Von Kernforscherin bis Schauspielerin: Ausstellung in Tábor zeigt die Handtaschen bedeutender Frauen

Handtaschen aus der Sammlung von Zuzana Ilinčevová

Handtaschen sind aus dem Alltag vieler Frauen nicht wegzudenken. Und auch prominente Personen haben fast immer ihr persönliches Accessoire dabei. In der Galerie 140 im südböhmischen Tábor wurde nun die Ausstellung „Die Handtaschen bedeutender Frauen und ihre Geschichten“ eröffnet. Die Schau beruht auf der Sammlung von Zuzana Ilinčevová.

Zuzana Ilinčevová bei der Führung durch die Ausstellung | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Die Lieblingshandtasche von Zuzana Ilinčevová ist relativ unscheinbar. Sie hat ganz deutlich schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel. Das grobe Leder ist dunkelbraun. Die Tasche hat keinen Riemen, erinnert entfernt an einen Briefumschlag und bietet nicht viel Platz für ein heutiges Smartphone oder Schminkutensilien. Doch das mache nichts, sagt Zuzana Ilinčevová. Denn die Dame von früher hätte zumeist nur einen Kamm und ein Taschentuch dabei gehabt. Mit dieser Handtasche verbindet die Ausstellungskuratorin und Architektin eine besondere Geschichte:

„Als ich das erste Mal einige Handtaschen für meine Sammlung bekommen habe, sechs Stück, habe ich diese als erste ausgepackt. Für mich war die Tasche wirklich ein Wunder, denn es war der Beginn meiner Sammlung.“

412 Exemplare im Archiv

Die Lieblingshandtasche von Zuzana Ilinčevová | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Sechs Handtaschen, darüber kann Zuzana Ilinčevová mittlerweile nur lächeln. In den letzten zehn Jahren ist ihre Sammlung auf 412 Exemplare angewachsen. Schon lange hat ihr Privatarchiv keinen Platz mehr in der eigenen Wohnung.

„Als mein Mann und ich in eine neue Wohnung umgezogen sind, hatten wir dort ein Ankleidezimmer. Darin gab es ein Regal, in dem ich die Handtaschen gelagert habe. Aber ich habe dort einfach alle Taschen hineingestopft, und dann sind sie irgendwann einmal herausgefallen. Als mein Mann aus dem Theater heimkam, meinte er: ‚Das geht doch so nicht weiter! Dann mach halt ein Museum auf!‘ Und ich habe erwidert: ‚Na gut!‘ Also habe ich angefangen, die Handtaschen zu sammeln. Zuerst habe ich meine Freundinnen angefragt und die wiederum ihre Mütter und Großmütter – und alle haben sie mir ihre Handtaschen geschickt.“

Mittlerweile hat Zuzana Ilinčevová ein Archiv für ihre Schätze. Mit dem Sammeln fing sie eigentlich nur an, weil sie auf der Suche nach einem neuen Hobby war, nachdem die Kinder aus dem Haus waren.

Handtaschen sind wie Häuser!

Handtaschen und ein Ausmalbild | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Handtaschen mochte Ilinčevová eigentlich schon immer.

„Als Architektin halte ich sie für Kunstwerke. Sie sind das einzige Kunstwerk mit einem Innenleben! Eine Statue hat kein Innenleben, ein Gemälde auch nicht – Häuser aber schon! Gewissermaßen erinnern mich die Handtaschen also an meine Arbeit. So ein Haus ist aber recht groß, und wenn es sich die Leute anschauen, verlieren sie oft die Aufmerksamkeit. Eine Handtasche hingegen können sie in die Hand nehmen, öffnen, schließen, herumdrehen. Ich glaube das war einer der Gründe, warum ich begonnen habe, sie zu sammeln. Und in dem Innenleben finden sich auch kleine Taschen und darin oft Handspiegel oder Theaterkarten, manchmal auch ein Heiligenbild, Haarspangen oder ähnliches.“

So wurde Ilinčevová auch eine Handtasche übergeben, in der sich bis heute ein Brief aus dem Ersten Weltkrieg befindet. Gelesen hat sie ihn jedoch noch nicht, denn dafür sei noch nicht der richtige Moment gekommen, so die Sammlerin.

Eine Handtasche aus der Sammlung von Zuzana Ilinčevová | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Aus den Worten von Zuzana Ilinčevová lässt sich erahnen, dass es bei weitem nicht jede x-beliebige Handtasche in ihre Sammlung schafft. Die Objekte müssten etwa reparierbar sein, denn sonst könne man sie ja nicht ausstellen, so Ilinčevová. Doch es gibt noch weitere Kriterien:

„Für meine Sammlung kommen etwa Handtaschen in Frage, die einen besonderen Verschluss haben oder für die unterschiedliche Materialien wie Leder und mehrere Kunststoffe verarbeitet wurden. Auch Taschen mit einer interessanten Form ziehe ich in Betracht, oder wenn das Material besonders bearbeitet wurde. Ich habe mittlerweile gelernt, wie man die Lederstruktur anfertigt und wie überhaupt eine Handtasche entsteht. Da gibt es das Futter sowie eine Papierschicht, und das wird zusammengebracht… Oder die Taschen werden genäht. Man lernt einfach allerhand Neues, und unglaublich sind vor allem die Geschichten der Handtaschen.“

Bewegende und aufmunternde Berichte von Frauen

Genau um diese Geschichten geht es nun auch in Tábor. Für die Ausstellung hat Ilinčevová die Accessoires einiger bekannter Frauen aufgetrieben. Mitunter war das gar nicht so einfach, etwa bei der Kernforscherin und Politikerin Dana Drábová. Denn die war schwer beschäftigt, als Ilinčevová sie nach ihrer Handtasche fragte…

Der Rucksack von Dana Drábová | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

„Sie hat gesagt: ‚Na gut, aber ich habe gar keine Handtaschen.‘ Und nun war ich wieder ganz am Anfang. Dana Drábová meinte jedoch, sie könnte mir ihren Rucksack geben. Ich stimmte zu und sagte ihr, dass ich aber auch eine Geschichte zu dem Rucksack bräuchte. Sie sagte: ‚Das ist mein Arbeitsinstrument. Vielen Dank, auf Wiedersehen, ich muss jetzt los.‘ Und genauso haben wir ihre Geschichte aufgeschrieben. Ich habe nichts dazu ergänzt, denn ich finde, jeder hat ja einen anderen Lebensstil: Manch einer geht ins Theater oder ins Konzert, ein anderer schaut gern fern, und wieder ein anderer liebt es zu gärtnern. Von daher hat mir ihre Geschichte sehr gut gefallen.“

Jana Dubová und Zuzana Ceralová Petrofová | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Die meisten Frauen haben ihre Handtaschen als Leihgabe oder sogar dauerhaft überlassen. Neben über 40 Taschen aus Ilinčevovás Archiv werden zwölf Handtaschen mit den Geschichten ihrer Besitzerinnen gezeigt. Dazu zählt etwa die von Zuzana Ceralová Petrofová, die die Klaviermanufaktur Petrof leitet. Auch das Accessoire der Journalistin Terezie Kaslová, welche die Enkelin des bekannten Publizisten Ferdinand Peroutka ist, kann besichtigt werden. Ebenso ist die Schauspielerin Iva Hüttnerová vertreten.

Die Handtasche von Iva Hüttnerová | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Die Handtaschen stammen allesamt aus den letzten zwei Jahrhunderten. Die Trägerinnen werden in einem kurzen Lebenslauf vorgestellt. Und natürlich gibt es auch die Geschichten zum Ausstellungsobjekt. Mitunter sind die Berichte sehr ergreifend. Da ist etwa die Geschichte von Jana Dubová. Die heute 95-Jährige ist mit einer grauen, länglichen Handtasche in der Ausstellung vertreten. Dazu werden auch die passenden grauen Lederhandschuhe präsentiert. Die Geschichte dazu lautet wie folgt:

Erinnerung an die Mutter  (Handtasche von Jana Dubová) | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

„1940 wurden Jana und ihre Eltern ins KZ Theresienstadt deportiert. Zwei Jahre später kam es zur Deportation der ganzen Familie nach Auschwitz. Dort starb ihre Mutter, Edita Hellerová. Es folgte ein Aufenthalt im Arbeitslager Merzdorf. Nach dem Kriegsende und der Heimkehr besuchte Jana Dubová ein Gymnasium in Prag. Anschließend ging sie auf die Hochschule für Grafik und nahm eine Stelle beim tschechoslowakischen staatlichen Filmunternehmen an. Sie arbeitete später eher als freie Künstlerin. Ihre bekannteste Ausstellung trägt den Titel ‚Nezapomenu‘ (Ich vergesse nicht). In ihren Grafiken erinnert sich Jana Dubová an ihre Verwandten und ihre Reise durch den Holocaust. Ein Schicksal, das heute viele von uns anspricht. Diese Handtasche ist die einzige Erinnerung an ihre Mutter, die ihr geblieben ist.“

Japanische Handtasche von Yoshimi Yokoyama | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Doch es gibt auch fröhlichere Texte, etwa den von Yoshimi Yokoyama. Von ihr ist eine goldene Handtasche ausgestellt, aus Brokat und Seide. Ihre Geschichte lautet so:

„2005 habe ich diese Handtasche von meiner Mutter bekommen. Ich habe sie mitgenommen, als ich nach Tschechien gegangen bin, um Fotografie zu studieren. Es ist das luxuriöseste Geschenk, dass ich jemals erhalten habe. Heute lebe ich in Prag und in Tokio. Immer, wenn ich mir diese Handtasche zuhause in Prag anschaue, erinnere ich mich an meine Heimat Japan.“

Liebesbriefe, Motorräder, Glaskunst – und Handtaschen

Handtasche von Hiroko Takahashi | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Von den Vereinten Nationen wurde 2022 als Internationales Jahr des Glases ausgerufen. Deshalb arbeitet Zuzana Ilinčevová derzeit an einer thematischen Ausstellung, in der Glaskunst und Handtaschen gezeigt werden sollen. Schon früher hat Ilinčevová ihre Handtaschen in verschiedenen Kontexten gezeigt, so etwa in Ergänzung mit Liebesbriefen. Bei einer weiteren Exposition wurden die Exemplare gemeinsam mit Motorrädern in Szene gesetzt.

Die Galerie 140 in Tábor | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Die Handtaschen-Glas-Ausstellung ist nun für nächstes Jahr angesetzt. Den Besucherinnen und Besuchern wird sie dann sicherlich auch so viel Freude machen, wie die Ausstellung, die derzeit in Tábor zu sehen ist. Und genau das ist das Hauptziel von Zuzana Ilinčevová.

„Ich sammle die Handtaschen vor allem, damit die Menschen, die die Ausstellungen besuchen, daran Freude haben. Mir macht es Freude, die Taschen zu reparieren oder zu reinigen. Aber noch schöner ist es für mich, wenn ich sie ausstellen kann und sehe, wie die Augen der Besucher leuchten, wie ihnen die Exponate gefallen. Mitunter sagen sie dann: ‚Diese Handtasche hier hatte meine Oma auch.‘ Das ist für mich dann eine große Freude.“

Die Ausstellung „Die Handtaschen bedeutender Frauen und ihre Geschichten“ kann noch bis zum 2. September in der Galerie 140 in Tábor besucht werden. Der nächste kommentierte Rundgang mit Zuzana Ilinčevová findet am 20. August um 17 Uhr statt. Der Eintritt kostet 20 Tschechische Kronen (80 Eurocent). Weitere Informationen finden Sie auf der Website der städtischen Galerien Tábor unter: https://www.galerietabor.cz/pribehy-kabelek-vyznamnych-zen.

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