Beherrscht Premier Babiš weiter den Konzern Agrofert?
Seit Monaten bereits geht es hin und her zwischen Prag und Brüssel. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob sich der tschechische Premier Andrej Babiš (Partei Ano) wegen seines ehemaligen Konzerns Agrofert in einem Interessenskonflikt befindet. Der Rechtsdienst der Europäischen Kommission jedenfalls ist zu diesem Schluss gekommen. Einem Audit des Rechtsdienstes nach ist Babiš nämlich weiterhin am Erfolg seiner Ex-Firma interessiert. Und zugleich hat er als Regierungschef auch die Möglichkeiten, über mögliche Subventionen für Agrofert zu entscheiden.
„Über Agrofert werde ich nicht mit ihnen sprechen“, sagte Babiš kurzangebunden den Reportern, als sie ihn zur Rede stellen wollten.
Stattdessen äußerte sich der Sprecher des Konzerns, Karel Hanzelka:
„Andrej Babiš leitet oder beherrscht weder Agrofert, noch die Tochterfirmen unserer Holding. Die Rechtslage in Großbritannien ist anders als in Tschechien. Laut den dortigen Gesetzen werden alle Personen ins Handelsregister eingetragen, auch wenn sie keinen wirklichen Einfluss auf die betreffende Firma haben.“Und der tschechische Premier betont immer wieder: Er habe Agrofert an die Treuhandfonds abgegeben. Damit entspreche er dem tschechischen Gesetz über Interessenskonflikte, das 2017 in Kraft getreten sei, so Babiš. Allerdings ist das aus Sicht der EU nicht entscheidend. Michal Tomášek ist Prodekan an der juristischen Fakultät der Prager Karlsuniversität:
„Bei uns in Tschechien wird immer der formale Aspekt betont. Da heißt es, wenn jemand im Register nicht aufgeführt ist, habe er auch keinen Einfluss. Im EU-Recht zählt aber die tatsächliche Einflussnahme.“
Genau dieser Aspekt ist auch wichtig bei einer Klage vor dem Gerichtshof der EU. Die tschechische Regierung hat diese Ende Mai eingereicht. Die Klage richtet sich gegen die Europäische Kommission. Denn Brüssel will weiterhin gewisse Subventionen an Agrofert nicht auszahlen. Aber was hat das Handelsrecht in Großbritannien damit zu tun? Noch einmal der Jurist Tomášek:
„Das dortige Rechtssystem gilt als Vorbild für das europäische, auch wenn das Vereinigte Königreich nicht mehr der EU angehört. Falls es zur Verhandlung vor dem Gerichtshof der EU kommen sollte, dann könnte der Eintrag in das britische Handelsregister ein wichtiger Beweis sein.“Und investigative Journalisten aus Großbritannien haben gegenüber dem Tschechischen Rundfunk erläutert, was der Eintrag bedeutet: dass Babiš zusammen mit den weiteren aufgeführten Personen die entsprechende Firma beherrscht.
Es gibt aber noch einen weiteren Fall. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International hat letztens auf die Slowakei aufmerksam gemacht. Auch dort heißt es offiziell, der tschechische Regierungschef sei Nutznießer von Agrofert. Und genau das macht die Frage wieder aktuell: Beherrscht Premier Babiš also weiter den Konzern?
Das Projekt „Rekonstrukce státu“ (in etwa: Restaurierung des Staates) beschäftigt sich mit Fragen von Interessenskonflikten. Der Jurist Lukáś Kraus ist Mitarbeiter des Projekts:
„Firmen der Agrofert-Gruppe führen Babiš in jenen Ländern als tatsächlichen Eigner an, in denen dieser kein öffentliches Amt innehat. Der Premierminister sollte daher erklären, warum er in Großbritannien und der Slowakei als Eigner von Agrofert gilt, aber nicht in Tschechien.“Im Übrigen muss auch Tschechien derzeit seine Gesetzgebung so ändern, wie es Brüssel verlangt. Und zwar sollen in den Registern die tatsächlichen Eigner der Firmen genannt sein. Die Regierung in Prag hat vergangene Woche auch schon ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Das aber nimmt ausgerechnet Treuhandfonds von der Regelung aus – und damit auch jene beiden von Agrofert. Als Nächstes ist das tschechische Abgeordnetenhaus am Zug. Es muss nun die Gesetzesvorlage beurteilen.