3) Zdeněk Miler – ein Leben mit dem kleinen Maulwurf
Schwarzes Fell, rotes Schnäuzchen, drei Haare auf dem Kopf und kindliche Laute: Generationen von Kindern sind mit dem kleinen Maulwurf – Krteček – aufgewachsen. Und das überall auf der Welt. Sein Schöpfer ist Zdeněk Miler.
Das Malen und Zeichnen war präsent in der Familie von Zdeněk Miler, die in der mittelböhmischen Stadt Kladno / Kladen lebte. Sein Vater fertigte Kopien bekannter Bilder an, die er zuhause an die Wände hängte beziehungsweise an Bekannte verschenkte. Die Idee, dass sich auch der kleine Zdeněk der Kunst widmen könnte, kam von dessen Lehrer zu Ende der Grundschuljahre. Miler reichte also eine Anmeldung an der Kunstgewerbeschule in Prag ein. Die Historikerin Irena Veverková:
„Ihm wurde mitgeteilt, er sei zu jung. Er hätte mindestens ein Jahr älter sein müssen, um an der Aufnahmeprüfung überhaupt teilnehmen zu dürfen. Miler ging daher für ein Jahr auf eine Fotografen-Schule. Doch er habe gar keinen Spaß daran gehabt, wie er später sagte. Vor allem, weil seine Mitschüler dort ein Bohemienleben geführt hätten, was nichts für ihn gewesen sei. Desto intensiver bereitete er sich auf die Aufnahmeprüfungen vor. Nachdem er sein Studium an der Kunstgewerbeschule aufgenommen hatte, kam der Befehl zum Totaleinsatz. Miler bekam das Angebot, im Filmatelier in Zlín zu arbeiten. Dort blieb er bis zum Ende des Krieges. Er arbeitete am ‚Märchen vom Briefträger‘ von Karel Čapek, konnte den Film aber nicht beenden, da die Ateliers von den Deutschen besetzt wurden. Die Angestellten mussten seitdem mit Figuren arbeiten, die aus Deutschland geliefert wurden. Nach 1945 kehrte Miler nach Mittelböhmen zurück. Er setzte sein Studium fort und fand Beschäftigung im Atelier von Jiří Trnka.“
Milers Zeichentrickfilme – unter ihnen auch der berühmte Maulwurf – wurden im Studio „Bratři v triku“ produziert. Das Logo des Studios mit den drei gelockten Jungs im gestreiften T-Shirt stammt ebenfalls aus Milers Feder. Sein eigenes Leben habe ihn dabei wohl inspiriert, sagt Veverková:
„Er wuchs acht Jahre lang als Einzelkind auf. Danach ist ein Geschwisterchen zur Welt gekommen. Es war eine Schwester, die aber angeblich für Jungenspiele völlig ungeeignet war. Miler hatte dennoch zwei Cousins, Alois und Milda. In einem Interview hat er mir nicht widersprochen, dass das Logo ein Bildnis von ihm und seinen zwei Cousins ist, also Alois, Milda und Zdeněk.“
Über einen Maulwurfshügel gestolpert
Und wie ist der berühmte Maulwurf in die Welt gekommen? Zdeněk Miler bekam den Auftrag, einen Zeichentrickfilm über die Tuchherstellung anzufertigen. Er machte sich Gedanken darüber, welche Form für Kinder amüsant sein könnte:
„Es war ihm sofort klar, dass er in das Tierreich gehen muss. Aber fast alle Tiere waren schon von Walt Disney vergriffen, und Miler wollte etwas Originales haben. Eines Tages stolperte er im Wald über einen Maulwurfshügel, fiel auf den Boden und beschloss, er werde es mit einem Maulwurf versuchen. Als er in Brehms Tieratlas nachschaute, stellte er fest, dass der Maulwurf ein eher hässliches und dazu noch ein blindes Tier ist. Mehrere Wochen lang arbeitete er acht Stunden täglich an einem Entwurf. Zuerst gab er dem Maulwurf Augen, im Laufe der Zeit entwickelte sich die ganze Figur. Als Profi war ihm klar, dass er ein einfaches Tier schaffen muss, mit dem sich gut arbeiten ließe. In der ersten Folge ‚Wie der Maulwurf zu seiner Hose kam‘ sieht die Figur ein bisschen anders aus als später. Er hat ihm zuerst die Schnauze gekürzt, dann verschwand der Schwanz, und am Ende kamen drei Härchen hinzu.“
Der kleine Maulwurf redet nicht, aber alle Kinder verstünden ihn, fügt Irena Veverková hinzu:
„Deswegen musste man die Filme nicht in Fremdsprachen übersetzten. Der Maulwurf ist überall zu verstehen. Er kann nur lachen, weinen und staunen. Die Töne dazu haben die zwei kleinen Töchter Milers eingesprochen. Er nahm sie einmal ins Studio mit, und sie verliehen dem Maulwurf seine Stimme. Später wurden die Aufnahmen in weiteren Szenen genutzt.“
Der allererste Film, „Wie der Maulwurf zu seiner Hose kam“, ist dabei aber eine Ausnahme. Denn darin spricht der Maulwurf.
Der kleine Maulwurf – Krteček – entstand im Jahr 1957 und erhielt sofort den Grand Prix beim Filmfestival in Venedig. Zdeněk Miler hat insgesamt 49 Folgen der Maulwurf-Serie geschaffen. Das Tier probiert darin verschiedene Berufe aus und macht sich mit allen möglichen Neuigkeiten und technischen Errungenschaften bekannt.
„Der Maulwurf untersuchte in ganzen 50 Jahren unter andrem ein Transistorradio, einen Kaugummi, einen Fernseher, einen Regenschirm, eine Uhr und einen Lutscher. Er lernte auch viele Freunde kennen. Er beschäftigte sich mit verschiedenen Berufen, war Chemiker, Fotograf, Uhrmacher, Gärtner. Die Produktion eines Trickfilms von fünf bis sieben Minuten Länge bedeutet drei Monate harter Arbeit. Um die Figur einen Schritt machen zu lassen, sind etwa fünf Bilder nötig. Eines Tages sagte sich Miler: Schluss mit dem Maulwurf. Er versuchte es auch mit anderen Tieren, zeichnete etwa einen Welpen und eine Grille. Aber alle wollten nur den kleinen Maulwurf. Diese Figur ist sehr brav und gutmütig. Die Schwester von Miler hat mir einmal gesagt, der Charakter des Maulwurfs entspreche der ihres Bruders Zdeněk.“
Die Figur ist international
Der kleine Maulwurf hat Zdeněk Miler sein ganzes Leben lang begleitet. Er war stolz auf seine Figur. Einige Jahre vor seinem Tod hat Miler auf der Buchmesse in Prag noch die Maulwurf-Bücher signiert. Er sagte damals:
„Es freut mich sehr, dass der kleine Maulwurf so erfolgreich ist. Deutsche und Polen kommen zu mir, um sich das Buch signieren zu lassen. Die Figur ist nicht tschechisch, sondern international.“
Auch die Historikerin Irena Veverková hat ein Buch mit der Widmung von Zdeněk Miler geschenkt bekommen, als sie ihn kurz vor dessen Tod im Frühjahr 2011 im Krankenhaus besuchte:
„Er war ein sehr angenehmer und bescheidener Mann. Über seine Arbeit hat er sehr schön erzählt. Ich sagte zu ihm, er sei ein bekannter Maler. Daraufhin korrigierte er mich und sagte, er sei kein Maler, sondern ein Zeichner. Er hat sich mit mir sehr nett unterhalten und alle meine Fragen beantwortet. Das war im April 2011, als ich gerade einen Artikel zu seinem 90. Geburtstag vorbereitete. Bevor der Text erscheinen konnte, ist Zdeněk Miler leider gestorben. Ich habe im Artikel auch eine Zeichnung abgedruckt. Während meines Besuchs hat er nämlich auf einer Karte den Maulwurf skizziert und eine schöne Widmung an mich, also ‚an Irenka‘ dazugeschrieben. Miler zeichnete den Maulwurf mit den drei Haaren auf dem Kopf. Ich glaube, diese Zeichnung vom April 2011 ist eine seiner letzten.“
In seiner Geburtsstadt Kladno erinnert eine ständige Ausstellung im dortigen Schloss an Zdeněk Miler. Eine Biografie, geschrieben von Pavla Slancová, begleitet sie. Die stellvertretende Oberbürgermeisterin von Kladno Petra Melčová sagt dazu:
„Das Buch bietet viele interessante Informationen über das Leben Zdeněk Milers. Es enthält auch seine gewissermaßen geheimen Ideen, Träume, Sehnsüchte und Wünsche, die er der Kuratorin und Autorin des Buches Slancová verraten hat. Das Leitmotiv der Ausstellung sind Wolken, und im Arbeitszimmer des Künstlers kann man sich zudem einen Dokumentarfilm mit dem Titel ‚Die Wolken von Zdeněk Miler‘ anschauen. Dieses Motiv basiert auf seinen Erinnerungen an die Großmutter. Als er klein war, nahm sie ihn oft auf den Schoß, und sie beobachteten zusammen die Wolken. Ihre Formen und Verwandlungen sollen ihn später zu seiner Arbeit mit Animationsfilmen geführt haben.“
In der Ausstellung sei auch ein Porträt der Großmutter zu sehen, ergänzt Petra Melčová:
„Miler trainierte seine Zeichenhand während der Fahrten zur Schule. Er fuhr mit dem Zug von Kladno nach Prag und zeichnete die Menschen um sich herum. So entstanden viele Porträts. Das der Großmutter Kristýna ist nicht nur eine einfache Zeichnung, sondern auch ihr präzises Abbild.“
Nicht nur der Maulwurf
Die Ehefrau des Künstlers hat der Ausstellung vor kurzem Milers Arbeitstisch geschenkt, an dem er die Geschichten vom kleinen Maulwurf zeichnete. Sein überhaupt erster Film sei aber ein ganz anderer gewesen, sagt Petra Melčová:
„Der erste Film, den Miler gedreht hat, basierte auf der Erzählung Jiří Wolkers ‚Vom Millionär, der die Sonne raubte‘. Die Arbeit ist von der Industriestadt Kladno inspiriert, ist schwarz-weiß und wirkt trotz des guten Endes depressiv. Wir wollen damit in der Ausstellung auf die inspirierende Rolle Kladnos hinweisen und einen Gegensatz zu den heiteren und farbigen Figuren zeigen, die Miler sein Leben lang zeichnete.“
In den 1960er Jahren habe er sich zudem mit dem lyrischen Zeichentrickfilm „Das Samtkropfband“ vom kleinen Maulwurf abgewandt, ergänzt Irena Veverková:
„Der Film schildert die Geschichte von einem Jungen und einer musikalisch begabten Raupe. Sie tanzt zu seinem Klavierspiel. Danach verpuppt sich die Raupe und verwandelt sich in einen Schmetterling. Der Jung schenkt ihm Freiheit und spielt zum Abschied das Lied, das sie gemeinsam berühmt machte. Es ist eine schöne, lyrische Geschichte. Aber der Maulwurf, das war Milers Monopol, sein Leben. Alles, was er mitteilen wollte, hat er durch den kleinen Maulwurf gesagt.“