"Erklären Sie mir bitte das undurchsichtige Land Tschechien"

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Seine Feinde sollte man gut kennen - aber auch den eigenen Geschäftspartner. Kleine Tipps und Tricks können in der Welt des Geldes die Türen öffnen. Dies gilt doppelt und dreifach bei internationalen Firmenkontakten, denn oft stehen interkulturelle Unterschiede im Weg. Schade ums Geschäft. Bara Prochazkova hat sich umgehört, wie geschäftliche Begegnungen in Tschechien leichter gemacht werden können:

Heike Birke,  foto: Autorin
Kommunizieren die Tschechen eher indirekt oder kommen sie schnell auf den Punkt? Und wie ist eigentlich "der Tscheche an sich". Mit solchen Fragen kommen die unterschiedlichsten Leute in die Seminare von Heike Birke - meist Geschäftsleute und Angestellte aus der freien Wirtschaft, die aus beruflichen Gründen für einen längeren Zeitraum nach Tschechien gehen. "99 Prozent davon sind Männer, Frauen gehen als Ehepartnerinnen mit ins fremde Land, kleine Kinder werden mitgenommen", sagt Heike Birke über ihre Kunden in den Beratungsstunden. Anfang der 90er Jahre waren viele noch blauäugig, meint Heike Birke:

"Kurz nach 1989 hat keiner gedacht, dass die Tschechen besonders anders wären und dass man sich auf sie vorbereiten müsste. Und wenn man damals gesagt hat, dass es interkulturelle Unterschiede gibt, dann haben deutsche Geschäftsleute gesagt: Also wissen sie, dass klingt ja zwar nett, die Tschechen sind völlig unproblematisch, sie sprechen alle sehr gut Deutsch und wir haben mit ihnen überhaupt keine Probleme. Und das, was sie dort ansprechen, dass braucht eigentlich keiner."

Mittlerweile spüren viele Geschäftsleute eine gewisse Problematik bei einem Zusammentreffen von Tschechen und Deutschen im Berufsleben. Viele klagen darüber, dass man sich einfach nicht versteht, erzählt die Trainerin aus jahrelanger Erfahrung. Heike Birke erklärt den Wandel positiv: "Die beiden Gruppen nehmen sich gegenseitig endlich ernst." Die größten Mängel zeigen sich bei der gegenseitigen Kommunikation, die häufig schlichtweg nicht vorhanden ist. Heike Birke nennt ein Beispiel aus der Unternehmenspraxis. Nur zu oft hört sie von deutschen Vorgesetzten Sätze wie diesen:

"´Sagen sie es ganz offen und kritisieren sie mich auch als Vorgesetzten.´ In der deutschen Unternehmenskultur läuft es unter den offenen Feedback-Runden. Manchmal ist es fast rührend zu sehen, wie ehrlich und ernst es die Entsandten meinen, wenn sie nach Tschechien kommen. Sie verstehen aber gleichzeitig nicht, dass es einem tschechischen Mitarbeiter nicht im Traum einfallen würde, ihren eigenen Chef zu kritisieren und noch dazu in einer fremden Sprache."

Heike Birke betont, dass man alle Probleme, die im interkulturellen Miteinander entstehen, von unterschiedlichen Seiten anschauen sollte. Denn es gibt neben situativen und kulturellen Faktoren auch personelle Faktoren - etwa, dass zwei Menschen einfach miteinander nicht auskommen. Dann ist es egal, ob sie Deutsche oder Tschechen sind. Für alltägliche Probleme zwischen Tschechen und Deutschen auf dem Arbeitsplatz gibt es auch wissenschaftliche Erklärungen. Das Kultur-Standard-Modell besagt, dass jedes Land eine eigene Kultur hat. Bei einem Zusammentreffen von zwei Kulturen muss man die Kulturform des jeweils anderen Landes lernen, um die entstehenden Konflikte zu beseitigen. Diese Vorstellung hält die Anthropologin und interkulturelle Trainerin Dana Moree für überholt. In den 90er Jahren sind neue transkulturelle Modelle entwickelt worden, die die Kulturfrage relativieren:

"Dieses Modell ist mit einer individuellen Geschichte und Identität verbunden. Die Theorie sagt, dass wir alle vielfältige Identitäten haben, die mit unserem Zugehörigkeitsgefühl zusammenhängen. Wir bekommen Identitäten aus unserer beruflichen Arbeit, aus unserem Hobby-Umfeld, von der Familie oder von der Gruppe, mit der wir Sprachunterricht nehmen. Das heißt, wir bewegen uns zumeist in Gruppen, die nicht mit Nationalität verbunden sind. Wir können also nicht sagen, dass Deutsche zum Beispiel expliziter und pünktlicher sind und Tschechen dagegen impliziter oder ähnliches."

Heike Birke hat diesbezüglich zehn Irrtümer aufgestellt, die den deutschen Geschäftsleuten "viel Geld und Nerven" kosten können. Das Ziel der Seminare ist es, dass Tschechen und Deutsche gemeinsam erfolgreich arbeiten können. Dazu müssen erstmal gewisse fest verankerte Vorstellungen beseitigt werden. Deutsche halten ihre Kollegen aus Tschechien unter anderem für nichteffektive Mitarbeiter. Der Spieß kann aber auch umgedreht werden, sagt die Diplom-Sozialpädagogin Heike Birke:

"Dieser Irrtum entsteht, glaube ich, wenn Deutsche Tschechen am Arbeitsplatz lachen, trinken oder sich Geschichten erzählen sehen. Sie schließen dann sofort daraus, dass sie nicht arbeiten. Sie haben ja Spaß. Für Deutsche ist Arbeit etwas Ernstes und wenn sie da zu viel lachen, dann ist da irgendwas falsch. Und die Tschechen denken häufig über die Deutschen, dass wir nicht effektiv arbeiten, weil wir Stunden in irgendwelchen Meetings und Besprechungen sitzen. Und ich habe oft schon von tschechischen Teilnehmern an Seminaren gehört, dass sie sich fragen, wie viel Zeit man in diesen Meetings verliert, in der Zeit könnte man doch arbeiten."

Die interkulturellen Trainings sind ganz bunt, ein Landeskundevortrag im eigenen Wohnzimmer oder ein Bewegungsspiel draußen an der frischen Luft, jeder Kunde bekommt ein individuelles Programm. Dazu die Pragerin Dana Moree:

"Wir machen Simulationen von konkreten Situationen, die die Menschen bei der Arbeit antreffen können, zum Beispiel eine Art Teamsitzung. Wenn dabei Konflikte entstehen, versuchen wir dann mir diesen Konflikten zu arbeiten und Alternativen ausprobieren, so dass wir eine alternative Lösung finden."

Dana Moree arbeitet in ihren Trainings immer mit gemischten, tschechisch-deutschen Gruppen, denn jeder Teilnehmer soll die Möglichkeit bekommen, die eigene Muttersprache zu sprechen und gleichzeitig die jeweils andere Sprache zu hören. Die Wahl der Kommunikationssprache ist für die gegenseitigen Kontakte sehr wichtig. Viele Deutsche haben die Erfahrung gemacht, dass ihre tschechischen Kollegen die deutsche Sprache perfekt beherrschen, diese Erfahrung kann jedoch oft trügen, bestätigt Heike Birke, die selber fließend Tschechisch spricht:

"Ich wäre mit der Behauptung, dass alle sowieso Deutsch sprechen, sehr vorsichtig. Man muss sich nur daran erinnern, wie gut- Hand auf Herz - unser Business-Englisch ist, das wir immer einsetzen. Wenn jemand einen Vortrag in einer Fremdsprache zu halten hat, dann wissen wir alle, dass wir gar nicht mehr so charmant und so bestechend herüber kommen, als wenn wir es in unseren eigenen Sprache tun könnten."

Der erste Tipp von der Trainerin für diejenigen, die mit tschechischen Geschäftspartnern etwas zu tun haben, wäre also die tschechische Sprache lernen, gefolgt von Höflichkeitsformen und einem gewissen Vertrauen in die Kompetenz der tschechischen Kollegen. Als erstes sollten Deutsche aber lernen, den Namen seines tschechischen Mitarbeiters auszusprechen, denn das ist das A und O einer gleichwertigen Arbeitsbeziehung:

"Oft hört man es, dass der tschechische Kollege sagt, sagen sie `Honza` zu mir, wenn man den Nachnamen `Krizik` nicht aussprechen kann oder so. Dann entsteht sofort eine ungleiche Beziehung, der eine ist dann der `Doktor sowieso` und der andere heißt einfach `Honza`. Wo bleibt dann die Partnerschaft."

In interkulturellen Trainings kann man eine Richtung zeigen, wie die Probleme zu lösen sind, den Weg müssen die Teilnehmer dann aber alleine gehen, sagt Dana Moree, die bereits seit Jahren mit tschechisch-deutschen Gruppen unterwegs ist und ihnen Tipps und Tricks gibt, wie man der anderen Seite begegnen soll:

"Wir können immer probieren, eine andere Perspektive anzubieten und wir können die Menschen stimulieren, eine andere Perspektive anzunehmen. Wenn es aber keinen guten Willen gibt, dann kann man damit auch nicht gut arbeiten. Der gute Willen ist die Basis für weitere Entscheidungen und eine Diskussion."

Die Trainer können niemanden beibringen, sich in einem anderen Land wohl zu fühlen, aber sie können dazu beitragen, dass die Seminarteilnehmer im Ausland weniger böse Überraschungen erleben und in Konflikte geraten, fasst Heike Birke zusammen:

"Ich möchte einfach, dass sie, wenn sie in dieses Land gehen, ganz offene Sensoren haben für alle Signale, die sie auffangen können. Und dann versuche ich ihnen einfach Lust zu machen auf dieses Land."