Tschechische Gewerkschafter bestätigen Vorsitzenden und fordern höheren Mindestlohn
Am Freitag und Samstag vergangener Woche kamen in Prag die Vertreter des Gewerkschaftsdachverbandes ČMKOS zusammen. Auch zahlreiche Politiker traten auf.
Am Freitag wurde Josef Středula als Vorsitzender des tschechischen Gewerkschaftsdachverbandes ČMKOS wiedergewählt. Bei der Wahl war er der einzige Kandidat und bekam schließlich 153 der 173 abgegebenen Stimmen. Es ist die dritte Amtsperiode Středulas an der Spitze der Organisation, die über 30 Berufsverbände vereint und in der insgesamt mehrere Hunderttausend Arbeitnehmer organisiert sind.
Ein großes Thema des Gewerkschaftstreffens war die Inflation. Dies betonte auch Josef Středula:
„Wir würden uns von unseren Löhnen gern gute Lebensmittel kaufen können, am besten aus Tschechien. Lebensmittel, die uns keine Probleme bereiten und mit deren Preisen uns niemand das Geld aus der Tasche zieht. Die Inflation wird jedoch weiter steigen. Dies bedroht nicht nur Senioren, sondern auch Familien mit Kindern und alleinerziehende Personen. Das ist ein ernstzunehmendes Problem.“
Um die Preiserhöhungen auszugleichen, fordern die Gewerkschafter eine Anhebung des Mindestlohnes. Dieser liegt derzeit bei 16.200 Kronen (rund 660 Euro) brutto. Laut Angaben des Arbeitsministeriums bekommen rund 140.000 Menschen in Tschechien dieses Gehalt monatlich ausgezahlt.
Josef Středula gab in seiner ersten Rede als wiedergewählter Vorsitzender bekannt, dass die Gewerkschafter von der Regierung eine Erhöhung um 2000 Kronen (rund 80 Euro) fordern. Středula zufolge könnte eine solche Änderung innerhalb von zwei Monaten umgesetzt werden: „Es gibt einen klaren Mechanismus zur Berechnung des Mindestlohnes“, so der Gewerkschaftsboss. „Die Frage ist also nur, um wieviel Prozent oder welche Summe man den Betrag erhöht,“ sagte er weiter.
Der Minister für Arbeit und Soziales, Marian Jurečka (Christdemokraten), sagte zu diesen Forderungen am Rande des Kongresses:
„Wir nehmen diese Situation sehr ernst und die Forderung zur Kenntnis, die hier geäußert wurde. Hier sind viele Leute vertreten, deren Gehälter in der heutigen Zeit wirklich nicht mehr ausreichend sind. Unsere Regierung ist in jedem Fall dazu bereit, über die Lohnerhöhungen zu diskutieren. Zu solchen Verhandlungen müssen wir aber auch die Vertreter der Arbeitgeber einladen.“
Beim Kongress der Gewerkschafter ging es auch um Themen der Arbeitsorganisation in Tschechien. Dazu trat Staatspräsident Miloš Zeman auf. Er appellierte an die Gewerkschafter, sich dafür zu engagieren, dass Arbeitnehmer stärker an der Führung der Unternehmen beteiligt werden. Dies könne unter anderem durch Mitarbeiteraktien erzielt werden.
„Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen könnten davon finanziell profitieren. Aber das ist nicht alles, worum es geht. Viel wichtiger ist die Motivationssteigerung und das Gefühl: ‚Diese Firma gehört auch mir!‘“, argumentierte der Präsident.
Als positive Beispiele für ein solches Vorgehen nannte Zeman die USA und Deutschland. Auch Josef Středula äußerte, man könne in diesem Fall von Deutschland lernen:
„Wenn Arbeitnehmer Teil des Unternehmens sind und Verantwortung übernehmen, kann das einen ähnlichen Effekt haben wie in Deutschland. Dieses ist eines der konkurrenzfähigsten Länder der Welt, gerade weil man die Mitarbeiter dort in die Unternehmensführung eingebunden hat.“
So Josef Středula, der auch langjähriges Mitglied des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums ist. Er wird als einer der potentiellen Kandidaten für die Wahl zum Staatspräsidenten gehandelt, die im Januar kommenden Jahres in Tschechien abgehalten wird. Der amtierende Präsident Miloš Zeman forderte Středula am Samstag beim Gewerkschaftskongress dazu auf, als Staatsoberhaupt zu kandidieren. Středula sei eine starke Persönlichkeit und hätte Chancen, die Wahl für sich zu entscheiden. Josef Středula gab daraufhin bekannt, die Kandidatur in Betracht zu ziehen. Voraussetzung für seine Bewerbung sei für ihn persönlich die Wiederwahl als Gewerkschaftsboss gewesen, sagte er. Wie Středula weiter ausführte, wolle er gegebenenfalls nicht durch einen Vorschlag der Abgeordneten, sondern als direkter Kandidat der Bürger antreten. Hierfür sind in Tschechien 50.000 Unterschriften wahlberechtiger Menschen nötig.