Rettung einer Legende: Ski-Schanzen in Harrachov könnten saniert und modernisiert werden
Einst war es das Symbol des tschechischen Skisprungs: das Schanzenareal im nordböhmischen Harrachov / Harrachsdorf. Doch die Skiflugschanze und ihre vier kleineren Nachbarn rotten seit mehreren Jahren vor sich hin. Schon längst droht der gänzliche Verfall. Aber seit neuestem gibt es einen Lichtstreif am Horizont. Denn der Verein, der das Sprungareal in dem Ort im Riesengebirge pflegt, hat einen Plan zur Revitalisierung der Schanzen.
Vor 39 Jahren stellte Pavel Ploc hier einen Weltrekord auf. Unter dem Jubel der Zuschauer flog der tschechische Skisprungstar auf 181 Meter. Die besten Zeiten des Areals sind indes längst vorbei. Vor acht Jahren wurde die Skiflugschanze geschlossen. Dasselbe Schicksal ereilte danach schrittweise auch die restlichen Sprunganlagen.
Stanislav Slavík schließt das Gatter auf, das den Weg auf den Sprungturm der sogenannten Mammutschanze versperrt. Er ist Leiter des gemeinnützigen Vereins, der sich heute um das Skisprungareal in Harrachov kümmert. Träger des Vereins sind das tschechische Olympische Komitee und der tschechische Skiverband.
„Wenn man die Skiflugschanze bei minimalen Kosten wieder in Betrieb nehmen wollte, müsste man zuvor einiges ausbessern. In jedem Fall müsste der Anlauf neu verkleidet werden. Zudem sind die Bretter der Aufsprungbahn gebrochen, diese braucht eine komplette Sanierung. Des Weiteren müsste das Profil der Schanze im Auslauf abgeflacht werden, sodass sie dem heutigen V-Stil entspricht. Doch das reicht nicht, eigentlich sollte die Schanze vergrößert werden, damit sie wieder konkurrenzfähig ist mit den vier anderen Skifluganlagen in Europa“, sagt Slavík.
Denn mammutartig ist die Schanze schon lange nicht mehr. In Oberstdorf im Allgäu und in Mitterndorf in der Steiermark wird über 240 Meter weit geflogen. Im slowenischen Planica und im norwegischen Vikersund sind es sogar mehr als 250 Meter. Der Rekord in Harrachov liegt hingegen nur bei 214,5 Metern. Die sogenannte Hillsize wird mit 210 Metern angegeben, doch die Konkurrenz bietet bereits 240 Meter.
Die letzte Skiflug-WM im Riesengebirge fand 2014 statt. Gold holte damals übrigens der Deutsche Severin Freund. Wie Stanislav Slavík betont, hat er bereits ein Konzept für ein neues Schanzenprofil ausgearbeitet. Die Finanzierung ist allerdings weiter ungeklärt. Deswegen möchte man sich zunächst um die nächstgrößte Sprunganlage kümmern – die Großschanze. Der Vereinschef:
„Diese Schanze steht beim tschechischen Skiverband hoch im Kurs. Er möchte dort gerne wieder Wettkämpfe sehen. Eines unserer Ziele ist daher, in wenigen Jahren zunächst wieder Veranstaltungen des Continental Cup dort auszurichten – und danach vor allem Weltcup-Springen.“
Wichtig ist jedoch, bald aktiv zu werden. Im April hatte Slavík bereits gegenüber der Presseagentur ČTK betont, dass die Statiker anmahnen, die Schanzen in Harrachov innerhalb der nächsten zwei Jahre auszubessern. Andernfalls drohe der komplette Verfall. Das wiederum könnte bedeuten, dass der Skisprung und die Nordische Kombination in Tschechien vor dem Aus stünden, so der Leiter des Areals.
Tatsächlich wirkt sich schon heute das Fehlen von Trainingsmöglichkeiten in Tschechien negativ aus. So konnten die männlichen Springer und Kombinierer in den vergangenen Jahren nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen, und die Frauen wurden in ihrer Entwicklung in beiden Sportarten ausgebremst.
Ein erstes positives Zeichen ist jedoch, dass auch der Stadtrat von Harrachov hinter der Idee einer Erneuerung der K-120-Sprungschanze steht. So sagte Vizebürgermeister Tomáš Vašiček (parteilos):
„Wir als Stadt haben jetzt gesagt, dass wir das Projekt über eine Beteiligung an den Kosten mitfinanzieren wollen. Je höher die Subventionen sind, um die sich der Verein bewerben will, desto mehr Beteiligung gibt es dann auch von der Stadt.“
Für den Erhalt der Skiflugschanze hofft die politische Führung in Harrachov indes auf Hilfe aus Prag. Ihren Vorstellungen nach soll der Ort zum „Nationalen Olympiastützpunkt für den Wintersport“ erklärt werden. Die vorangegangene Regierung von Premier Andrej Babiš (Partei Ano) hatte im Dezember 2019 eigentlich Investitionen dafür in der Höhe von insgesamt 500 Millionen Kronen (20 Millionen Euro) zugesagt. Ob auch das Kabinett von Nachfolger Petr Fiala (Bürgerdemokraten) hinter dem Plan steht, ist bisher nicht geklärt.