Freiwilligenarbeit in der Corona-Pandemie: Ein Besuch in einer Teststation
In der letzten Oktoberwoche wurden in Tschechien knapp 265.000 Corona-Tests durchgeführt. Der absolute Tagesrekord wurde am Dienstag, den 27.Oktober, mit 47.455 aufgestellt. Die dichte Taktung wird immer auch als Argument dafür angeführt, dass im Land zurzeit so hohe Fallzahlen vermeldet werden. Der Grund für die Ausbreitung des Coronavirus sind die Tests bestimmt nicht, aber immerhin fällt etwa jeder dritte positiv aus. Im Land werden immer mehr Teststationen eingerichtet, und häufig helfen dort Studenten aus.
Es ist noch früh am Morgen an diesem Dienstag. In zehn Minuten öffnet die Corona-Teststation des Dům světla (Haus des Lichts) nahe dem zentralen Busbahnhof Florenc in Prag. Vor dem Gebäude warten bereits drei Menschen. Šimon Kopp sagt, dass die Leute so früh kommen, weil sie im Fernsehen lange Schlangen vor den Teststationen gesehen haben. Sie befürchten, auch hier anstehen zu müssen. Aber in den zwei Wochen, in denen der Medizinstudent vor Ort nun schon aushilft, hat er noch keinen wirklichen Andrang erlebt:
„Meist kommen Leute, die Symptome haben. Oder wenn sie zu jemandem Kontakt hatten, der positiv ist. Dann gibt es noch jene, die verreisen wollen oder eine ärztliche Bescheinigung für ihre Arbeit brauchen. Es sind also verschiedene Gruppen von Menschen.“
In Tschechiens Hauptstadt Prag gibt es derzeit knapp 50 Corona-Teststationen. Oft sind sie angeschlossen an Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen. Das Dům světla im Stadtteil Karlín ist eigentlich eine Einrichtung der tschechischen Gesellschaft für Aids-Hilfe. Bluttests sind hier ein fester Bestandteil des Angebots. Da fügen sich die Corona-Tests in die professionelle Routine ein.
Sie finden allerdings räumlich getrennt, quasi isoliert statt. Vor dem Gebäude wurden zwei rote Zelte aufgebaut, die den sogenannten „CovidPoint“ beherbergen. Sie nehmen die Hälfte der Straßenbreite ein und zwingen die vorbeifahrenden Autos zum Abbremsen. Hier verbringt Šimon seine achtstündigen Schichten:
„Ich bin 23 Jahre alt und studiere im vierten Jahr an der medizinischen Fakultät der Karlsuniversität. Ich arbeite hier, weil ich einen Beitrag leisten möchte. Es ist die Pflicht eines jeden Arztes zu helfen, also habe ich mich freiwillig gemeldet.“
Šimon ist hermetisch eingepackt, trägt Mundschutz, blaue Handschuhe und feste Gummischuhe. Zum Gespräch streift er nur die Kapuze ab. Der weiße Schutzanzug raschelt, wenn er ein wenig gestikuliert. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen bleibt aber immer noch ein wenig Angst, sich ebenfalls anzustecken:
„Ja, die habe ich natürlich. Aber ich beachte streng die Regeln. Ich trage die Schutzkleidung. Sie besteht aus dem Schutzkittel, Haube und Visier sowie natürlich Handschuhen. Wir achten auf die Hygiene, putzen und desinfizieren alles. Es gibt ein Risiko, aber ich passe auf.“
Der Besuch im CovidPoint verläuft selbstredend komplett kontaktlos, von der persönlichen Begrüßung über die Probenahme bis zur Bezahlung. Durchgeführt werden ausschließlich PCR-Tests. Nach acht Minuten ist die Prozedur erledigt:
„Im Verlauf sitzt man und beugt seinen Kopf nach hinten. Es ist ein bisschen unangenehm, weil es ein Abstrich ist. Ich führe den Spachtel in den Nasopharynx (dem Nasenrachenraum, Anm. d. Red.) und streiche etwas Schleimhaut ab. Sie wird in ein Reagenzglas gegeben und ins Labor geschickt.“
Das Vorgehen kennt man von zahlreichen Fernsehbildern. Die Menschen, denen das Wattestäbchen tief in die Nase gesteckt wird, kneifen meist angestrengt die Augen zusammen. Šimon bestätigt:
„Es ist unangenehm, aber man leidet nicht.“
Seit Beginn der Corona-Pandemie sind etwa 2,35 Millionen Corona-Tests in Tschechien durchgeführt worden. Dabei werden auch wiederholte Tests bei derselben Person gezählt. Reisende, Arbeitspendler, Profisportler und Angestellte etwa im medizinischen Bereich dürften diesbezüglich bereits eine gewisse Routine entwickelt haben. Šimon bestätigt, dass die Menschen inzwischen gut über das Virus und den Testablauf Bescheid wissen:
„Aber es gibt auch komische Fälle. Ein Mann befürchtete zum Beispiel, dass hier eine Chipimplantation stattfindet. Also Leute, hier gibt es keine Verschwörung, es ist wirklich nur eine Entnahme! Die meisten Leute, die herkommen, sind gut informiert.“
Das heiße, dass der überwiegende Teil der Menschen eine mögliche Infektion nicht auf die leichte Schulter nehme und Covid-19 nicht für eine Grippe halte, führt der Student noch aus. Andererseits herrscht aber auch keine Panik. Trotz der Berichterstattung über Risikogruppen haben ältere Leute nach Šimons Wahrnehmung keine größere Angst vor einer Infektion als Angehörige anderer Altersgruppen.
Oft kommen die Menschen direkt auf Überweisung ihrer Ärzte zum Test. Nur in diesem Fall übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Für alle anderen werden regulär 2300 Kronen (85 Euro) fällig. Das ist viel in einem Land, in dem der durchschnittliche Bruttolohn bei umgerechnet etwa 1300 Euro liegt. Offenbar lassen sich mittlerweile auch nur noch Menschen auf Corona testen, die entweder Symptome haben oder die Bescheinigung tatsächlich brauchen. Die Hysterie hat sich scheinbar gelegt. Noch im September oder gar noch in der ersten Welle im Frühjahr hatten sich hingegen Schlangen vor den Teststationen gebildet von Menschen, die einfach auf Nummer sicher gehen wollten.
Im Karlíner CovidPoint jedenfalls sind die meisten Termine in nächster Zeit frei. Die Öffnungszeiten von täglich 8 bis 24 Uhr werden keineswegs ausgeschöpft, sondern enden zurzeit um 20 Uhr. Šimon übernimmt weiter seine Schichten, je nach Bedarf und Lücken im Studienplan. Seinen Mitmenschen gibt er in der Corona-Krise folgenden Rat:
„Sie sollen keine Fake News glauben oder alternative Wege zur Heilung suchen. Es ist wirklich eine ernste Erkrankung. Man muss sie mit einem Arzt besprechen. Wenn man krank ist, muss man in Isolation gehen. Die Leute sollten verantwortungsbewusst handeln, also wenige Freunde treffen und die Regeln beachten.“
Wer bei Šimon zum Test war, bekommt sein Ergebnis per E-Mail am folgenden Tag direkt aus dem Labor geliefert. Für einen Aufschlag von etwa 45 Euro gibt es auch die Expressvariante mit der Information noch am selben Nachmittag. Das Dokument für Reisende ins Ausland ist in tschechischer und englischer Sprache ausgestellt. Alle Ergebnisse übermittelt der CovidPoint zudem automatisch an das Amt für Gesundheitsinformation und Statistik sowie das Gesundheitsministerium.
Obwohl sein Medizinstudium keine epidemiologische Ausrichtung hat, sammelt Šimon in der Corona-Teststation dennoch wichtige Erfahrungen für seine spätere Arbeit als Arzt:
„Es ist gut, weil ich Genauigkeit und Geduld lerne. Und ich gewinne auch ein bisschen Praxis im Hals-Nasen-Ohren-Bereich.“
Šimon will nach dem Abschluss seines Studiums in die Forschung gehen. Um Viren soll es dabei aber nicht gehen.