Kriegsverbrechen in der Ukraine: Polizei in Tschechien sammelt Zeugenaussagen, Fotos und Videos
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ist nunmehr fast ein halbes Jahr vergangen. Die russischen Kriegsverbrechen im Ort Butscha haben weltweit Entsetzen hervorgerufen. Doch auch in weiteren Dörfern und Städten ist es zu Straftaten gekommen. Diese aufzuklären, daran ist auch Tschechien beteiligt.
Niemand wisse über sie, im Fernsehen hätte man nicht über das Schicksal ihres Ortes berichtet, erinnert sich Ludmila. Sie stammt aus Wuhledar im Donbass in der Ukraine. Drei Monate habe sie sich im Keller eines Hauses verstecken müssen, ehe sie Ende Mai evakuiert werden konnte, berichtet sie in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks. Ludmila erzählt von der Zerstörung vor Ort und von niedergebrannten Wohnhäusern.
Kriegsverbrechen in der Ukraine, dazu zählen nicht nur niedergebrannte Wohnhäuser, sondern auch Folter, Vergewaltigung und das gezielte Töten von Zivilisten. Um Taten wie diese aufzudecken, ermittelt unter anderem die Polizeizentrale zur Bekämpfung organisierter Kriminalität (NCOZ) in Tschechien. Im Tschechischen Rundfunk informierte die Prager Oberstaatsanwältin Lenka Bradáčová über den aktuellen Stand der Ermittlungen:
„Die Polizei hat schon Dutzende Zeugen wegen des Krieges verhört. Wir sammeln sämtliche Informationen, die relevant sein könnten für eine potentielle europäische Datenbank mit Beweisen.“
In dieser europäischen Datenbank sollen allen EU-Staaten die Indizien zugänglich gemacht werden – ohne bürokratische Hürden. Die Zusammenarbeit ist laut Lenka Bradáčová auch noch aus einem weiteren Grund wichtig. Denn Beweise, die in Tschechien wenig relevant erscheinen, können der Polizei in einem anderen Land bei den Ermittlungen womöglich weiterhelfen.
„Natürlich schließt das nicht aus, dass die Polizei in Tschechien oder die Staatsanwaltschaft hierzulande selbst Ermittlungen durchführt“, sagt die Oberstaatsanwältin aber auch. „Sollte die Polizei genügend Beweise haben, wird sie umgehend die Strafverfolgung gegen einen konkreten Straftäter einleiten. Derzeit ist das aber nicht der Fall“, so Bradáčová.
Die tschechische Polizei sammelt aktuell nicht nur Zeugenaussagen, sondern auch Fotos und Videos, die die Kriegsverbrechen in der Ukraine belegen. Hinweise dieser Art können auch mithilfe eines Online-Formulars übermittelt werden, das auf Tschechisch, Russisch und Ukrainisch zur Verfügung steht. Jaroslav Ibehej ist Sprecher der Polizeizentrale zur Bekämpfung organisierter Kriminalität. Er sagt:
„Wir bevorzugen Augenzeugen, die eigene Fotos oder Videos zur Verfügung stellen können, welche konkrete Straftaten zeigen und noch nicht veröffentlicht wurden. Der Online-Fragebogen ist aber ebenso für Menschen gedacht, die keine direkten Zeugen von Kriegsverbrechen waren, aber Kontakt haben etwa zu Familienangehörigen in der Ukraine, die Informationen liefern können.“
In dem Online-Fragebogen werden persönliche Daten abgefragt sowie Informationen darüber, wann und wo es zu der Tat kam. Zudem können direkt Hinweise auf einen potentiellen Täter übermittelt werden. Ibehej sagt aber auch:
„Es handelt sich dabei nur um den Erstkontakt. Wenn wir bei der Auswertung des Fragebogens zu dem Schluss kommen, dass die Person weitere wichtige Informationen haben könnte, werden wir sie direkt kontaktieren.“
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