Altehrwürdig und einst auf Weltniveau: Schlesisches Landesmuseum in der Geschichte der Zeit
Es wird als Enzyklopädie Schlesiens oder auch als imaginäres Tor nach Schlesien bezeichnet: das „Schlesische Landesmuseum“ in Opava / Troppau. Es ist das älteste öffentliche Museum in Tschechien und zugleich das drittgrößte. Heutzutage verwaltet es sechs Ausstellungsareale, deren umfassende Sammlungen einen breiten Einblick in die Geschichte der historischen Region Schlesiens vermitteln. Im Folgenden beleuchte wir die Entstehung und Entwicklung des Museums im Kontext des Zeitgeschehens bis in die 1930er Jahre.
Das historische Schlesien, einst Kronland der Habsburger Monarchie, war in der Vergangenheit oft Streitobjekt zwischen den umliegenden Staaten. Die Auseinandersetzungen mündeten nicht selten in einem Waffengang. Nach drei Schlesischen Kriegen im 18. Jahrhundert musste das österreichische Kaiserhaus den größten Teil seines Kronlands mit den Herzogtümern Ober- und Niederschlesien an Preußen abtreten. Im kleiner gewordenen Österreichisch-Schlesien bildete Troppau, die Stadt mit einer mehrheitlich deutschsprachigen Bevölkerung, weiterhin das Verwaltungszentrum. Anfang des 19. Jahrhunderts änderte sich das Stadtbild. Nach und nach konnte Troppau auch seine Stellung als geistiges Zentrum der Region festigen. So entstanden nicht zuletzt mehrere Schulen. Von ihnen hatte insbesondere eine den Ruf, auf hohem Niveau zu stehen. Ondřej Kolář leitet die Abteilung für historische Forschungen im Schlesischen Landesmuseum:
„Es war das staatliche Gymnasium, das im ehemaligen Jesuitenkolleg untergebracht war. Im selben Gebäude entstand auch ein Museum, das als Vorgänger des Schlesischen Landesmuseums gilt. Als Eröffnungsdatum wird normalerweise der 1. September 1814 genannt. Offiziell aber wurde das Museum erst einige Jahre später durch einen Erlass des Kaisers bestätigt. Die Gymnasialsammlung umfasste zum Großteil naturwissenschaftliches und ethnografisches Material aus Österreichich-Schlesien. Damit wollte man den Schülern mehr Wissen über die Region vermitteln. Dieses Ansinnen ging insbesondere auf drei Persönlichkeiten zurück: den Gymnasiallehrer Faustin Ems, den pensionierten k. u. k. Hauptmann Franz Mückusch von Buchberg sowie den Troppauer Bürgermeister Josef Schössler. Ungefähr zur selben Zeit wurden auch das Nationalmuseum in Prag sowie das Mährische Landesmuseum in Brünn gegründet.“
Vom Gymnasium zum Museum
Das Troppauer k. u. k. Gymnasialmuseum, so der offizielle Name, gilt immerhin als erstes öffentliches Museum auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik. Aus Anlass seines 200. Geburtstags wurde 2014 sogar eine Briefmarke herausgegeben. Die Sammlungen des Gymnasialmuseums wuchsen aber weiter, und man brauchte ein repräsentatives Ausstellungsgebäude. Gebaut wurde es von 1892 bis 1895 im Neorenaissancestil nach einem Entwurf der Wiener Architekten Johann Scheiringer und Franz Kachler. Die Museumskuppel wurde mit zwei Pegasus-Statuen und einer Genius-Statue ausgeschmückt. Auf die Ausrichtung des Museums wiesen auch allegorische Standbilder der Malerei, Bildhauerei und Architektur hin. Im Erdgeschoss befanden sich sieben Ausstellungsräume und ein Zeichenkabinett, im zweiten Geschoss zwei Gemäldegalerien und ein Raum für kurzfristige thematisch orientierte Ausstellungen.
„Damals bestand in der Habsburger Monarchie der Trend, derartige Museen nach dem Vorbild des Londoner Victoria- und Albert-Museums zu errichten. In Troppau entstand es auf Anregung der Handels- und Gewerbekammer, die den Bau auch finanzierte. Beteiligt waren zudem die überwiegend deutschsprachigen regionalen Eliten einschließlich des Adels, darunter auch Kaiser Franz Josef. Etwas später erhielt das Museum seinen Namen. Zu sehen waren Artefakte moderner Kunst und des modernen Kunstgewerbes aus der gesamten Monarchie sowie aus den angrenzenden Ländern. Die Liechtensteiner zum Beispiel, die das Grundstück für den Bau gespendet hatten, schenkten dem Museum Gegenstände britischen Ursprungs. Zugleich aber verzichtete man nicht gänzlich auf regionalgeschichtliche Themen. Außerdem wurde Forschung betrieben, um kulturhistorische Denkmäler zu retten. Anfang des 20. Jahrhunderts etwa, als im Rahmen des industriellen Aufschwungs in der Gegend viele Holzhäuser abgerissen wurden, konnten wertvolle Gegenstände gerettet oder zumindest fotografisch dokumentiert werden. Aus der heutigen Sicht könnte man dies sogar als ‚bahnbrechend‘ bezeichnen“, so Kolář.
Dem Fachmann zufolge wurden im Museum auch Werke deutschsprachiger Maler und Bildhauer Schlesiens ausgestellt. Über manchen Spitzenkünstler berichtete sogar die Wiener oder Berliner Presse. Deutsche Museumsvereine – ob privat oder halb privat – oder Künstlerverbände, die meist nationalistisch ausgerichtet waren, pflegten nur selten offizielle Kontakte zu ihren tschechischen Pendants.
Als bedeutendes Ereignis bezeichnet der Historiker aus Opava die Umbenennung von 1921 – und wurde aus „Schlesisches Kaiser-Franz-Josef-Museum für Kunst und Kunstgewerbe“ damals „Schlesisches Landesmuseum“. Dazu kam es drei Jahre nach der Gründung der Tschechoslowakei, die allerdings von großen Teilen der deutschsprachigen Bevölkerung in den Anfangszeiten noch abgelehnt wurde. Ebenso negative Reaktionen löste im tschechischen Teil Schlesiens die Verwaltungsreform vom 1. Dezember 1928 aus. Ondřej Kolář:
„Das bis dahin selbstverwaltete Gebiet Schlesien wurde dem neu gegründeten Land ‚Mährisch-Schlesien‘ angegliedert. Dies war verbunden mit der Verlagerung der Landesämter und ihrer Kompetenzen aus Troppau in die mährische Landeshauptstadt Brünn. Die Landesmuseen in beiden Städten behielten aber weiterhin die Attribute ‚mährisch‘ und ‚schlesisch‘ in ihren Namen. Den Schlesiern in Troppau, ob tschechisch-, deutsch- oder polnisch-sprachig, gefiel dies selbstverständlich nicht.“
Als offizieller Grund für die Reform galt die geringe Größe Schlesiens. Zugleich wollte man aber auch den politischen Einfluss von Sudetendeutschen und Polen im sogenannten Olsa-Gebiet beschränken. Sie, wie auch die schlesischen Tschechen, protestierten gegen die Reform.
Regionale Ausrichtung
Die beiden Landesmuseen in Brünn und Troppau knüpften laut Kolář sowohl eine Zusammenarbeit an, als dass sie auch miteinander rivalisierten. Zugleich wurde politischer Druck ausgeübt. Dies bekam zum Beispiel der Museumsdirektor Edmund Wilhelm Braun zu spüren. Nach seinem Studium an den Universitäten in Freiburg, Frankfurt am Main und Heidelberg kam er Ende des 19. Jahrhunderts nach Troppau. Im Landesmuseum war er zunächst als Kustode tätig und später als langjähriger Direktor.
„Er galt als anerkannter Kunsthistoriker von europäischem Rang. Während seiner Amtszeit erwarb das Museum viele kunsthistorische Gegenstände, wobei man sich auf hohem Niveau in Europa oder sogar weltweit bewegte. Braun war auch Autor vieler Fachpublikationen und verfasste Artikel für renommierte Fachzeitschriften. In den 1930er Jahren reagierten allerdings die zuständigen Ämter in Brünn auf die unruhigere politische Entwicklung in den Grenzgebieten des schlesischen Landesteils. Daher wollte man die Leitung des Troppauer Landesmuseums lieber einem Tschechen übergeben. Nach Brauns Pensionierung 1935 wurde Karel Černohorský eingesetzt, ein ehemaliger Legionär aus dem Ersten Weltkrieg. Auch er verfügte über die entsprechende Fachkompetenz als studierter Kunsthistoriker. Doch der Direktorenwechsel führte in der Troppauer Öffentlichkeit zu ziemlich viel Unmut“, schildert Kolář.
Zugleich betont der Historiker, dass auch danach das Troppauer Landesmuseum weiter mit den kleineren Museen in jenen schlesischen Orten zusammenarbeitete, in denen die Bevölkerung mehrheitlich Deutsch sprach – dazu gehörten etwa Krnov / Jägerndorf, Bruntál / Freudenthal oder Jeseník/ Freiwaldau. Der anfängliche Unmut habe letztlich keine dramatischen Folgen gehabt.
Karel Černohorský konzentrierte sich stärker als sein Vorgänger auf die Erfassung und Dokumentierung regionaler Kunst aus Schlesien. Der Schnitt kam durch die deutsche Besetzung der Sudetengebiete im Herbst 1938 und nachfolgend den Zweiten Weltkrieg. Die Konzepte des Schlesischen Landesmuseums sowie der Regionalmuseen wurden komplett umgeworfen. Ähnliches geschah nach der kommunistischen Machtübernahme von 1948 hierzulande. Danach verschwand die Bezeichnung „schlesisch“ für lange Zeit aus den Namen aller Institutionen, Ämter, Kultur- und anderen Einrichtungen der Gegend. Erst die Wende von 1989 machte dies wieder möglich.