Eishockey-WM: Tschechien hat starkes Team und will eine Medaille

An diesem Freitag beginnt ein großes Sportereignis, das die tschechischen Sportfans wieder für zwei Wochen in ihren Bann ziehen wird: die Eishockey-Weltmeisterschaft in Riga. Und die Nationalmannschaft geht diesmal mit einigen Ambitionen an den Start.

Aleš Procházka | Foto: Alžběta Švarcová,  Tschechischer Rundfunk

Wenn man in Tschechien über die großen Erfolge der Eishockey-Nationalmannschaft spricht, dann muss man schon einige Jahre zurückblicken. Zum Beispiel ins Jahr 2001, als das Team unter der Führung von Cheftrainer Josef Augusta in Hannover das WM-Finale gegen Finnland bestritt:

In der elften Minute der Verlängerung bejubelte der hierzulande populäre Rundfunk-Sportreporter Aleš Procházka das 3:2-Siegtor von David Moravec. Dies bescherte der tschechischen Mannschaft damals ihren zehnten WM-Titel. Es war die Krönung der erfolgreichsten Ära des tschechischen Eishockeys – mit dem WM-Triumph 1996 in Wien, dem Olympiasieg 1998 in Nagano und einem lupenreinen Titelhattrick von 1999 bis 2001. Siegtorschütze David Moravec beschreibt das einstige Erfolgsgeheimnis so:

David Moravec | Foto: Tschechisches Fernsehen

„Wir waren damals ein verschworener Haufen, in dem jeder wusste, was er zu tun hatte. Jeder erfüllte eine bestimmte Rolle, und im Team opferte sich jeder für den anderen auf. Natürlich waren alle auch hervorragende Individualisten.“

Nach dem WM-Turnier vor 20 Jahren in Deutschland aber wurden die Jubelgesänge einer tschechischen Mannschaft immer spärlicher, und seit neun Jahren sind sie völlig verstummt. Denn neben den WM-Titeln elf und zwölf, 2005 in Wien und 2010 in Köln, konnte nur noch drei Mal der Gewinn einer Medaille gefeiert werden: das WM-Silber vor 15 Jahren in Riga sowie die beiden Bronzeplaketten in den Jahren 2011 und 2012.

Vielversprechende WM-Vorbereitung: Neun Siege in neun Spielen

Tschechien - Finnland | Foto: Vít Šimánek,  ČTK

In Tschechien lechzt man also danach, den eigentlich guten Ruf des Nationalsports wiederherzustellen. Und die Chancen dafür stehen wohl so günstig wie schon lange nicht mehr. Denn in der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft im lettischen Riga hat die tschechische Mannschaft nicht nur überzeugt, sondern sie ging in allen neun Partien gegen Österreich, Deutschland, die Slowakei, Finnland, Schweden und Russland auch als Sieger vom Eis. Co-Trainer Jaroslav Špaček:

„Wir haben mit dem wohl schwächsten Kontrahenten begonnen, und danach hat sich die Qualität unserer Gegner schrittweise gesteigert. Das traf aber auch auf unsere Mannschaft zu. Wir haben ihre Qualität durch Spieler aus verschiedenen Ligen stetig erhöht. Man sollte die Siege aber nicht überschätzen. Stattdessen wollen wir die letzten Tage vor dem Start der WM dazu nutzen, um noch einige Varianten unseres Spiels zu trainieren.“

Trainer Filip Pešán und Jaroslav Špaček | Foto: Vít Šimánek,  ČTK

Špačeks Vorgesetzter, Cheftrainer Filip Pešán, hat dabei klare Vorstellungen, wie seine Truppe beim Championat in Riga auftreten soll:

„Wir wollen kein abwartendes, ängstliches Eishockey spielen, sondern die aktivere Mannschaft im Spiel sein. Andererseits wollen wir aber auch nicht im Hurra-Stil agieren, sondern einen guten Kompromiss finden zwischen Angriff und Abwehr.“

Und Pešán glaubt auch, dafür einen guten Kader zusammengestellt zu haben:

„Wir haben ein erstklassiges Kollektiv beisammen. Das ist ein Merkmal, das tschechische Mannschaften bei den früheren Erfolgen stets ausgezeichnet hat. Wir können mit hervorragenden Torhütern aufwarten, und ich denke, dass wir einen sehr guten Mix von jungen Draufgängern aus der NHL und erfahrenen Spielern aus Europa gefunden haben.“

Šimon Hrubec | Foto: Vít Šimánek,  ČTK

Im Einzelnen setzt sich der tschechische Kader aus 28 Akteuren zusammen. Von ihnen spielen sechs in der weltbesten Liga, der National Hockey League (NHL), sieben in der KHL, vier in der finnischen SM-Liiga, einer in der Schweizer NLA und zehn in der einheimischen Extraliga. Einer der drei Torhüter ist Šimon Hrubec, der seit zwei Jahren in der hauptsächlich von Russland betriebenen Kontinental Hockey League (KHL) sein Geld verdient. In der abgelaufenen Saison ist Hrubec mit seinem Verein Avangard Omsk russischer Meister geworden. Am Titelgewinn hatte der 29-Jährige mit vielen starken Paraden einen großen Anteil, und auch in der Nationalmannschaft hat er seine Klasse gezeigt. Beim abschließenden WM-Vorbereitungsturnier, den Czech Hockey Games in Prag, hielt er die Siege gegen Schweden (3:2 nach Verlängerung) und Russland (4:0) fest. In beiden Begegnungen wurde er zum „Man oft he match“ (Mann des Spiels) gewählt, gegen die Russen gelang ihm sein zweiter Shutout im Nationaltrikot. Das Spiel ohne Gegentor wollte er jedoch nicht als seinen alleinigen Erfolg verstanden wissen:

„Die Abwehrarbeit bei uns funktioniert super. Besonders klappt dabei die Kommunikation mit meinen Vorderleuten. Egal ob ich einige Anweisungen gebe oder die Verteidiger mir ihre nächste Handlung signalisieren: Jeder weiß genau, was er zu tun hat. Um in der Abwehr erfolgreich zu sein, ist eine gute Kommunikation die Voraussetzung.“

Šimon Hrubec  (rechts) | Foto: Ondřej Deml,  ČTK

Šimon Hrubec geht jedoch noch einen Schritt weiter. Wie Trainer Pešán glaubt auch er, dass Tschechien in diesem Jahr mit einem aussichtsreichen Team zur Weltmeisterschaft antreten wird:

„Es sieht ganz so aus, als ob die Mannschaft erstklassig zusammengestellt ist. Im Kader sind schnelle und technisch versierte Spieler ebenso wie körperlich starke Akteure. Wir haben einen Mix aus allen Komponenten beisammen, und wenn wir unsere Vorzüge gut miteinander verknüpfen, könnte am Ende etwas Gutes dabei herauskommen.“

Der Kapitän: Jan Kovář hat viele Meriten und reichlich Erfahrung

Damit die Stärken aber gut zum Tragen kommen, braucht es in jeder Mannschaft Führungsspieler, die vorangehen und den Teamkollegen auch in schwierigen Spielphasen den weiteren Kurs aufzeigen können. Der wichtigste Spieler zur Übernahme dieser Rolle ist letztlich der Kapitän. Die Trainer der tschechischen Mannschaft glauben ihn in Jan Kovář gefunden zu haben. Der Center ist erst vor wenigen Tagen mit dem EV Zug Schweizer Meister geworden. Jaroslav Špaček:

Jan Kovář | Foto: Ondřej Deml,  ČTK

„Jan Kovář ist einer der erfahrensten Spieler im Team. Wir sind überzeugt davon, dass er das feste Bindeglied zwischen uns Trainern und den Spielern in der Kabine sein wird. Wir haben ihm die Rolle als Kapitän anvertraut und sind uns sicher, dass er sie punktgenau erfüllen wird.“

Kovář selbst bestreitet in Riga seine siebte Weltmeisterschaft. Auf Vereinsebene hat er noch drei weitere Titel gewonnen, und zwar den tschechischen mit dem Team aus Plzeň / Pilsen sowie zwei Mal den Gagarin Cup mit Magnitogorsk in der KHL. In Vorbereitungsturnieren hat Kovář die Kapitänsbinde der Nationalmannschaft bereits getragen, bei einer WM aber ist es für ihn die Premiere.

Filip Zadina und Filip Hronek | Foto: Vít Šimánek,  ČTK

Die größten Hoffnungen für ein gutes WM-Ergebnis setzt fast jeder Coach jedoch in jene Cracks, die aus der NHL zur jeweiligen Nationalmannschaft stoßen. In der tschechischen Auswahl sind es unter anderem zwei Akteure, die auf den Vornamen Filip hören:

„Das Tor zum 2:2-Ausgleich für Tschechien hat der Spieler mit der Nummer 11, Filip Zadina, geschossen, die Vorlage zu dem Treffer kam vom Spieler mit der Nummer 17, Filip Hronek“, verkündete der Hallensprecher in der Begegnung der Czech Hokey Games zwischen Tschechien und Schweden.

Matěj Stránský | Foto: Vít Šimánek,  ČTK

Diese Partie wurde wie die Duelle der Gastgeber mit Finnland und Russland vor jeweils 1000 Zuschauern in der Prager O2 Arena ausgetragen. Zadina hatte zuvor bereits den Treffer zum 1:1 erzielt, das 3:2-Siegtor in der Verlängerung markierte Matěj Stránsky vom tschechischen Meister aus Třinec.

Hoffnungsträger aus der NHL: Sechs Spieler im Aufgebot, weitere im Visier

Cheftrainer Pešán setzt in alle sechs NHL-Spieler, die er nominiert hat, große Hoffnungen. Und damit nicht genug. Weil parallel zur WM in den Playoffs zum Stanley Cup bereits einige Mannschaften die Segel streichen könnten, will der Coach für weitere NHL-Cracks noch Plätze im WM-Aufgebot offenhalten:

Serie zwischen Washington und Boston | Foto: Alex Brandon,  ČTK/AP Photo

„Am Samstag hat die Serie zwischen Washington und Boston begonnen. Nach deren Ende könnten einige Spieler noch zu uns stoßen. Zwar sehe ich selbst die Chance darauf eher bei null. Doch ich möchte mir die Idee freihalten, während des Turniers noch auf etwaige Situationen zu reagieren. Deswegen wollen wir in den ersten zwei, drei Partien die WM-Starterliste noch nicht komplett mit Spielernamen auffüllen, sondern dort etwas Platz lassen.“

Das WM-Turnier in Riga beginnt die tschechische Mannschaft an diesem Freitag mit dem Match gegen Rekordweltmeister Russland. Bei den Czech Hockey Games konnte Tschechien den direkten Vergleich mit 4:0 gewinnen, für Co-Trainer Špaček aber ist dieser Sieg nicht mehr als ein Fingerzeig:

Tschechien - Russland | Foto: Ondřej Deml,  ČTK

„Natürlich ist das ein wertvoller Sieg, denn ein Triumph über Russland ist immer super. Aber wir werden ihn auch nicht überbewerten, zumal es lange Zeit ein ausgeglichenes Spiel war. In dieser Phase hätte das Pendel auch auf die Seite unseres Gegners schwingen können. Wichtiger ist unser Duell am Freitag, und bis dahin wird man sehen, welche Spieler noch zu beiden Teams hinzustoßen.“

Die Hoffnungen in Tschechien sind groß, dass die medaillenlose Zeit mit dieser WM beendet werden kann. Und auch der Schütze des goldenen Siegtores bei der WM vor 20 Jahren, David Moravec, kann es kaum erwarten, bis diese Durststrecke zu Ende ist:

Tschechische Mannschaft | Foto: Ondřej Deml,  ČTK

„Wir brauchen endlich ein Erfolgserlebnis, das uns Auftrieb gibt, und das ist eine Medaille. Dann würde der Eishockeysport bei uns wieder etwas populärer, und besonders wurde dies die Nachwuchsspieler beflügeln. Die Medaille muss einfach her.“

Autoren: Lothar Martin , Petr Kadeřábek , František Kuna , David Procházka
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