Lehrermangel: Gesetzesnovelle soll Abwanderung junger Pädagogen verringern
An tschechischen Schulen herrscht Lehrermangel. Es sind vor allem neu ausgebildete Pädagogen, die gleich in den ersten Praxisjahren entweder den Arbeitsplatz wechseln oder sich beruflich komplett neu orientieren. Das Bildungsministerium ergreift nun Maßnahmen, um sie zu halten.
Vladimír Kostka hat alle Mühe, dem Lehrplan gerecht zu werden. Der Direktor der Baufachschule in České Budějovice / Budweis klagt:
„Für das Fach Physik haben wir nur einen einzigen Lehrer. Er ist bereits im Rentenalter. Also kann es natürlich sein, dass ihm irgendwann die Lust vergeht oder er aus gesundheitliche Gründen nicht mehr weitermachen kann. Ich versuche schon seit längerem, weitere Physiklehrer zu finden, aber es gibt keine.“
Außer für Physik fehlen an tschechischen Schulen auch Lehrer für Mathematik, Informatik, Englisch sowie Tschechisch. Dies belegt eine Analyse der Schulinspektion. Ein Grund dafür ist, dass viele Junglehrer schon nach wenigen Jahren wieder das Handtuch werfen. Eine Studie der Masaryk-Universität in Brno / Brünn von 2019 hat ergeben, dass 30 Prozent der Berufsanfänger nach nur wenigen Jahren die Stelle wechseln und zehn Prozent den Beruf ganz aufgeben.
Dies zu ändern ist das Ziel des Projektes „Začni učit!“ (Fang an zu lehren!) der NGO Výluka. Eine der Initiatoren ist Jana Fryzelková. Sie spricht von einem hohen Erfolgsdruck für junge Pädagogen, denen dann ein schneller Burn-out droht.
„Die Junglehrer wandern ab, weil etwa in der Schule kein gutes Klima herrscht oder sie keinen Erfolg sehen. Dabei gibt es aber regionale Unterschiede. In Prag gibt es mehr Angebote besserer Stellen als in einer Kleinstadt. Daher fällt in der Hauptstadt die Entscheidung für einen Arbeitsplatzwechsel vergleichsweise schneller.“
Zweitrangig sei dabei die Entlohnung, fährt Fryzelková fort. Tatsächlich werden die Lehrergehälter in Tschechien seit mehreren Jahren regelmäßig erhöht. Aktuell liegt der durchschnittliche Monatsverdienst von Pädagogen mit 47.000 Kronen (1900 Euro) brutto um etwa 10.000 Kronen höher als das Durchschnittseinkommen im Land.
Nun ergreift die Regierung aber noch weitere Maßnahmen, um Berufsanfänger in ihrem Job zu halten. Eine Gesetzesnovelle, mit der sich das Kabinett Ende Juni befassen will, sieht etwa die Funktion eines Begleitlehrers vor. Dabei sollen erfahrene Pädagogen die jungen Kollegen aktiv unterstützen. Für Fryzelková ein sinnvolles Vorhaben:
„Diese Funktion gibt es an einigen Schulen schon. Wenn das Kollegium aber überlastet ist, hat der Zuständige für die Begleitung keine Zeit und bietet dem Junglehrer nur an, bei Bedarf Fragen zu beantworten. Die Novelle soll gesetzlich verankern, dass jeder Anfänger eine Anlernzeit absolviert und der Begleitlehrer dafür auch Zeit hat.“
Zeit, Kapazitäten und eine gute Anleitung seien in der Anfangsphase ausschlaggebend, ergänzt die Expertin. Ihre Organisation biete eben diese Begleitung an und stelle auch Raum für einen Erfahrungsaustausch her, so Fryzelková weiter.
Bis bessere Bedingungen auch gesetzlich geschaffen werden, hat das tschechische Bildungsministerium zudem ein Handbuch für Junglehrer herausgegeben. Dies solle als Motivationshilfe dienen, erläutert Minister Petr Gazdík (Stan):
„Vor allem in der jetzigen Lage, in der stärkere Geburtsjahrgänge in die Schule kommen und auch ukrainische Kinder angemeldet werden, wird es einen Bedarf an guten Lehrern geben. Diese Maßnahme kann dabei helfen, den Lehrernachwuchs nicht nur davon abzuhalten zu kündigen, sondern sich für diesen schönen Beruf überhaupt zu entscheiden.“
Diese neuen Ratgeber, an deren Erstellung unter anderem auch Mitarbeiter des Projekts „Začni učit!“ beteiligt waren, gibt es ebenso für Begleitlehrer sowie für Schuldirektoren. Das Hauptaugenmerk liege dabei auf einer aktiven Zusammenarbeit im Lehrerkollektiv und der Schaffung von guten Arbeitsbedingungen an der Schule, hieß es bei der Präsentation in der vergangenen Woche.
Laut Bildungsministerium gibt es an den Schulen Tschechiens derzeit etwa 8000 Junglehrer, die weniger als zwei Jahre Arbeitspraxis haben. Insgesamt sind 173.500 Lehrer angestellt. Ihr Durchschnittsalter beträgt aktuell 47,2 Jahre.