Premysl Otakar II.
Die meisten von Ihnen kennen bestimmt die Stadt Königsberg. Aber kennen Sie auch Premysl Otakar II.? Was die Stadt im ehemaligen Ostpreußen mit dem böhmischen Herrscher verbindet, erfahren Sie im nun folgenden Kapitel aus der tschechischen Geschichte von Thomas Oellermann und Katrin Bock.
Ja, was verbindet eine Stadt an der Ostsee mit einem böhmischen König? Vielleicht haben einige von Ihnen anlässlich der diesjährigen 750 Jahr-Feier von Kaliningrad bzw. Königsberg darüber gelesen oder gehört: die Stadt an der Ostsee wurde zu Ehren des böhmischen Königs Premysl Otakar II. so benannt, der damals der mächtigste Herrscher in Mitteleuropa war. Oftmals wird Premysl Otakar II. als der Goldene oder der Eiserne König bezeichnet, zu Recht, denn er war zu seiner Zeit dank der großen Silbervorkommen in Böhmen einer der reichsten Männer Europas und dank seiner oftmals durchschlagenden Politik auch einer der mächtigsten. Seinen Traum eines Reiches von der Adria bis an die Ostsee schaffte der ehrgeizige Premysl Otakar aber nicht zu verwirklichen. Zehn Jahre lang, vom 1260 bis 1270 dominierte der böhmische König die mitteleuropäische Politik, dann begann sein Stern zu sinken. Am 26. August 1278 fiel der böhmische König in der der Schlacht bei Dürnkrut auf dem Marchfeld gegen seinen Rivalen Rudolf von Habsburg.
Premysl Otakar II. stammte aus dem Geschlecht der Premysliden, das seit Ende des 9. Jahrhundert in Böhmen herrschte. Seine Mutter Kunigunde war eine geborene Hohenstauferin, das machte aus Premysl einen Urenkel von Friedrich Barbarossa. Das genaue Geburtsdatum und -jahr von Premysl Otakar II. sind unbekannt - vielleicht deshalb, weil er als zweitgeborener Sohn zunächst einmal nicht als Thronfolger vorgesehen war. Doch schon bald zeigte sich seine ehrgeizige Natur. Nach dem Tod seines großen Bruders 1247 machte Premysl Otakar erstmals mit einer Revolte gegen seinen Vater Wenzel-Vaclav I. auf sich aufmerksam. Vaclav I. konnte seinen Sohn militärisch besiegen und ließ ihn erst einmal in den Kerker werfen. Die Bestrafung dauerte nicht lange, warteten auf den jungen Premysliden doch große Aufgaben. Als erstes wurde er als Markgraf von Mähren eingesetzt, kurz darauf sollte sich Premysl Otakar im Nachfolgekampf um das Herzogtum Österreich durchsetzen, um das sich nach dem Aussterben der Babenberger die mächtigen Herrscher Europas mit verschiedenen Taktiken stritten.
Premysl Otakar wählte dabei die Heiratstaktik: 1251 ehelichte er Margarete, die Schwester des letzten Babenbergers, um ein Anrecht auf Österreich zu erhalten. Es spielte keine Rolle, dass die Braut mehr als doppelt so alt war wie der damals schätzungsweise 19jährige Tscheche. Seine Taktik ging auf: nach Kämpfen gegen die ebenfalls ihr Anrecht anmeldenden Ungarn wurde Premysl Otakar als Herrscher in Österreich anerkannt. Inzwischen war auch sein Vater Vaclav I. verstorben und Premysl Otakar wurde böhmischer König.
1254 machte sich Premysl Otakar II. auf Bitten des Papstes auf einen Kreuzzug gegen die heidnischen Preußen auf. Unter seiner Leitung schlug das Kreuzheer die an der Ostseeküste siedelnden Samländer. Anfang 1255 wurde an einer Flussmündung eine neue Burg errichtet, die dem böhmischen König zu Ehren Königsberg genannt wurde. Und noch etwas verband die Stadt an der Ostsee mit Böhmen: der heilige Adalbert- Vojtech von Prag, der 997 von den heidnischen Preußen erschlagen worden war, wurde Hauptpatron des Königsberger Doms.
Premysl Otakar II. hielt sich nicht lange an der Ostsee auf und kehrte auch nie dorthin zurück. Zentrum seiner Politik waren und blieben neben den Böhmischen Ländern die österreichischen Herzogtümer. Nach einem entscheidenden Sieg gegen die Ungarn in der ersten Schlacht auf dem Marchfeld 1260 erhielt der böhmische König die Steiermark. Um den Frieden mit den Ungarn, die er jahrelang bekämpft hatte, zu unterstreichen, wollte Premysl Otakar die Enkelin des ungarischen Königs heiraten. Doch zuvor musste er ein Problem lösen: er musste seine erste Gattin loswerden. Premysl Otakar warf ihr die Kinderlosigkeit ihrer Ehe vor, was angesichts ihres Alters keine Überraschung sein konnte, und verstieß Margarete von Babenberg. Der Papst sanktionierte diese Art von Scheidung in Herrscherkreisen und segnete die neue Ehe mit Kunigunde von Ungarn. Margarete verlebte ihren Lebensabend auf ihrem Gut in Krems, wo sie 1267 starb. Die zweite Gattin Premysls, Kunigunde, schenkte dem böhmischen König nach zwei Töchtern 1271 endlich den ersehnten Thronfolger Vaclav.
Zwischen 1260 und 1270 war Premysl Otakar II. auf dem Höhepunkt seiner Macht: nach dem Erwerb von Kärnten und Krain herrschte er über ein Gebiet, das bis an die Adriaküste reichte. 1266 hatte er zudem das Reichslehen Cheb-Eger besetzt. Premysl Otakar war der erste Herrscher, der die böhmischen Kronländer mit den österreichischen Herzogtümern in einem Gesamtstaat vereinigte, und damit sozusagen die Grundidee für das spätere Habsburger Reich lieferte. Im deutschen Reich, in dem seit dem Tode des letzten Staufers 1250 ein Interregnum herrschte, war der böhmische König der reichste und mächtigste Herrscher. Die Gotik hielt nun in den böhmischen Städten Einzug. Der Prager Hof wurde Mittelpunkt höfischer Kultur. Hier wirkten die bekanntesten Minnesänger, die vom Goldenen König gefördert wurde. Sein unbeschränkter Reichtum beruhte auf den großen Silbervorkommen in Böhmen.
Zur Stärkung seiner Machtposition gegen den aufstrebenden Adel im Landesinneren führte Premysl Otakar II. einige Reformen durch. Die Verwaltung wurde zentralisiert, zudem gründete er zahlreiche Klöster und Städte, die Pfeiler seiner Macht im Lande wurden. Zu den von Premysl Otakar II. gegründeten Städten gehören unter anderem Usti nad Labem - Aussig an der Elbe, Ceske Budejovice- Budweis oder Domazlice-Taus. Der böhmische König förderte Handel und Gewerbe, versuchte, Maße und Gewichte zu vereinheitlichen und eine Geldreform durchzuführen, garantierte den Juden -im Gegensatz zu anderen Herrschern seiner Zeit- Selbstverwaltung und Glaubensfreiheit und rief deutsche Kolonisten ins Land, die sich in den bisher nicht besiedelten Grenzgebirgen und neu gegründeten königlichen Städten niederließen. Dies alle stärkte die Macht und den Reichtum des Königs. Die Adeligen allerdings betrachteten jene Entwicklungen mit Argwohn. Der Versuch des Königs, ihre Macht und ihren Einfluss einzuschränken, stieß immer mehr auf Widerstand.
Im September 1273 wurde Rudolf von Habsburg zum neuen deutschen Kaiser gewählt - gegen die böhmische Kurfürstenstimme. Auch Premysl Otakar hatte eine zeitlang mit der Idee geliebäugelt, sich zur Wahl aufstellen zu lassen. Kriegerische Auseinandersetzungen mit den Ungarn und mangelnde Unterstützung von Seiten des Papstes hatten ihn aber davon abgehalten. Der Wahl des alemannischen, scheinbar unbedeutenden Fürsten Rudolf von Habsburg schenkte der mächtige Böhmenkönig zunächst keine Beachtung - zu viele Könige waren während des Interregnums gekommen und gegangen. Doch diesmal verrechnete sich der böhmische König gehörig:Nachdem er sich geweigert hatte, den neuen deutschen Kaiser anzuerkennen, reagierte dieser prompt: Rudolf von Habsburg sprach über seinen böhmischen Rivalen die Reichsacht aus, und dieser folgte bald darauf der Kirchenbann. Otakar verlor nicht nur die österreichischen Herzogtümer und Cheb an den Habsburger, sondern auch an Macht in Böhmen: immer mehr Adelige verweigerte ihm den Gehorsam und es kam, wie es kommen musste: am 26. August 1278 standen sich die Heer Otakars und Rudolfs bei Dürnkrut auf dem Marchfeld zu einer Entscheidungsschlacht gegenüber. Bei dieser fand der böhmische König den Tod, der Habsburger jedoch festigte seine Macht in Österreich, das von nun an für über 600 Jahre den Habsburger gehören sollte.
Premysl Otakar II. war bei seinem Tod nur 45 Jahre alt, sein Sohn Vaclav sieben. Die böhmischen Kronländer versanken für ein Jahrzehnt in Chaos, bis Vaclav II. alt genug war, die Herrschaft zu übernehmen. Seine Gattin wurde übrigens die Tochter Rudolfs von Habsburg. Vaclav II. setzte die Politik seines Vaters fort. Es gelang ihm, sowohl die polnische als auch die ungarische Königskrone zu gewinnen. Das böhmische Königreich erstreckte sich Anfang des 14. Jahrhunderts von der Ostsee bis an die Adria. Doch diese Machtstellung war nur von kurzer Dauer. 1305 starb Vaclav II., ein Jahr später wurde sein Sohn und Nachfolger Vaclav III. erst siebzehnjährig ermordet. Damit starb das Geschlecht der Premysliden, das über 400 Jahre lang die Geschicke Böhmens geleitet hatte, im männlichen Stamm aus.
Bereits seine Zeitgenossen bewunderten Premysl Otakar als idealen Ritter, sein Aufstieg und steiler Fall faszinierten Chronisten und Dichter. Nach dem heiligen Wenzel-Vaclav und dem Märtyrer Adalbert-Vojtech war er der dritte Tscheche, den man in ganz Europa kannte. Ein Heiliger wurde er allerdings nie. Übrigens ist Premysl Otakar II. auch in die Literatur eingegangen. Sein Zeitgenosse Dante Alligheri widmete ihm einen Auftritt in seiner "Göttlichen Komödie". Einige Jahrhunderte später wurde der böhmische König Held eines Dramas von Franz Grillparzer.