluss und dadurch auch eine aussichtsreichere Position auf dem Arbeitsmarkt. So zumindest formulieren das tschechische Studentinnen und Studenten an der Universität Passau in Niederbayern. In ganz Europa ist das Erasmus-Programm beliebt, um ein Semester oder mehrere an einer Universität im Ausland zu verbringen. Es gibt jedoch auch viele Tschechen, die ihr ganzes Studium bis zum Abschluss in Deutschland absolvieren. Radio Prag hat in Passau einige von ihnen getroffen.
„Die Gmoa, in der wir uns gerade befinden, ist eine wunderbare Kneipe, die von der Kirche finanziert ist. Eigentlich ist es ganz lustig, dass sich die Studenten in der Kirche treffen, um ein Bier zu trinken. Aber auch über Politik reden die Menschen sehr gerne hier in der Gmoa“, erzählt Adam Hegyi.
Ähnlichkeiten mit der Heimat
Passau liegt an der Grenze zu Österreich und am Zusammenfluss der Flüsse Donau, Inn und Ilz, deswegen wird es oft „Dreiflüssestadt“ genannt. Auch nach Tschechien ist es nicht weit, und das fand Adam ebenfalls wichtig:„Passau ist eine wunderschöne Stadt. Ich sehe hier so viele Ähnlichkeiten mit Prag, was ich total super finde. Das Bier hier ist toll. Ich wollte auch nicht unbedingt eine komplett andere Kultur kennenlernen. Ich wusste von Anfang an, dass sich in Bayern und Tschechien manche Traditionen ähneln. Außerdem musste es keine große Stadt sein, weil ich schon in Prag gelebt habe. Die Beziehungen zwischen Menschen hier gefallen mir sehr, und das hilft mir weiter, weil ich hier einfach mehr reden muss. Es ist nicht so anonym.“
Das Referat für Medienarbeit teilt auf Anfrage mit, dass jetzt im Wintersemester (2018/2019) insgesamt 29 Tschechinnen und Tschechen an der Universität in Passau studiert haben. Eine von ihnen ist Pavlína Bromová aus Týn nad Vltavou / Moldautein in Südböhmen:„Diese Idee kam mir, als ich hier in Passau mein Erasmus-Jahr verbracht habe. Damals habe ich auch viele Leute getroffen, die hier Vollzeit studiert haben. Da dachte ich, dass das eine tolle Idee sei und ich das auch machen könnte. Und so habe ich mich einfach beworben.“
Die Universität Passau ist eine der jüngeren in Deutschland. Erst 1978 wurde sie gegründet, hat aber mittlerweile über 12.000 Studierende. Von diesen kommen etwa 2000 aus dem Ausland – wie zum Beispiel Štěpánka Ryklová. Sie hat zunächst in České Budějovice / Budweis einen Bachelorabschluss gemacht. Dann hat sie sich in Passau bei den European Studies eingeschrieben.
„Nach meinem Bachelor wollte ich in einem deutschsprachigen Land studieren. Also hatte ich zwei Optionen: Wien oder Passau. Hier an der Universität gibt es für mich die interessanteren Fächer“, so Štěpánka Ryklová.
Mehr Freiheiten im Studium
Die größere Auswahl an Vorlesungen und Seminaren und mehr Freiheiten im Studium – das hat auch Pavlína angesprochen, die ebenfalls European Studies studiert:„Mir gefällt das System hier, weil es anders ist. Hier studiere ich in Modulen und kann meine Schwerpunkte selbst auswählen. Das finde ich toll. In Tschechien war mein Stundenplan quasi vorgegeben, ich konnte ein paar Fächer wählen, aber nicht so viele.“
Laut den Angaben der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) haben 2016 in ganz Deutschland ungefähr 1400 Tschechinnen und Tschechen studiert. Manche von ihnen versprechen sich von dem Hochschulbesuch im Nachbarland eine bessere Stellung auf dem Arbeitsmarkt.
„In Tschechien gibt es viele deutschen Unternehmen, die es sehr schätzen, wenn man gute Deutschkenntnisse hat“, meint Štěpánka.
Ähnlich sieht das auch Pavlína. Allerdings überlegt sie mittlerweile, nach dem Studium in Deutschland zu bleiben:„Ich habe mich in Passau total verliebt, die Stadt gefällt mir wirklich, die Größe ist gerade richtig für mich. Wahrscheinlich versuche ich, hier eine Arbeit zu finden. Ich werde aber auch in Tschechien schauen und entscheide mich einfach dann, wenn es aktuell ist.“
Im Ausland alleine zu leben ist aber anfangs nicht immer so einfach, wie man denkt. Ein neues Land, eine fremde Sprache und ein anderer Lebensstil lassen bei manchem Heimweh aufkommen. Da scheint es eine gute Lösung zu sein, mit der Freundin oder dem Freund zusammen wegzugehen. So hat das zum Beispiel Adam gemacht:
„Ich bin zusammen mit meiner Freundin nach Passau gezogen, zuerst waren wir in einer WG. Das kann ich nur empfehlen, wenn man alleine nach Deutschland geht – da muss man sich unterhalten. Wobei es nicht notwendigerweise Deutsche sein müssen, die man trifft, es sind so viele Nationalitäten. Auf jeden Fall hat es viel Sinn, die Menschen helfen einem, wenn man zum Beispiel zuerst all diese Papiere unterscheiben muss.“
Heimweh in der Fremde?
Auch Štěpánka ist nicht allein nach Passau gekommen, seitdem hat sie aber hier schon viele neue Freunde kennengelernt:„Eine Kommilitonin von der Universität in Budweis ist mit mir nach Passau gekommen, aber wir stehen jetzt nicht mehr so oft im Kontakt. Ich kann sagen, dass ich hier so etwas wie meine Ersatzfamilie gefunden habe mit meinen Freunden. Ich glaube, ich fühle mich hier besser als die Ausländer in meiner Heimat. Denn Tschechien ist ein sehr homogenes Land im Vergleich zu Deutschland, das sehr interkulturell, international und multikulti ist. Ich fühle mich hier aber wirklich wohl und bin zufrieden.“
Selbst wenn man seit langem Deutsch lernt und vielleicht auch schon längere Zeit in dem Land gelebt hat, wird weiterhin erkannt, dass man kein Muttersprachler ist. Deswegen müsse man manchmal auch damit rechnen, dass sich Freunde über einen lustig machen.„Neun Jahre lang war ich an der Deutschen Schule in Prag, das ist ein Gymnasium. Aber meine Freunde sagen mir immer, dass ich kein Deutsch könne. Dann kommt immer diese Frage oder eigentlich so ein Spruch: ‚Das habe ich vielleicht akustisch nicht wirklich gut verstanden.‘ Das finde ich ganz toll und irgendwie lieb. Wenn die das machen, dann lachen wir immer“, erzählt Adam.
Pavlína und Štěpánka haben erst an der Uni begonnen, richtig Deutsch zu lernen. Am meisten hätten ihr aber die Muttersprachler geholfen, sagt Pavlína:
„Ich lerne schon sehr lange Deutsch, seit dem Gymnasium, aber da war es halt so, wie es normalerweise an einer Schule ist. Richtig habe ich die Sprach erst an der Universität gelernt. Im ersten Jahr hatten wir Muttersprachler als Lehrende, das hat mir sehr geholfen – und dann auch der Erasmusaufenthalt.“Im Ausland zu studieren ist eine große Herausforderung. In der EU ist es aber nach Meinung der tschechischen Studenten aus Passau viel leichter. Als europäische Bürger könne man sich in jedem Mitgliedstaat wie zu Hause fühlen.