Ägyptologe Bárta: „Während der Grabung hat man keine Zeit für Emotionen“
Das Altägyptische Reich fasziniert seit jeher Archäologen aus der ganzen Welt. Die Wissenschaftler vom Tschechischen Ägyptologischen Institut an der Prager Karlsuniversität erforschen dabei die Entwicklung der altägyptischen Gesellschaft nicht nur theoretisch und von Prag aus. Seit Jahrzehnten verbringen sie regelmäßig mehrere Monate im Jahr in Ägypten, und zwar auf den Pyramidenfeldern in Abusir. Miroslav Bárta ist Direktor des Instituts und leitet die Ausgrabungen am Nil. Radio Prag International hat ihn am Rande der Ausstellung „Die Sonnenkönige“ im Prager Nationalmuseum vors Mikrophon gebeten.
Herr Bárta, die Ausstellung, die im Prager Nationalmuseum gezeigt wird, heißt ‚Die Sonnenkönige‘. Wer sind diese Sonnenkönige?
„Es geht um vier Könige, die in Abusir bestattet waren. Der Begründer der Abusir-Nekropolis hieß Sahure. Er kam etwa in der Mitte des 25. Jahrhunderts vor Christus nach Abusir und hat dort als erster König der 5. Dynastie seinen Pyramiden-Komplex gebaut. Nach ihm haben dort noch drei weitere Könige ihre Pyramiden-Komplexe errichtet: Neferirkare, Raneferef und Niuserre. Den Pyramiden-Komplex von König Raneferef hat unsere Expedition in den 1980er entdeckt.“
Die Arbeit der tschechischen Experten ist ein Schwerpunkt der Ausstellung. Seit wann sind sie eigentlich in Ägypten tätig?
„Seit 1960, als wir an einer Unesco-Kampagne für die Rettung von Altertümern teilgenommen haben. Und im selben Jahr begann der erste Direktor des damals noch Tschechoslowakischen Instituts für Ägyptologie, Zbyněk Žába, die Grabungen an der Mastaba von Taschepses. Von 1976 bis 2010 leitete dann Professor Miroslav Verner die Grabungen.“
Wie sieht die Arbeit der tschechischen Archäologen dort aus? Arbeiten Sie in einem Team mit Ihren ägyptischen Kollegen, oder gibt es da ein breiteres internationales Team?
„Das Team arbeitet unter der Leitung der Karlsuniversität, des Tschechischen Ägyptologischen Instituts. Unsere Expedition ist dabei tatsächlich eine internationale Gruppe. Jedes Jahr haben wir fast 50 verschiedene Spezialisten, die zu unseren Grabungen nach Ägypten kommen – aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Großbritannien, Australien und den Vereinigten Staaten. Das Team ist echt international.“
Welche sind die wichtigsten Funde, die die Tschechen dort gemacht haben?
„Das sind Dutzende Entdeckungen. Zum Beispiel die königliche Statue von Raneferef oder die Statuengruppen aus dem Grabkomplex von Prinzessin Sheretnebt und dem Schreiber Nefer. Diese Entdeckungen gehören zur Weltklasse. Es gibt aber auch viele andere, aus dem Bereich der Grabausstattungen oder Dekoration der Gräber.“
Sie sagen, dass die Archäologen nicht nach Sachen suchen, sondern nach Geschichten. Welche Geschichten haben sie dort in den Gräbern gefunden?
„Zum Beispiel haben wir vor zwei Jahren nördlich der Pyramide von Neferirkare gearbeitet. Wir wussten bereits, dass dort ein riesengroßes Grab liegt. Nach einigen Tagen haben wir aber festgestellt, dass das Grab an sich sehr interessant ist und dass es dem Schreiber Kairsu gehörte. Dieser Kairsu hat etwas getan, was nur Königen vorbehalten war: Er hat Basalt für seine Grabkonstruktion genutzt. Für uns war es das erste Signal dafür, dass dieser Herr bemerkenswert ist. Es hat sich gezeigt, dass er einer der ersten Gelehrten war, der in der ägyptischen Zivilisation verehrt wurde. Wir haben Texte, die etwa 1000 Jahre später geschrieben wurden. Dort ist immer wieder von diesem Kairsu die Rede. So haben wir den ersten Gelehrten der ägyptischen Zivilisation entdeckt.“
Können Sie ein einzigartiges, starkes Erlebnis beschreiben, das mit Ihrer Arbeit in Ägypten verbunden ist…
„Während der Grabung hat man keine Zeit für Emotionen. Da muss alles einfach laufen. Man muss dafür sorgen, dass die Funde von den Restauratoren fachgemäß behandelt werden, dass alle Teammitglieder alle Umstände des Fundes richtig dokumentieren und so weiter und so fort. Und dann, manchmal am Abend oder ein paar Tage später, kommt das Gefühl, dass tatsächlich etwas passiert ist. Aber erst nachher.“
Wie sieht es jetzt mit der Arbeit der tschechischen Archäologen in Ägypten aus? Wurde sie durch die Corona-Krise unterbrochen, oder sind doch einige Experten vor Ort?
„Die Expedition ist Anfang März nach Ägypten gereist, musste aber nach ein paar Tagen wieder zurückkehren. Jetzt warten wir ab, was in dieser wahnsinnigen Welt passiert. Ich bin der Hoffnung, dass wir vielleicht im Oktober oder im November nach Ägypten zurückkehren.“