Impfpflicht wird in Tschechien vorerst nicht umgesetzt
Angesichts der scheinbar nicht enden wollenden Corona-Pandemie wird in vielen Ländern über die Einführung einer Impfpflicht gegen das Virus diskutiert. In Tschechien hatte die ehemalige Regierung von Ex-Premier Babiš eine solche Verordnung bereits beschlossen. Sie sollte am 1. März in Kraft treten. Am Mittwoch hat das Kabinett des neuen Premiers Fiala diesen Gesetzentwurf jedoch kassiert.
Die Regierung Babiš arbeitete Ende November bereits auf Abruf. Der geschäftsführende Gesundheitsminister Adam Vojtěch (Partei Ano) brachte aber noch einen umstrittenen Gesetzentwurf ein. Demnach sollte für alle Bewohner Tschechiens ab 60 Jahren eine Impfpflicht gelten sowie für ausgewählte Berufsgruppen. Dazu gehörten Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen, im Rettungsdienst einschließlich der Feuerwehr, im Gefängnisdienst sowie bei der Armee. Am 1. März wäre diese Regelung in Kraft getreten.
Die Verordnung über die Impfpflicht wurde am 10. Dezember in der Gesetzessammlung veröffentlicht, war aber noch nicht rechtskräftig. Die letzte Entscheidung oblag der neuen Regierung. Sie hat sie nun am Mittwoch gefällt. Vor Journalisten verkündete Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten):
„Wir sehen keine Gründe für eine Impfpflicht. Wir wollen die Gräben in der Gesellschaft nicht vertiefen. Darüber hinaus bestehen zahlreiche Argumente, die zu dieser Überlegung geführt haben, nicht mehr. Die Durchimpfung bei einigen der vorgesehenen Berufsgruppen liegt bei rund 90 Prozent.“
Die Gesetzesvorlage wurde also vom Kabinett Fiala komplett aufgehoben, sowohl für Menschen ab 60 Jahren als auch für die ausgewählten Berufsgruppen. Die hohe Impfquote von 90 Prozent wurde bislang jedoch nur bei den Angehörigen der Armee erreicht. Bei Polizei und Feuerwehr liegt sie um 80 Prozent, im Sozialdienst bei maximal 75 Prozent. Die neue Regierung setzt indes auf mehr Eigenverantwortung anstatt Zwang. Deswegen wird Regierungschef Fiala auch nicht müde, weiter für eine Immunisierung gegen Corona zu werben:
„Die Entscheidung ändert nichts an unserer Haltung zur Impfung. Sie ist weiter das beste Mittel im Kampf gegen Covid-19, sie ist der sicherste Weg.“
Bei der Opposition hat der Regierungsbeschluss indes für gewisse Ernüchterung gesorgt. Věra Adámková ist Abgeordnete der Ano-Partei und Mitglied im parlamentarischen Gesundheitsausschuss. Sie erklärte:
„Derzeit können wir festhalten, dass zum Beispiel im Gesundheitswesen die absolute Mehrheit der Beschäftigten geimpft ist. Doch wir werden sehen, wie es weitergeht. Die Entscheidung hat gewiss auch ihre negativen Seiten. Wir werden nun genau beobachten, wie die Entwicklung weiter kommuniziert und analysiert wird.“
Ihr Parteikollege Julius Špičák ist Arzt und stellvertretender Vorsitzender im Gesundheitsausschuss. In einer Diskussionsrunde des Tschechischen Fernsehens (ČT) am Mittwochabend reagierte er deutlicher:
„Die Regierung vertraut darauf, dass die Omikron-Variante durchs Land zieht und eine deutliche Spur hinterlässt in dem Sinn, dass die Gesellschaft immunisiert wird. So soll das Problem gelöst werden.“
Špičák zählt hierzulande von Anfang an zu den Befürwortern einer harten Impfstrategie. Der Regierung wirft er vor, dass sie an eine Verbesserung der epidemiologischen Lage glaube, sich aber nicht auf eventuelle Verschlechterungen vorbereite. Wörtlich sagte er:
„Die Verschlechterung wäre, dass eine weitere Welle kommt und wir erneut ähnlich reagieren wie etwa im Sommer vorigen Jahres: Wir atmen einfach durch und sagen, die Gefahr sei vorbei. Dann aber kommt die nächste Welle, und wir zeigen uns erneut überrascht.“
Chef des Gesundheitsausschusses im Abgeordnetenhaus ist der Bürgerdemokrat Bohuslav Svoboda. Auch er ist Arzt. Svoboda erklärte, dass die Omikron-Variante keine deutlichen Argumente mehr biete für eine Impfpflicht. Aber er sagte auch:
„Aus medizinischer Sicht bin ich der Meinung, dass wir beispielsweise in einem Monat zur Frage der Impfpflicht zurückkommen könnten. Dann aber sollte die Debatte besser vorbereitet und die Umsetzung realisierbar sein.“
Svoboda hatte zuvor darauf verwiesen, dass in der Diskussion über die Impfpflicht bisher nicht berücksichtigt worden sei, wie Verstöße gegen die Verordnung geahndet werden sollen. Die Regierung Fiala scheint die Möglichkeit einer Impfpflicht also nicht aus den Augen verloren zu haben. Sie will aber wohl erst dann wieder in die Diskussion einsteigen, wenn belastbare Daten vorliegen.