Tschechien richtet Hilfsfond für Weißrussland ein
Die tschechische Regierung hat am Montag die Einrichtung eines Hilfsfonds für Weißrussland beschlossen. Zehn Millionen Kronen stehen zur Verfügung, um Opfern von Polizeigewalt und restriktiven Maßnahmen des Lukaschenko-Regimes zu helfen. Kritiker halten das für unzureichend und fordern Sanktionen.
Zehn Millionen Kronen (380.000 Euro) stellt das tschechische Außenministerium bereit, um humanitäre Hilfe denen zukommen zu lassen, die während der anhaltenden Proteste Opfer von Schikane, Verhaftung oder Folter geworden sind. Weißrussland erlebt derzeit die größten Massenproteste in seiner postsowjetischen Geschichte. Auslöser waren die Präsidentschaftswahlen am 9. August, in denen Alexander Lukaschenko nach offiziellen Angaben 80,1% der Stimmen errungen haben soll. Demonstranten und politische Opposition halten die Wahlen für gefälscht. Ihre friedlichen Proteste wurden von der Polizei wiederholt gewaltsam aufgelöst. Etwa 7000 Demonstranten sollen bisher verhaftet worden sein, und Freigelassene berichten von Folterungen in den Gefängnissen.
Diese zehn Millionen Kronen kommen einmalig zu den jährlichen entrichteten Unterstützungszahlungen hinzu. Sie werden hauptsächlich in der Krankenpflege und für psychosoziale Hilfe eingesetzt werden, erläutert Außenminister Tomáš Petříček (Sozialdemokraten):
„Priorität hat derzeit vor allem die Unterstützung unabhängiger Medien. Weiter geht es um Rechtshilfe für Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, weil sie zum Beispiel Wahlmanipulationen gemeldet haben. Oder für Journalisten, die Verfolgung ausgesetzt sind. Außerdem leisten wir psychotherapeutische Hilfe für Menschen, die verhaftet und Zeugenaussagen zufolge auch gefoltert wurden.“
Wie der Außenminister in einer Presseerklärung schreibt, hat Tschechien zu Beginn der Proteste auf eine internationale diplomatische Reaktion im Rahmen der EU bestanden. Nun soll auch praktische Hilfe erfolgen. Laut Petříček schränkt das Lukaschenko-Regime langfristig das Recht auf freie Meinungsäußerung ein. So berichtete auch das Tschechische Fernsehen am Wochenende, dass mehrere Dutzend Internetserver blockiert und ausländische Journalisten ausgewiesen wurden.
Mit den Hilfsgeldern aus Tschechien soll nicht nur Weißrussen vor Ort geholfen werden. Sie sollen ihnen außerdem Aufenthalte in Tschechien ermöglichen. Zum Einen werden weitere Bildungsstipendien eingerichtet, zum Anderen Rehabilitationsaufenthalte angeboten, so Petříček:
„Wir prüfen die Möglichkeit, Menschen hier in der Tschechischen Republik ärztliche Hilfe zukommen zu lassen, wenn sie diese in Weißrussland nicht bekommen. Ob daran Bedarf besteht, ermittelt unsere dortige Botschaft in Zusammenarbeit mit weißrussischen zivilgesellschaftlichen Organisationen.“
Angesichts der zunehmenden Berichte über Folter in den Gefängnissen halten Kritiker diese Pläne für unzureichend. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat, Pavel Fischer (parteilos), sagte am Sonntag im Tschechischen Fernsehen über die angekündigte Hilfe:
„Das ist sehr wenig. Hilfe im Gesundheitsbereich ist gut, aber es geht hier um Menschenleben. Wir wissen gar nicht genau, wie viele Menschen vermisst werden, wie viele im Gefängnis sind. Das steht im absoluten Widerspruch zu allen internationalen Regeln, denen sich Weißrussland verpflichtet hat. Unsere erste Mission sollte daher sein, im Rahmen der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Anm. d. Red.) eine Gefängnisinspektion einzusetzen.“
Fischer weitete seinen Vorschlag noch um eine nationale Initiative aus, mit der die Regierung eigenständig Sanktionen verhängen sollte:
„Die Tschechische Republik kann aktiv werden. Schauen wir auf einen Gesetzesentwurf ähnlich dem Magnitsky Act (Gesetz, das 2012 der US-Kongress verabschiedet hat, Anm. d. Red.), der dem Parlament vorliegt. Demnach kann Tschechien selbstständig die Entscheidung treffen, konkrete Sanktionen über einzelne prominente Mitglieder dieses Regimes zu verhängen. Damit könnten wir schnell und souverän handeln. Ich weiß, dass es dafür parteiübergreifende Unterstützung gibt. Es ist an der Zeit, alle Instrumente zu nutzen, die wir haben, denn die Situation ist sehr ernst.“
Alexander Lukaschenko bleibt angesichts der anhaltenden Proteste bei seiner aggressiven Rhetorik. Er drohte am Wochenende nicht nur mit weiteren Entlassungen oder gar Schließung streikender Unternehmen, sondern berief auch die Streitkräfte in höchste Bereitschaft.