Nicht alle freuen sich über die Sommerferien
Am 1. Juli begannen für die tschechischen Schüler die zweimonatigen Sommerferien. Nicht wenige von ihnen haben trotzdem einen Grund traurig zu sein. Mitten im Sommers hat Jitka Mladkova das Thema "Schule" für das nun folgende Feuilleton gewählt.
Freude, Trauer oder sogar Tränen begleiten traditionsgemäß die tschechischen Schüler am letzten Junitag, wenn zum Abschluss des auslaufenden Schuljahres die Zeugnisse vergeben werden. Dieser Tage denkt wohl kaum noch jemand daran, denn mittlerweile sind schon die herbeigesehnten Sommerferien in vollem Gange. Ungeachtet der Ferien mag allerdings ausgerechnet die Schule nicht wenigen Eltern Kopfzerbrechen bereitet haben. Zu viele ihrer Sprösslinge, vor allem Grundsschüler, haben auf ihrem Zeugnis die schlechteste Note, nämlich eine Fünf, oder sogar mehrere Fünfen gefunden.
Während die ersteren nach den Ferien noch eine Chance bei einer Nachprüfung bekommen, heißt es für die anderen nur eines - das Sitzenbleiben! Statistiken zufolge fällt in Tschechien jeder 100. Grundschüler durch. Die Mehrheit der Psychologen ist sich aber darin einig, dass das Instrument des Sitzenbleibens kaum das positive Verhältnis zur Schule stärken kann. In diesem Jahr dürften es wieder um die zehntausend Schüler sein, die in einem oder mehreren Fächern durchgefallen sind.
In Tschechien gibt es auch relativ viele Kinder, die zwar keine Probleme beim Lernen haben, aber doch ihre Stammschule verlassen müssen. Mit dem neuen Schuljahr 2005/2006 werden nämlich in Tschechien wie bereits in den vergangenen Jahren mehrere Dutzend Schuleinrichtungen aus der Schullandschaft verschwinden. Die unsichtbare Hand des Marktes, sprich die Sparmaßnahmen, ist hierzulande auch in diesem Bereich spürbar. Dabei geht es bei weitem nicht nur um kleine Dorfschulen, sondern auch um städtische Schulen, in denen es an Schülern mangelt. Die Konsequenz: Die Schülerschaft einiger Schulen wird zahlenmäßig aufgestockt, indem andere Schulen gestrichen werden. Sie müssen sich auf eine Umstellung im neuen Schuljahr gefasst machen: Ihre Schule wird nach den Sommerferien kilometerweit entfernt sein.
Unter den landesweit betroffenen Schulen ist z.B. auch die in der mittelböhmischen Gemeinde Rataje nad Sazavou. In historischen Quellen wurde ihre Existenz bereits im Jahr 1656 erwähnt. Doch auch vor diesem Ort hat die demografische Entwicklung hierzulande nicht Halt gemacht. Ende des kürzlich abgeschlossenen Schuljahres sind in Rataje insgesamt nur 20 Schüler in zwei Klassen übriggeblieben. In die erste Klasse haben sich ab kommendem September nur drei Schüler angemeldet. Und da gab es für den Gemeinderat, der die Schule aus eigener Kasse subventionieren musste, kein Wenn und Aber mehr. Tradition hin, Tradition her, Rataje wird nach mehr als 300 Jahren keine Schule mehr haben. Der Dorfchronist hat am 30.Juni die letzte Eintragung über ihre Existenz gemacht. Samt der Information, dass die Schulköchin an diesem historischen Tag die Lieblingsspeise ihrer Schützlinge zubereitet hat: Leber mit Zwiebeln.