„Opera 2022“ – Festival des Musiktheaters in Prag
Tschechische und slowakische Theater präsentieren alle zwei Jahre bei einem Festival in Prag ihre interessantesten Opernvorstellungen. Die Biennale wurde diesmal mit einer Inszenierung von Janáčeks Oper „Das schlaue Füchslein“ eröffnet, die das F. X. Šalda-Theater aus Liberec / Reichenberg aufführte.
Bei der 15. Auflage des Festivals „Opera“ stehen insgesamt 19 Vorstellungen auf dem Programm. In Tschechien gibt es derzeit zehn Operntheater. Acht davon nehmen am Prager Festival teil. Hinzu kommen Ensembles, die nicht auf den großen Bühnen spielen, sondern alternative Gegenwartsstücke inszenieren. Lenka Šaldová ist Theaterwissenschaftlerin und arbeitet im Prager Nationalmuseum. Sie leitet das Festival „Opera“ seit dem Jahr 2000. Die Theaterexpertin beschreibt, wie das diesjährige Programm zusammengestellt wurde:
„Am Festival können alle Operntheater aus Tschechien und der Slowakei mit einer ihrer Produktionen teilnehmen. Zudem bemühen wir uns, möglichst viele Ensembles anzusprechen, die unabhängig von den Opernhäusern spielen. Diesmal werden ganze acht dieser Gruppen in Prag auftreten. Dies belegt, dass das Angebot an Operninszenierungen und auch an alternativen Musiktheaterproduktionen immer größer wird. Ensembles wie Damian oder Opera Diversa treten seit mehr als 25 Jahren abseits der großen Theaterhäuser auf. Beim Festival stellen sich jedoch auch kleinere Vereine vor, die etwa vor einem halben Jahr entstanden sind oder erst seit einem oder zwei Jahren zusammen auftreten.“
Künftige Stars
Beim Festival könnten die Opernfans die besten tschechischen Sängerinnen und Sänger hören, sagt die Theaterwissenschaftlerin:
„Zu ihnen gehört Jana Šrejma Kačírková, die die Margherita in Boitos Oper ,Mefistofele‘ singt. Die Oper wurde im Theater in Budweis einstudiert. Die Zuschauer wollen oft auch gerade die ganz jungen Solistinnen und Solisten hören, die in ein paar Jahren zu Stars werden könnten. Eine sehr junge Besetzung hat beispielsweise ,Figaros Hochzeit‘, mit der das Theater aus Opava nach Prag kommt. Und in der Produktion von Bizets ,Perlenfischern‘ aus Olomouc singt wiederum der hervorragende, erst 23-jährige Tenor Daniel Matoušek. Er wird bald genauso bekannt sein wie heutzutage Aleš Briscein, der ebenfalls beim Festival auftritt.“
Die Opernhäuser wählen selbst die Inszenierung aus, die sie für ihre beste halten und mit der sie am Festival teilnehmen. Auf den Theaterbetrieb habe sich jedoch die Corona-Pandemie stark ausgewirkt, merkt Lenka Šaldová an:
„Die letzten zwei Jahre waren für die Theater furchtbar. Einige der diesjährigen Festivalproduktionen stammen noch aus der Zeit vor der Corona-Pandemie. Sie wurden in den Repertoires gehalten, obwohl sie Monate lang nicht gespielt wurden und die Theater geschlossen waren. Es wurde aber wenigstens geprobt, um die Ensembles auf dem entsprechenden künstlerischen Niveau aufrechtzuerhalten. Im Festivalprogramm gibt es auch Inszenierungen, deren Premieren zwei- oder dreimal verschoben wurden. Dieser Festivaljahrgang wird in einer für die Theater sehr schwierigen Zeit veranstaltet. Und diese ist immer noch nicht zu Ende. Die Theaterleitungen sind weiterhin gezwungen, Vorstellungen wegen Erkrankungen oder Quarantäne abzusagen oder zu verschieben. Ich habe das Gefühl, dass jede Festivalvorstellung darum ein Wunder ist, auf das sich die Mitwirkenden freuen. Sie sind froh über jede Begegnung mit dem Publikum.“
Alle Theater werden der Expertin zufolge auch weiterhin Probleme mit der Finanzierung haben. Denn die Budgets der einzelnen Städte, in deren Trägerschaft sich die Kultureinrichtungen befinden, werden auch für viele andere Bereiche gebraucht, die von Corona genauso betroffen sind. Auch wenn viele der Theater im Moment geöffnet haben, sind die Besucherzahlen laut Šaldová nicht so hoch wie vor dem Ausbruch der Pandemie. Die Expertin weiter
„Ich habe das Gefühl, dass sich die Menschen weiterhin ein wenig fürchten, ins Theater zu gehen. Sie planen den Besuch nicht im Voraus, da sie nicht wissen, wie sich die Situation entwickeln wird. Die Theater können momentan spielen, sie verdienen jedoch weniger als zuvor. Die Besucherzahlen sind bei weitem nicht so hoch wie früher.“
Spuk im Schloss und Teufelskäthe
Die Theaterwissenschaftlerin befürchtet, dass die Theater in der jetzigen Lage eher bewährte populäre Stücke aufführen anstatt zu experimentieren. Beim Festival stellten sich die Ensembles in der Regel jedoch mit eher ungewöhnlichen Produktionen vor:
„Dies ist auch bei der diesjährigen Auflage zu bemerken. Das Mährisch-Schlesische Nationaltheater aus Ostrava führt in Prag beispielsweise Jaroslav Křičkas Oper ,Bílý pán‘ (zu Deutsch: Spuk im Schloss oder Böse Zeiten für Gespenster) auf. Der Komponist ließ sich durch Oscar Wildes Novelle ,Das Gespenst von Canterville‘ inspirieren. In der Oper geht es darum, dass ein US-amerikanischer Botschafter eine Burg samt Gespenst kauft. Er will es zu Gesicht bekommen, das Gespenst versteckt sich jedoch ständig. Natürlich gibt es auch eine Liebesgeschichte und eine dramatische Wendung. Das Ganze hat aber ein Happy End. Das Stück entstand Ende der 1920er Jahre und wird als eine Revue gestaltet. Im Nationaltheater in Ostrava ist es üblich, dass dort Aufführungen einstudiert werden, die nirgendwo anders zu sehen sind. Regie führt Ondřej Havelka, der zu diesem Musikgenre eine besondere Beziehung hat. Es handelt sich um eine witzige Inszenierung mit einem herrlichen Bühnenbild, bei dem etwa auch Tischtennis gespielt wird.“
Zum vierten Mal in der Festivalgeschichte reisen auch slowakische Theater nach Prag an. Wegen allzu hoher Kosten, die mit den Corona-Maßnahmen verbunden sind, musste jedoch noch vor Festivalbeginn die Vorstellung des Ensembles aus Banská Bystrica / Neusohl abgesagt werden. Lenka Šaldová hofft, dass die beiden anderen slowakischen Produktionen in Prag aber zu sehen sein werden:
„Das Slowakische Nationaltheater aus Bratislava wird sich mit Antonín Dvořáks ,Teufelskäthe‘ vorstellen. Und die Oper aus Košice führt Donizettis Oper ,Roberto Devereux‘ auf. Die beiden Gastspiele sind für März geplant, und ich hoffe, dass die Vorstellungen auch wirklich stattfinden. Ich halte die Teilnahme der slowakischen Ensembles für wichtig, denn sie bringen wieder neue Farbe in das tschechisch-slowakische Theaterleben.“
Eine Reihe Opernhäuser, vor allem die grenznahen, haben inzwischen auch ein ständiges ausländisches Publikum. Die Corona-Maßnahmen haben sich zwar auch darauf negativ ausgewirkt, die Festivaldirektorin ist trotzdem optimistisch:
„Ich glaube, dass die Theaterfans sich nicht davon abbringen lassen und die Vorstellungen weiterhin besuchen werden. Das betrifft vor allem die deutschen Besucher der Theater in Liberec und Pilsen sowie das polnische Publikum in Opava. Brünn hat sich in letzter Zeit auch zu einer europäischen Theatermetropole etabliert. Die Österreicher haben die Gewohnheit entwickelt, zu den dortigen Vorstellungen zu reisen.“
Regie hat Calixto Beito
Einige der Produktionen haben erst beim Festival ihre Premiere. Das Prager Nationaltheater etwa stellt dem Festivalpublikum die Oper „Katja Kabanowa“ von Leoš Janáček vor. Die Premiere der Neuinszenierung fand am 28. Januar statt.
„Die Regie hat Calixto Beito. Er arbeitet lange Jahre als Regisseur vor allem in deutschen Opernhäusern und hat Einfluss auf die Gestaltung des dortigen Musiktheaters. Es ist ein wichtiger Impuls, wenn ein renommierter Regisseur etwas kreiert, woran man hierzulande nicht gewöhnt ist. Ich habe das Gefühl, dass in Tschechien allzu viel Angst herrscht vor dem, was vorschnell als ,modernes Theater‘ bezeichnet wird. Davon haben viele Menschen hier eine falsche Vorstellung. Ich glaube, dass es Beito mit seiner Interpretation gelingen wird, auch den Großteil des eher konservativen Publikums von seinen Ideen zu überzeugen.“
Die Festivalveranstalter denken bei der Zusammenstellung des Programms auch an die kleinsten Zuschauer:
„Das Ensemble Opera Diversa führt eine Vorstellung für Kinder auf. Sie heißt ,Die Stadtgespenster‘. Es handelt sich hierbei um drei etwa 20-minütige Mini-Opern. Gezeigt werden Szenen aus dem Leben einer Stadt, und das Stück wird für Kinder ab fünf Jahren empfohlen. Sie können sich direkt auf der Bühne an der Aufstellung der Kulissen für die nächste Szene beteiligen. Ich denke, das wird super. Und das Ensemble Damian feiert schon immer beim Publikum Erfolge. Diesmal führt es das Stück ,Die Piraten‘ auf. Komponist Tomáš Hanzlík lässt sich durch Barockmusik und Minimalismus inspirieren. Seine Werke enthalten immer viel positive Energie, die wir alle gerade jetzt sehr gut brauchen.“
Die besten Theaterleistungen werden wie jedes Jahr mit der „Libuška“ ausgezeichnet, den Ehrenpreisen des Festivals. Über die beste Produktion und die besten Sängerleistungen entscheiden eine Fachjury sowie eine Umfrage unter den Zuschauern.
Das Festival „Opera 2022“ findet bis 29. März an verschiedenen Orten in Prag statt. Vorstellungen gibt es nicht nur im Nationaltheater, im Ständetheater und in der Staatsoper, sondern unter anderem auch in den Theatern Venuše ve Švehlovce und La Fabrika sowie im Café Adria. Mehr über das Programm erfahren Sie unter: http://www.festival-opera.cz.