Parallelen zum Fall Floyd? Tod eines Roma-Angehörigen nach Polizeieinsatz in Teplice

Roma-Angehörige kurz vor dem Polizeieinsatz

Mehrere Hundert Menschen haben am Dienstag an den Tod eines jungen Rom im nordböhmischen Teplice / Teplitz gedacht. Der Mann war nach einem Polizeieinsatz gestorben. Vertreter von Roma-Organisationen und Menschenrechtler vergleichen den Fall mit dem Tod von George Floyd in den USA im vergangenen Jahr.

Auch im Fall Teplice gibt es ein Video, das den Einsatz der Polizei zeigt. Zu sehen sind drei Polizeibeamte, die einen halbnackten Mann versuchen zu bändigen. Dieser ist aufgebracht und schreit. Einer der Polizisten kniet dabei auf dem Hals des Mannes, fast sechs Minuten lang – und das auch noch, als sich der Festgesetzte schon längst nicht mehr rührt.

Foto:  Polizei der Tschechischen Republik

Im Polizeibericht steht, dass der Verhaftete nachfolgend im Krankenwagen gestorben sei. Darauf wurde eine Obduktion durchgeführt. Den offiziellen Berichten nach kam sie zu dem Ergebnis, dass der Tod des Mannes durch eine Überdosis Drogen verursacht wurde.

Mittlerweile fordern aber zahlreiche Organisationen eine genaue und unabhängige Untersuchung des Falls. Entsprechend äußerten sich unter anderem der tschechische Rat für die Angelegenheiten der Roma-Minderheit, der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und auch der Europarat. Gwendolyn Albert vertritt als Anwältin die Rechte von Roma und lebt in Prag. Gegenüber Radio Prag International verwies sie auf die Parallelen zum Fall George Floyd:

Gwendolyn Albert | Foto: Tschechisches Fernsehen

„Die Parallelen sind außerordentlich. Als Allererstes: Der Charakter des Polizeieinsatzes wäre nicht bekannt geworden, wenn er nicht zufällig von einem Beobachter gefilmt worden wäre. Als Zweites ist die Polizei auf genau dieselbe Weise vorgegangen wie bei George Floyd. Der Beamte kniete auf dem Hals, was eine äußerst riskante Art des Einsatzes ist. Drittens handelt es sich bei dem Toten um das Mitglied einer Gemeinschaft, die hierzulande traurigerweise verachtet wird und häufig Rassismus ausgesetzt ist. Und nicht zuletzt sind die Reaktionen der Obrigkeit verteidigend, überstürzt, kaltherzig – ich würde sogar sagen arrogant.“

Premier Andrej Babiš (Partei Ano) und Innenminister Jan Hamáček (Sozialdemokraten) stellten sich sofort hinter die Polizei, als Kritik an dem Einsatz aufkam. Der Innenminister schrieb über Facebook folgende Worte:

Jan Hamáček | Foto:  Regierungsamt der Tschechischen Republik

„Wenn jemand Autos zerstört, aggressiv ist und sogar einen Polizisten beißt, kann er nicht erwarten, dass er mit Samthandschuhen angefasst wird. Die gerichtliche Obduktion hat zudem klar gezeigt, dass der Mann nicht aufgrund des Polizeieinsatzes gestorben ist. Dies ist traurig, aber ein normal anständiger Mensch würde niemals in eine vergleichbare Lage geraten. Ich danke den Polizisten für ihre Arbeit, sie hatten es nicht leicht.“

Auch Anwältin Albert räumt ein, dass die Polizei natürlich Zwangsmittel einsetzen darf. Zugleich stellt sie – ebenso wie viele Menschenrechtsorganisationen nun auch – die Frage, ob das Vorgehen nicht übertrieben hart, weil lebensgefährlich war…

George Floyd | Foto: Leonhard Lenz,  Wikimedia Commons,  CC0 1.0 DEED

„Ist es angemessen, weiter auf jemandes Hals zu knien, selbst wenn er sich nicht mehr bewegt? Das ist die Frage. Die Antwort darauf wird hoffentlich in unabhängigen Ermittlungen gefunden. Und die Gerichte werden dies künftig beantworten. Aber noch stehen wir ganz am Anfang“, so Gwendolyn Albert.

Die Anwältin erwähnt, dass auch bei George Floyd zunächst die Polizei auf Drogen und dann auf einen Herzfehler verwiesen habe. Allerdings wurde bei dem Mann in Teplice die Obduktion auch tatsächlich durchgeführt. Und ein weiteres Video legt nahe, dass er unter Drogeneinfluss gestanden haben könnte. In den Aufnahmen ist zu sehen, wie der Mann herumbrüllt und mit den bloßen Fäusten, später dann sogar mit dem eigenen Kopf auf ein Auto einschlägt. Ein anderer Mann flüchtet vor ihm. Gwendolyn Albert merkt jedoch an, dass bisher nur wenig über den Obduktionsbericht bekannt sei und dieser auch nicht eingesehen werden könne:

„Wir kennen keine Details. Wir wissen nicht, welchen Sauerstoffgehalt sein Blut hatte und all diese Dinge. Wir tappen bisher im Dunkeln. Die Polizei sagt, dass man ihr vertrauen solle. Das reicht aber nicht, wenn jemand stirbt.“

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