Unterstützung für ukrainische Künstler bei Jobsuche in Tschechien – Solist Baborák initiiert Spendensammlung

Radek Baborák

Radek Baborák ist Dirigent und vor allem einer der besten Hornisten der Welt. Er spielte als Solist bei den Münchner Philharmonikern und anschließend bei den Bamberger Symphonikern. In den Jahren 2002 bis 2011 war er als Solohornist bei den Berliner Philharmonikern engagiert. In der Corona-Zeit, als vielen freischaffenden Künstlern die Honorare ausblieben, organisierte er eine Spendensammlung, um sie zu unterstützen. Diese Erfahrung inspirierte den Musiker nun dazu, ukrainischen Künstlern, die nach Tschechien flüchten, unter die Arme zu greifen. Radek Baborák hat eine Spendensammlung initiiert, die am Freitagabend mit einem Konzertmarathon in Prag eröffnet wird.

Herr Baborák, Sie haben eine besondere Hilfe für ukrainische Künstler initiiert, die als Geflüchtete nach Tschechien kommen. Wie soll diese Hilfe aussehen?

Webseite der Spendensammlung für die Unterstützung für ukrainische Künstler

„Wir machen das bereits das dritte Mal. Wir haben in Covid-Zeiten angefangen mit der ersten und der zweiten Runde. Die Hilfe war schon damals für Kunstkreise bestimmt. Auch jetzt, in der Situation mit der Ukraine, wollen wir unseren Kollegen helfen – verschiedenen Künstlern, nicht nur Musikern. Wir wollen ihnen zeigen, dass sie als ukrainische Kollegen hier in Tschechien Arbeit finden können. Wir denken, dass das sehr wichtig ist, denn in so einer Situation fragt man sich, ob man seinen Beruf weiter ausüben kann, oder man sich anderweitig umsehen muss. Viele ukrainische Musiker wissen nicht, dass hier Musiker gesucht werden. Im Orchester in Marienbad zum Beispiel, in dem ich Chefdirigent bin, haben wir viele offene Stellen. Wir brauchen zehn Streicher und vier Bläser. Einige der ukrainischen Musiker sind derzeit im Ausland, etwa das Kammerensemble Kyiv Soloists. Sie sind derzeit in Italien und Schweden auf Tournee und wissen gar nicht, dass sie hier herzlich willkommen sind. Unsere Spendensammlung soll eine Extrafinanzierung bieten – auch für junge Leute. Ein 16-jähriger Hornist zum Beispiel kam aus Charkiw nach Tschechien. Er hatte weder sein Mundstück noch sein Instrument dabei. Nun bekommt er bei Professor Hernych vom Prager Konservatorium Unterricht und ich habe ihm mein Zweitinstrument geliehen. Er hat hier in Prag aber dennoch kein Geld. Mit Hilfe unsere Sammlung könnte er eventuell ein Stipendium bekommen.“

Die Hilfe ist also teilweise für die Orchester und Ensembles bestimmt, aber auch für die Künstler selbst, weil ja nicht alle sofort einen Arbeitsvertrag für eine längere Zeit bekommen können?

Illustrationsfoto: Kotaro-Studio,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

„Genau. In Covid-Zeiten war es eine andere Situation, da ging es um unsere freischaffenden Kreise. Wir kennen uns und haben uns untereinander geholfen. Das geht jetzt nicht. Aber wir denken, dass sich das mit Hilfe von Institutionen, Schulen, Professoren, Dirigenten klärt, und wir das schaffen können.“

Sie haben also bereits mit Schulen und Musiklehrern zusammengearbeitet. Mit wem arbeiten Sie sonst an diesem Projekt und an der Spendensammlung zusammen?

Nikolaus-Kirche in der Prager Altstadt | Foto: Paula Funnell,  Flickr,  CC BY-NC-ND 2.0

„Wie zuvor unter anderem mit der MenArt-Akademie. Wir machen das mit unserem alten Team, das jetzt aber größer ist, weil wir viele freischaffende Musiker unterstützt haben. Die können jetzt wiederum selber Hilfe leisten. Ich bin sehr stolz darauf, dass das so funktioniert. Am Anfang steht nun unser 24-stündiges Konzert in der Nikolaus-Kirche in Prag. Daran sind über 120 Musiker beteiligt, darunter Orchester, Ensembles, Kinderchöre und Solisten. Die Schirmherrschaft hat Premier Petr Fiala gemeinsam mit einigen Senatoren und Ministern übernommen. Das ist für uns natürlich eine Auszeichnung. Es gibt viele Politiker, die unsere künstlerische Arbeit wertschätzen und es gutheißen, wie wir Tschechien nach außen hin repräsentieren. Das finde ich toll.“

Wird die Nikolaus-Kirche denn die ganzen 24 Stunden offen bleiben?

Martina Viktorie Kopecká | Foto: Elena Horálková,  Tschechischer Rundfunk

„Ja. Die Pfarrerin, Frau Kopecká, hat uns das ermöglicht. Wir spielen von 18 Uhr bis 18 Uhr durch. Es wird nur kleinere technische Pausen oder eine Unterbrechung zum Stimmen des Klaviers geben. Die Firma Bechstein, mit der wir eng verbunden sind, hat uns angeboten, einen Konzertflügel in die Kirche zu bringen, was natürlich etwas ganz Besonderes ist. Alle sind willkommen. Ich hoffe, dass nicht nur viele Menschen das Konzert in der Kirche besuchen, sondern dass es sich auch viele andere anhören werden. Denn das Konzert wird live gestreamt.“

Sind Sie vielleicht in Kontakt mit Musikern, die schon nach Tschechien gekommen sind?

FOK | Foto:  Prager Symphonieorchester FOK

„Ja, schon. Aber das sind nur Einzelfälle. Beim Konzert mit dem Prager Symphonieorchester FOK, das ich am Mittwoch dirigiert habe, spielte beispielsweise eine neue Bratscherin aus der Ukraine mit. Es werden aber bestimmt noch mehr Musiker kommen.“

Den Konzertmarathon eröffnen Sie mit Ihrem Ensemble?

Radek Baborák | Foto: © Tereza z Davle

„Ja. Wir spielen als das Baborák-Ensemble – also Horn, ein Streichquartett und noch ein paar weitere Instrumente. Danach spielen die Mentoren von der MenArt-Akademie. Nach einer kurzen Pause folgen verschiedene Ensembles, darunter auch eine Zimbelkapelle, die aus Spielern der Tschechischen Philharmonie zusammengesetzt ist. Auf dem Programm stehen Werke von Bach bis zu Beethovens 5. Sinfonie c-Moll, der ,Schicksalssinfonie‘.“

Als Hauptinitiator können Sie während des Konzertmarathons gar nicht schlafen gehen…

„Natürlich nicht. Das ist aber nichts im Vergleich damit, was die Geflüchteten erleben müssen – vier Tage und Nächte auf der Reise aus Charkiw nach Lwiw. Viele können gar nicht erst fliehen und erleben schlaflose Nächte in einem Keller. Ich denke, eine Nacht wach zu bleiben – so eine Nachtwache mit Meditieren und Nachdenken – ist nichts im Vergleich damit, was die Menschen in der Ukraine durchmachen.“

Die Spendensammlung wird am Freitag um 18 Uhr mit dem Konzert in der Nikolaus-Kirche auf dem Altstädter Ring in Prag eröffnet. Das Konzert dauert 24 Stunden lang – bis Samstag um 18 Uhr.

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