Mangel an Corona-Vakzinen führt in Tschechien zu Impftourismus
In Tschechien hat sich ein Impftourismus entwickelt. Wenn die Terminvergabe beim nächstgelegenen Corona-Impfzentrum zu lange dauert, melden sich die Wartenden vermehrt an anderer Stelle an. Dieses Vorgehen wird mittlerweile von den Verwaltungen des Mittelböhmischen und Südböhmischen Kreises offiziell empfohlen.
Pavla aus Kladno / Kladen hat ihren Vater zur Corona-Impfung zunächst im Krankenhaus der Stadt registriert. Als ihnen nach zwei Wochen immer noch kein Termin zugeteilt wurde, versuchte sie es im 13 Kilometer entfernten Slaný / Schlan. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks berichtete sie:
„Innerhalb von zwei Stunden kam die SMS mit dem PIN. Nach drei Tagen konnte mein Vater dann zum Impfen gehen.“
Die Verwaltung des Mittelböhmischen Kreises hat etwa 3000 Wartenden dieses Vorgehen nun offiziell empfohlen. Das betrifft neben dem Wechsel von Kladno nach Slaný auch den von Benešov / Beneschau nach Sedlčany / Seltschan. Kreisverwaltungs-Sprecherin Martina Kemrová kritisiert das zentrale Anmeldesystem zu den Impfungen. So würden die Menschen während der Registrierung nicht über die aktuellen Kapazitäten der einzelnen Impfzentren informiert:
„Die Termine könnten gleichmäßiger verteilt werden, wenn schon im Registriersystem die Auslastung der Impfzentren angezeigt würde. Dann könnten die Menschen gleich einen Ort mit kürzerer Wartezeit wählen.“
Eine entsprechende Aufrüstung des Onlinesystems sei bisher nicht geplant, sagt der Sprecher der Nationalen Kommunikationsagentur, Lukáš Trnka:
„Weil unsere IT-Entwickler keine freien Kapazitäten haben, nehmen wir vorerst keine Änderungen vor.“
Dass dies aber so schwer nicht sein kann, beweist die Webseite ockovani.opendatalab.cz. Eine Gruppe von IT-Entwicklern veröffentlicht dort auf Privatinitiative und unter Nutzung von Open-Source-Software eine Liste mit allen Impfzentren Tschechiens, die die aktuellen Wartezeiten auf einen Termin anzeigt. Dazu werden die Daten des staatlichen Registriersystems genutzt. Denn auch dieses erfasst den aktuellen Auslastungsstand der Impfzentren. Diese Information wird aber nicht veröffentlicht. Sie sei bisher nur jenen zugänglich, die mit der Software arbeiteten, sagt Gesundheitsminister Jan Blatný (parteilos):
„Wir nutzen sie für den Fall, dass sich bei einigen Zentren wegen der großen Nachfrage sozusagen Schlangen bilden. Das wird dann bei den Zuteilungen der Impfstoffe berücksichtigt.“
Neben der bevorzugten Belieferung von ausgelasteten Impfzentren hat Blatný am Dienstag zudem beschlossen, das Intervall zwischen den beiden zu verabreichenden Dosen bei zwei Corona-Vakzinen auf 42 Tage auszudehnen. Für den Impfstoff von Pfizer/BioNTech wird die Frist damit um 21 Tage verlängert, bei jenem von Moderna sind es 14 Tage mehr.
Obwohl die landesweiten Impfkapazitäten damit gestreckt werden sollen, werden weiterhin nicht so viele Menschen versorgt, wie es eigentlich möglich wäre. Nach wie vor stünden den Impfzentren nicht genügend Vakzine zur Verfügung, mahnt Pavel Pavlík (Bürgerdemokraten). Er ist im mittelböhmischen Kreis für das Gesundheitssystem zuständig:
„Wir wären durchaus in der Lage, zwei- bis dreimal so viel zu impfen, wie wir es derzeit tun. Das liegt am derzeitigen Mangel an Impfstoffen.“
In Tschechien waren bis zum Montagabend fast 465.000 Menschen mit beiden Impfdosen versorgt. Das sind 4,3 Prozent der Gesamtbevölkerung.