Concertino Praga: "Musik per Post"

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In Prag wurden vergangene Woche die Preise des internationalen Rundfunk-Wettbewerbes Concertino Praga 2005 vergeben. Die Preisträger sind acht junge Musiker im Alter von bis zu 18 Jahren aus fünf europäischen Ländern. Am vergangenen Samstag spielten die Laureaten im Prager Konzerthaus Rudolfinum, danach fuhren sie auf Konzerttournee nach Südböhmen. Unter den Preisträgern sind auch zwei deutsche Musikerinnen. Einzelheiten über den Wettbewerb der klassischen Musik erfahren Sie jetzt von Bara Prochazkova im Kultursalon.

Die Musik wird per Post geschickt - für den einen oder anderen ist das eine ungewöhnliche Vorstellung. Vor 40 Jahren war es aber für viele junge Musiker aus Osteuropa die einzige Möglichkeit, an internationalen Musikwettbewerben teilzunehmen. So entstand 1966 auch Concertino Praga. Mehr dazu vom Organisator dieses internationalen Wettbewerbs, Martin Vojtisek:

"Die Entstehung des Wettbewerbes geht darauf zurück, dass es damals Probleme mit dem Reisen gab. Zum Beispiel konnten tschechische Jugendliche nicht zu Musikwettbewerben in den Westen fahren. Die Idee war folgende: Man wollte einen Wettbewerb schaffen, der auf Zusendungen von Rundfunkaufnahmen basierte. Das Schicken von Aufnahmen konnte nämlich damals keiner verbieten."

Die Jugendredaktion des Tschechoslowakischen Rundfunks hat damals mit diesem Hintergedanken den Wettbewerb für Musiker bis 18 Jahre ins Leben gerufen, und der Tschechische Rundfunk stellt bis heute den organisatorischen Rahmen, so auch beim diesjährigen 39. Jahrgang. Die Form des Wettbewerbes ist einzigartig. Die jungen Musiker spielen in ihren Heimatländern in einem Studio des örtlichen Rundfunks die vorgeschriebenen Pflichtkompositionen ein. In diesem Jahrgang mussten die Bewerber technisch anspruchsvolle Stücke von zeitgenössischen tschechischen Komponisten einstudieren, sagt Martin Vojtisek:

"Es gibt zwei wichtige Bedingungen. Erstens das Höchstalter von 18 Jahren. Die zweite Bedingung ist es, dass die Künstler die Aufnahme, mit der sie sich bewerben, ohne jegliche Schnitte im Ton aufnehmen müssen. Das heißt so, als wäre es ein Live-Auftritt."

Die Aufnahmen werden dann per Post nach Prag geschickt, wo eine internationale Jury über die Preisträger entscheidet - alles strikt anonym. Diesmal hat die Jury die Künste von acht Musikern aus Russland, der Slowakei, Lettland, Tschechien und Deutschland honoriert. Die Preisträger sind am vergangenen Wochenende im Prager Konzerthaus Rudolfinum gemeinsam mit dem Symphonieorchester des Tschechischen Rundfunks aufgetreten. Dies ist auch als Preis für die jungen Musiker gedacht, da das Konzert vom Tschechischen Rundfunk live übertragen wird und das Tschechische Fernsehen eine Aufzeichnung bringt. Für die jungen Musiker ist das eine Möglichkeit, für die Öffentlichkeit zu spielen, sagt der Organisator des Wettbewerbes, Martin Vojtisek:

"Ich bin immer sehr beeindruckt, dass die jungen Musiker kein Lampenfieber haben - zumindest wirkt es so. Das überrascht mich wirklich. Manche von ihnen stehen zum ersten Mal vor dem Orchester und spielen in einer Direktübertragung. In diesen Momenten muss ich eigentlich darüber nachdenken, ob es für sie wirklich als Preis oder eher als Strafe gedacht ist. Aber ich freue mich für sie und wünsche ihnen, dass sie sich das ganze Leben lang im Rampenlicht so wohl fühlen."

Concertino Praga ist für die jungen Musiker das Eingangstor zur klassischen Musik, in die Welt der Großen Kunst. Eine Brücke zwischen Talent und Fleiß und eine Brücke auf die Bretter der Podien, die auf die jungen Leute in Zukunft warten. Der Programmdirektor des Tschechischen Rundfunks, Josef Havel, gibt den jungen Musikern auf den Weg in die professionelle Zukunft mit:

"Aus der Erfahrung der letzten Jahre denke ich, dass man in diesem Moment nicht mehr so viel über Fleiß und Talent sprechen sollte. Aber es hat sich immer bewährt, dass der beste Weg die Bescheidenheit ist. Also, ich würde gerne den jungen Musikern wünschen, dass sie auch nach dem Erfolg, der gekommen ist und der vielleicht noch kommt, mit beiden Füßen fest am Boden stehen bleiben."

Concertino Praga findet in einem dreijährigen Zyklus statt. Im ersten Jahr können sich Streicher und Pianisten bewerben, der zweite Jahrgang beschränkt sich auf Kammerorchester, die Blasinstrumente beenden schließlich den dreijährigen Rhythmus. Die Jugendlichen haben dieses Jahr in fünf Bereichen ihr Talent und ihr Können miteinander gemessen: Querflöte, Oboe, Klarinette, Horn und Trompete. Aus Deutschland gehören auch eine Horn- und eine Trompetenspielerin zu den Laureaten.

Rita Thiem aus Weimar hat die Jury und das Publikum mit ihrem Trompetenspiel begeistert. Es ist jedoch nicht ihr erstes Musikinstrument. Nachdem sie Flöte und Klavier gespielt hat, entdeckte sie die Trompete eher zufällig. Sie studiert seit einem Jahr an der Hochschule für Musik in Weimar. Musik ist der Mittelpunkt ihres Lebens:

"Jede Woche steht ein Konzert auf dem Programm, da spiele ich nicht solo sondern mit Quintett und unterschiedlichen Ensembles. Meistens gehen die Proben bis um zehn Uhr am Abend. Dafür muss man nicht so früh aufstehen wie in der Schule, sondern erst um neun. Ich probe manchmal vier bis sechs Stunden, von fünf Uhr nachmittags bis um zehn Uhr abends geht manchmal eine Probe durch."

Bleibt da überhaupt noch Freizeit für die Siebzehnjährige?

"Ja, die habe ich schon. Da fahre ich sehr gerne Motorrad, das ist ein sehr guter Ausgleich."

Die zweite deutsche Preisträgerin, Anna Magdalena Euen aus Braunschweig, kommt aus einer musikalischen Familie. Sie spielte erstmal Geige und Klavier, bis sie das Horn für sich ausgewählt hat. Was bedeutet Musik für sie?

"Im Prinzip ziemlich alles. Wegen des vielen Übens ist es schwer, Freunde und Musik zu verbinden. Da ich noch in der Schule bin, ist es auch schwer, Schule und Üben unter einen Dach zu kriegen. Ich fahre noch jede Woche nach Hannover, dort ist das Institut für Frühförderung musikalisch Hochbegabter, und das bedeutet viel Stress. Und die Freizeit, in der ich mit jemanden etwas unternehmen kann, fällt fast weg."

Die Fünfzehnjährige spielt jeden Tag eine Stunde Klavier und zwei bis drei Stunden Horn, am Wochenende kommen noch Proben mit ihrem Ensemble dazu. Die Mühe hat sich gelohnt, nun hat sie bei Concertino Praga den ersten Preis in der Kategorie Horn gewonnen. Sie möchte sich jedoch nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen:

"Ich denke, dass ich auf jeden Fall studieren will. Ich möchte auf keinen Fall Unterricht geben. Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, dafür bin ich zu sehr geprägt. Meine Eltern sind beide Lehrer. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, mich mit den Schülern zu ärgern, die nicht üben wollen."

Programmdirektor Josef Havel leitet bereits zum neunten Mal den Wettbewerb und ist immer wieder begeistert vom Engagement der Jugendlichen für die Musik:

"Mich überraschen immer zwei Dinge. Die erste Sache ist, dass es normale junge Menschen wie alle anderen sind, es ist keine Besonderheit zu erkennen. Wenn das Konzert zu Ende ist, trinken sie zum Beispiel ein kleines Bier, rauchen eine Zigarette oder gehen in die Disko tanzen. Des Weiteren bewundere ich den außergewöhnlichen Fleiß der Jugendlichen. Auch wenn sie nicht mehr müssen, üben sie noch mal und noch mal und keiner muss ihnen sagen, dass sie das Stück noch mal spielen sollen. Also die Eigenständigkeit und die Verantwortung für sich selber."

Zu den ehemaligen Laureaten gehören zwei Musiker, die mittlerweile auch in der internationalen Musikwelt berühmt geworden sind: die Geigenspieler Vaclav Hudecek und Pavel Sporcl.