Premier Fiala: Tschechien wird Ukraine im Kampf gegen Russland weiterhin helfen
Seit sechs Monaten erleben die Bewohner der Ukraine tagtäglich Kriegsschrecken, die nicht aufhören. Russlands Krieg gegen die Ukraine war am Mittwoch auch das Thema einer Debatte, die vom öffentlich-rechtlichen Tschechischen Rundfunk ausgestrahlt wurde.
Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) hatte noch am Sonntag im Zusammenhang mit dem 54. Jahrestag der Okkupation der Tschechoslowakei durch die Warschauer-Pakt-Truppen angemerkt, dass der Ukraine weiterhin geholfen werden müsse. Denn seinen Worten zufolge geht es bei ihrer Verteidigung gegen den Angriff Russlands auch um die Sicherheit Tschechiens. Zu seinen Vorstellungen über die weitere Unterstützung der Ukraine sagte der Premier am Mittwoch in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Wir müssen die Ukraine weiterhin mit Lieferungen von Militärmaterial sowie mit humanitärer Hilfe unterstützen. Zudem müssen wir uns auf den Wiederaufbau der Ukraine nach Krieg vorbereiten. Es ist dringend notwendig, der Ukraine unter Arme zu greifen in ihrem Widerstand gegen den Aggressoren, der in großer Überzahl ist. Russland muss erkennen, dass es sich nicht lohnt, diesen Weg in den internationalen Beziehungen zu gehen.“
Mit Blick auf die internationale Unterstützung der Ukraine merkte Petr Fiala an, er habe nicht das Gefühl, dass die Hilfe von den EU-Ländern nachlassen würde:
„Alle sind sich der großen Gefahr bewusst, die die russische Aggression darstellt. Genauso sehen wir alle die Folgen des Kriegs – dass Putin nämlich einen Krieg über die Energielieferungen und Energiepreise führt. Diese Tatsachen stärken die Entschlossenheit der EU-Länder, sich gegen Russlands Aggression zu stellen.“
Der tschechische Premier war im März einer der ersten ausländischen Politiker gewesen, die Kiew besuchten. Er sei weiterhin regelmäßig mit seinen ukrainischen Kollegen – konkret mit Präsident Wolodymyr Selenskyj sowie Premier Denys Schmyhal – in Kontakt, erklärte Fiala:
„Wir sprechen darüber, was wir unternehmen sollten, um der Ukraine wirklich zu helfen. Zudem schließen wir uns den Debatten über den Wideraufbau der Ukraine nach dem Krieg an. Tschechien bemüht sich, darauf gut vorbereitet zu sein.“
Laut Fiala gibt es Überlegungen, in Zusammenarbeit mit den EU-Ländern sowie den USA, Kanada und Japan mit dem Wiederaufbau schon während des Konflikts zu beginnen:
„Es handelt sich beispielsweise um die Instandsetzung von Schulen und Krankenhäusern. Wir würden uns alle wünschen, dass der Krieg schon in diesem Jahr und mit dem Sieg der Ukraine endet. Wir hoffen, dass sich Russlands aggressive Pläne am Ende nicht erfüllen.“
Viele Familien aus der Ukraine haben in den zurückliegenden sechs Monaten Zuflucht in Tschechien gefunden. Innenminister Vít Rakušan (Bürgermeisterpartei Stan) hat die aktuellen Statistiken für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks zusammengefasst:
„Die Tschechische Republik weist pro Kopf die höchste Zahl der Ankommenden aus der Ukraine auf. Das Schutzvisum wurde an fast 420.000 Menschen ausgegeben. Nach qualifizierten Schätzungen haben 20 bis 25 Prozent von ihnen das Gebiet Tschechiens schon wieder verlassen. Die überwiegende Mehrheit der Rückkehrer hat den vorübergehenden Schutzstatus aber nicht aufgegeben. Nach unseren Annahmen leben in Tschechien derzeit etwas mehr als 300.000 Menschen aus der Ukraine.“
Und was ist das größte Problem, mit dem sich Tschechien im Zusammenhang mit dem Aufenthalt der Flüchtlinge auseinandersetzen muss?
„Die größte Herausforderung ist das Wohnen – und dies in langfristiger Hinsicht, weil der Krieg noch nicht zu Ende ist. Die tschechischen Bürger verweisen die Ukrainer natürlich nicht aus ihren Wohnungen, unter anderem dank der staatlichen Förderpolitik. Aber es gibt viele private und staatliche Einrichtungen, die auch in den nächsten sechs Monaten freigestellt werden müssen. Das ist das größte Problem, mit dem sich auch unsere Koordinierungsgruppe für die Ukraine beschäftigt.“
In den nächsten Monaten würden viele Tausend Menschen nach einer neuen Bleibe suchen, sagte Rakušan:
„Die Regierung hat darauf mit einem Förderprogramm für Städte und Gemeinden zur Errichtung neuer Unterkunftsmöglichkeiten reagiert. Da die Menschen aus der Ukraine auch auf dem Arbeitsmarkt aktiv sind und Geld verdienen, informieren und motivieren wir sie, sich selbst Mietwohnungen zu suchen.“
In der Ukraine sind seit Monaten nicht nur zahlreiche tschechische Freiwillige, sondern auch mehrere Medienvertreter tätig. Zu ihnen gehört der Sonderberichterstatter des Tschechischen Rundfunks, Martin Dorazín. Über seine Erwartungen von vor sechs Monaten sagte der Journalist in den Inlandssendungen:
„Wir konnten uns nicht vorstellen, wie lange der Krieg dauert und wozu Russland imstande sein würde. Das haben wir in Butscha, Irpin, Hostomel, Charkiw und natürlich auch in Mariupol gesehen. Mariupol wurde vernichtet und ist etwa mit Stalingrad zu vergleichen. Die Stadt hat sich in Ruinen verwandelt. Ich habe nicht damit gerechnet, dass so viele Geflüchtete nach ganz Europa strömen werden. Niemand hat geahnt, dass es zu Kriegsverbrechen kommt, die es in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gab. Was sich jedoch inzwischen nicht geändert hat, ist unsere Unwissenheit, wann es zu einem Wendepunkt kommt. Das Kriegsende ist unabsehbar. Auch dies gehört zu der Bilanz der letzten Monate.“
Martin Dorazín zufolge hält die ukrainische Gesellschaft stark zusammen. Ein Problem stellt nach seinen Worten immer noch ein Mangel an Waffen dar, trotzdem dass sich die Versorgung schon verbessert habe:
„Als ich vor kurzem mit Soldaten gesprochen habe, die sich ein paar Tage von der Front ausruhten, sagten sie alle, es mangele an Waffen. Trotzdem betonten sie ihre Entschlossenheit, das Land zu verteidigen, denn die Bevölkerung unterstütze sie.“