Tschechische Krankenhäuser wegen Covid-Patienten am Limit

Foto: ČTK / Ondřej Deml

Die Lage in den Kliniken hierzulande ist so angespannt wie noch nie seit Ausbruch der Corona-Pandemie vor einem Jahr. Am Dienstag wurde deswegen im Kreis Pardubice erstmals eine sogenannte Großschadenslage ausgerufen. Die tschechische Regierung hat nun reagiert. Zum einen können seit Donnerstag weitere Ärzte und zusätzliches Pflegepersonal zum Dienst in die Krankenhäuser abgerufen werden, zum anderen wurde der Transport von tschechischen Patienten ins Ausland prinzipiell ermöglicht.

In einigen großen Kliniken Tschechiens besteht kein Platz mehr für weitere Covid-19-Patienten, die beatmet werden müssen. Das trifft zum Beispiel auf vier von fünf zentralen Krankenhäusern im Kreis Pardubice zu. Daher wurde dort für die ganze Region die Großschadenslage erklärt.

Martin Netolický  (Foto: ČT24)

„Eine Großschadenslage bedeutet, dass unsere Akutkrankenhäuser nicht mehr die Qualität bei der Versorgung von bettlägerigen Patienten garantieren können, die in Tschechien gängig ist. Oder mit anderen Worten: Für neue Patienten, die eingeliefert werden, muss in anderen Kreisen um Hilfe gebeten werden“, so Kreishauptmann Martin Netolický (Sozialdemokraten).

Aber auch im benachbarten Kreis Mittelböhmen ist die Lage mancherorts nicht besser. Etwa in der Klinik der Stadt Kolín. Sie hat ebenfalls die Großschadenslage ausgerufen. Am Donnerstagmorgen sagte Klinikleiter Petr Chudomel in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Petr Chudomel  (Foto: ČT24)

„Unser Krisenstab hat heute angeordnet, alle geplanten Behandlungen in den Ambulanzen aufzuschieben. Dadurch konnten wir die Zahl der Betten für Covid-19-Patienten erhöhen, allerdings nur in geringem Umfang. Fünf davon befinden sich auf der Kinder-Intensivstation, sechs Standardbetten mit Sauerstoffversorgung auf der HNO.“

Tschechien ist derzeit in Europa das Land, das am stärksten unter der Corona-Pandemie leidet. Zwar liegt die Zahl der Neuinfizierten noch nicht bei den Höchstwerten vom Herbst vergangenen Jahres, dennoch müssen so viele Covid-19-Patienten stationär behandelt werden wie noch nie. Und auch die Zahl der schweren Fälle liegt auf Rekordhöhe, am Mittwoch waren es über 1700.

Foto: ČTK / Ondřej Deml

Die tschechische Regierung hat deswegen reagiert. Gesundheitsminister Jan Blatný (parteilos) bei der Pressekonferenz am Mittwochabend nach der Kabinettssitzung:

„Die Lage in unseren Krankenhäusern ist sehr kritisch. Deswegen müssen wir alle Reserven unseres Gesundheitssystems aktivieren, um Menschenleben zu retten.“

Das Kabinett beschloss eine Dienstpflicht für ambulant tätige Ärzte und Pflegekräfte, die am Donnerstag in Kraft getreten ist. Das heißt, dass die Kreise sowie die Stadt Prag bei Bedarf dieses Personal in die Krankenhäuser beordern können.

Jan Blatný  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)

Auch im Ausland ist man auf die Situation in den tschechischen Kliniken aufmerksam geworden. Deswegen hat Deutschland schon vor einiger Zeit angeboten, Patienten aus dem Nachbarland aufzunehmen. Bisher ist Gesundheitsminister Blatný auf dieses Angebot nicht eingegangen. Am Mittwochabend sagte er:

„Abgesprochen ist vor allem ein Transport von Patienten nach Deutschland, aber auch in einige weitere europäische Länder. Das geschieht über das entsprechende EU-System, das eine Verbringung innerhalb von 48 Stunden nach Antragstellung ermöglicht. Zudem hat die Schweiz angeboten, 20 Patienten aufzunehmen.“

Jan Hamáček  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)

Wann die Angebote genutzt werden sollen, war am Donnerstag noch nicht klar. Laut Innenminister Jan Hamáček (Sozialdemokraten) ist mit Deutschland die Verbringung von 19 Patienten ausgehandelt. Und das benachbarte Polen könnte sogar bis zu 200 schwere Corona-Fälle aufnehmen, wie Außenminister Tomáš Petříček (Sozialdemokraten) am Mittwoch über den Kurznachrichtendienst Twitter schrieb.