Wallfahrtsort Filipov / Philippsdorf wird das "nordböhmische Lourdes" genannt
Die Ackermann-Gemeinde, über die wir anlässlich des 60. Jahrestags ihrer Gründung berichtet haben, hat ihr rundes Jubiläum in Nordböhmen begangen. Es ist kein Zufall, daß diese Region ausgewählt wurde, denn hier liegt ein Wallfahrtsort, der sowohl im deutschen als auch im tschechischen katholischen Milieu bekannt ist: Philippsdorf / Filipov. Nach Philippsdorf lädt Sie in der folgenden Ausgabe der Sendereihe "Reiseland Tschechien" Martina Schneibergova ein.
Filipov / Philippsdorf gehört heute zu Stadt Jirikov / Georgswalde, einer uweit von Rumburk / Rumburg liegenden Grenzstadt mit etwa 4.000 Einwohnern. Die Staatsgrenze führt nur 50 Meter an der Wallfahrtsbasilika in Filipov vorbei. Dort, wo heute die Kirche der Jungfrau Maria, der Hilfe der Christenheit, steht war 1866 nur eine Wiese, auf der das Haus der Familie Kade stand. Die jetzige Kirche wurde etwa zwanzig Jahre später erbaut. Der Grund dafür war eine Wunderheilung. Über die Geschichte der Kirche ließ ich mir von Pfarrer Karl Kindermann erzählen, der aus dem nahe liegenden Kralovstvi / Königswalde stammt, heute in Wiesbaden lebt und Ehrendomherr bei St. Stephan in Litomerice / Leitmeritz ist. Was ist 1866 in Filipov passiert?
"In der Nacht vom 12. auf den 13. Januar, genauer gesagt am 13. Januar früh um 4 Uhr im Jahre 1866 ist Mutter Gottes Maria in Philippsdorf erschienen. Zu einer todkranken jungen Frau, die Magdalena Kade, hieß, sagte sie: ´Mein Kind, von jetzt an heilt´s.´ Magdalena Kade war Jahre lang todkrank. Sie lebte im Elternhaus. In dieser Nacht hat ihre Freundin Veronika Kindermann bei ihr in der Nacht gewacht. (Diese Veronika war keine meine Verwandte, aber hier in der Region gibt es den Namen sehr oft.) Dies ist alles verbrieft. Sonst haben der Bruder oder die Schwägerin gewacht, denn die Kranke konnte nicht allein sein."Was hatte sie für eine Krankheit?"Sie hatte Wunden auf dem ganzen Körper - wie Aussatz oder fast wie Lepra - und sie musste bandagiert werden. In der Nacht weckte die Kranke ihre Freundin und sagte ihr: ´Veronika, wach auf, die Mutter Gottes war hier und hat gesagt: Mein Kind, von jetzt an heilt´s. Und ich bin geheilt. ´ Und da war der ganze Körper geheilt, bis auf eine Stelle, die so groß wie der Daumennagel war. Magdalena Kade wollte gleich aufstehen und arbeiten. Es wurden der Arzt und der Priester gerufen, die gesagt haben, dass sie bald sterben wird. Sie konnten sich jetzt nur wundern, dass sie geheilt war. Am Tag fing sie an schon zu arbeiten - in der Kirche und im Haus. Sie hat dann Kranke in einem Krankenhaus gepflegt. Magdalena Kade ist im Alter von 70 Jahren am 10. Dezember 1905 gestorben."
Wie war die Reaktion der Umgebung damals nach der Heilung, in wie weit hat sich das Ereignis herumgesprochen?
"Es gibt ein Lied für die Wallfahrt, in dem es heißt: Maria war in unserem Ort, in Philipsdorf. Diese Botschaft eilte von Ort zu Ort, in die ganze Umgebung. Es sind Leute gekommen, die sehen wollten, ob es wahr war. Es kamen auch Menschen, die skeptisch waren und danach fragten, wie es kommt, ob es doch irgendwelche Medikamente gab, die geholfen hatten. Aber Magdalena Kade war Jahre lang wirklich sterbenskrank, sodass keine Medikamente mehr wirkten, und es wurden ihr auch keine mehr gegeben."
Hat darauf damals die offizielle Kirche gleich reagiert? Und wie war ihre Haltung?"Pfarrer Anton Storch, der hierher aus Georgswalde kam, der sie betreute und ihr in den Jahren der Krankheit Kommunion brachte, meldete es dem Bischof von Leitmeritz. Dort wurde eine Kommission einberufen, die das Ereignis untersuchen sollte. In der Kommission waren Ärzte und Juristen, wobei natürlich nicht alle Kommissionsmitglieder christlich waren."
Konnte sich die Kommission über ein Urteil einigen?
"Ja, sie kam zum Schluss, dass es eine Sache ist, die man sich natürlich nicht erklären kann."
Filipov ist damals schnell bekannt geworden, das Haus von Magdalena Kade wurde viel besucht, sagt Pfarrer Kindermann:
"Es wurden in dem Wohnhaus Andachten gehalten. Leute kamen zu Besuch, um Magdalena Kade um Rat zu bitten. Sie brachten auch Kranke mit. Einige Kranke wurden dann auf die Fürbitte geheilt und sie gingen wie von Lourdes oder Fatima geheilt nach Hause zurück. Es wurde beschlossen, eine Kirche zu erbauen, dort wo das Haus der Familie Kade stand."
Die Kirche hat die Ereignisse von Filipov offiziell anerkannt, die neu erbaute Marienkirche wurde von Papst Pius XI. zur "Basilika Minor" ernannt. Pfarrer Kindermann über die Kirche:
"Der Bau der Kirche wurde 1885 beendet, also fast zwanzig Jahre nach Magdalenas Heilung. Das ist die heutige Basilika von Philippsdorf. Vorher stand jedoch dort, wo sich Kades Haus befand, schon eine Kapelle."
Wie erinnern Sie sich an die Wallfahrten aus Ihrer Kindheit? Sind Sie auch zu Fuß gepilgert?
"Ja. Ich bin 15 Kilometer von hier entfernt - in Kralovstvi / Königswalde - geboren. Meine Mutter wurde 1904 in Jirikov geboren. Wir haben natürlich unsere Großeltern oft besucht. Es gab immer schon einen Anlass, den Gottesdienst in Philippsdorf zu besuchen. Soweit ich mich erinnern kann, sind wir im Winter mit dem Schlitten gefahren, im Sommer gingen wir zu Fuß. Was mich als Kind beeindruckt hat, waren immer besondere Wallfahrerinnen, die eine herrliche Tracht mit großen Hauben, langen Röcken und wunderschönen Gewändern anhatten. Das waren die Frauen aus der Region von Bautzen - die Sorben. Die kamen damals und kommen heute wieder zu den Wallfahrten - zu Fuß oder auch mit der Bahn. Das war immer eine Attraktion.Jetzt mache ich einen großen Bogen: Ich habe vor zwei Jahren eine Anfrage aus Australien bekommen. Eine Frau schrieb mir, sie sei immer als Kind nach Philippsdorf gegangen und erinnere sich an ein Gebetbuch mit besonderen Gebeten von Philippsdorf - was man betet, wenn man ankommt, wenn man die Gnadenkapelle oder die Messe besucht. Sie bat mich darum, ihr ein solches Gebetbuch zu besorgen. Ich habe lange gesucht, aber habe ein altes Gebetbuch gefunden und es nach Australien geschickt. Die Frau hat sich sehr gefreut und bedankt. Das sind Erinnerungen von Leuten, die heute siebzig Jahre alt oder älter sind - wie ich, an Philippsdorf. Ich finde das wunderbar, dass sie sich an die Kindheit erinnern, auch wenn die Leute von hier in der ganzen Welt verstreut sind."
Wann waren Sie hier zum ersten Mal als Priester zu Besuch?
"1965 war ich als Priester hier, aber in meinem Visum stand damals ´Lehrer´. Hier war damals die so genannte ´Friedensgrenze´ mit den Kasernen. Ich konnte hier nicht als Priester wirken. Dann kam der Prager Frühling 1968, nach dem Einmarsch der Warschauer Pakttruppen konnte ich Jahre lang nicht hierher fahren. Dann habe ich hier 1991 in der Gnadenkapelle den ersten Gottesdienst in deutscher Sprache gefeiert - das war am 13. Januar 1991 um 9 Uhr. Da freue ich mich noch heute darüber, und wenn es geht, versuche ich viele Menschen auf den Wallfahrtsort Philippsdorf / Filipov aufmerksam zu machen. Ich finde es wunderbar, dass es nicht nur eine Erinnerung an die Kindheit oder an etwas, was genau vor 140 Jahren passierte, ist. Sondern es ist ein ganz aktueller Wallfahrtsort, wo man für den Frieden beten und sich für die Verständigung einsetzen kann."