Corona-Krise: Tschechisches Verfassungsgericht kippt Geschäftsschließungen
Die Regierungsmaßnahmen zur flächendeckenden Schließung von Geschäften und Dienstleistungsbetrieben in Tschechien sind verfassungswidrig. So lautet ein Beschluss, den das Verfassungsgericht am Montag veröffentlicht hat. Eine sofortige Öffnung der Läden ist dennoch nicht möglich.
Das tschechische Verfassungsgericht hat Teile der Regierungsanordnungen gekippt, mit denen im Zuge der Corona-Pandemie die Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe im Land geschlossen wurden. Nach Ansicht der Richter hat die Regierung diese Maßnahmen nämlich nicht ausreichend begründet. Vojtěch Šimíček, einer der Richter am Verfassungsgericht, erklärte am Montag bei einer Pressekonferenz:
„Nach den Rechtsvorschriften ist es nicht möglich, flächendeckend und ohne Begründung alles zu verbieten, und dann durch eine Ausnahmeregelung bestimmte betroffene Bereiche rückwirkend wieder auszunehmen, wobei dies erneut nicht begründet wird.“
Das Gericht reagierte damit auf die Beschwerde einer Gruppe von 63 Senatoren, die im vergangenen November eingereicht wurde. Sie hatte vor allem die Benachteiligung kleinerer Geschäfte zum Inhalt. Viele von diesen sind derzeit geschlossen, obwohl weiterhin geöffnete Supermärkte das gleiche Sortiment verkaufen dürfen. Damit wird nach Ansicht der Senatoren das Grundrecht auf freies Unternehmertum eingeschränkt.
Das Verfassungsgericht bestätigt mit seinem Urteil, dass die derzeit geltenden Ausnahmeregelungen vom allgemeinen Verkaufsverbot nicht nachvollziehbar sind. Neben Lebensmittelgeschäften, Drogerien und Apotheken haben in Tschechien etwa auch Blumenläden oder Hundesalons geöffnet. Dazu Richter Šimíček:
„Das grundlegende Defizit dieses Vorgehens ist, dass aus keinem relevanten Dokument ersichtlich ist, auf welcher Grundlage die Regierung ihre Auswahl an Ausnahmen getroffen hat. Auch die allgemeine Unsicherheit und der Mangel an fachlichen Informationen dürfen nicht bedeuten, dass die Regierung alles durchsetzen kann und sich dabei nur auf ihren Instinkt verlässt oder auf einen politischen Kompromiss beruft.“
Der Gerichtsbeschluss bezieht sich konkret auf Regierungsvorgaben, die vom 30. Januar bis 14. Februar gültig waren. Darum folgt aus der Entscheidung nicht, dass die Geschäfte in Tschechien nun öffnen können. Denn aktuell sind neue Maßnahmen der Regierung in Kraft, wenn diese auch eine ähnliche Ausrichtung haben. Das Gericht habe vielmehr festgelegt, wie die Regierung in Zukunft vorgehen solle, so Šimíček:
„Das Verfassungsgericht war sich schon bei seiner Beschlussfassung bewusst, dass die Aufhebung der Regierungsmaßnahmen nicht zu einer Öffnung der Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe führen würde. Es geht vielmehr um eine Auslegung des Verfassungsrahmens für die Anordnung weiterer Krisenmaßnahmen in der Zukunft. Es handelt sich um eine Art Memento, eine Botschaft an die Regierung für die Zukunft und nicht rückwirkend.“
Zufrieden mit dem Gerichtsbeschluss zeigt sich Tomáš Prouza. Der Vorsitzende des Verbandes für Handel und Fremdenverkehr sagte am Montagvormittag im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen:
„Es ist nötig, dass der Politik die Grenzen ihres Handelns aufgezeigt werden, damit sich die Willkür nicht gänzlich durchsetzt. Die Regierung hat in der Sache immer wieder die gleichen Beschlüsse getroffen, die nur eine andere laufende Nummer und ein anderes Datum haben. Es zeigt sich nun, dass auch jene Maßnahmen, die derzeit gültig sind, sich nicht mit der Verfassung decken.“
Prouza ergänzt, dass die Regierung nun die aktuellen Regelungen entweder ausreichend begründen oder aber alle Geschäfte ohne Beschränkungen wieder öffnen solle. Zudem fordert er Entschädigungszahlungen für die Unternehmen, die im vom Gerichtsbeschluss betroffenen Zeitraum unrechtmäßig geschlossen waren.