Premier Fiala: Trumps neue Weltordnung verlangt verteidigungs- und konkurrenzfähigere EU
Der tschechische Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) hat am Montag eine außerordentliche Ansprache gehalten. Hintergrund waren der dritte Jahrestag des russischen Kriegs gegen die Ukraine und die neue Außenpolitik der USA nach dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump.
Gut elf Minuten lang sprach Premier Fiala am Montagnachmittag zu den tschechischen Bürgern. Die Rede wurde live übertragen, unter anderem im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (ČT). Als außerordentliche Ansprache hatte Fiala seine Ausführungen angekündigt. Er wisse, dass die internationale Lage viele Menschen im Land beunruhige, sagte der Regierungschef. Selbst wolle er aber lieber von neuen Herausforderungen sprechen, meinte Petr Fiala und erläuterte:
„Die internationale Ordnung, also so etwas wie die ungeschriebenen Regeln, an denen sich die Beziehungen zwischen den einzelnen Staaten der Welt orientieren, durchläuft in diesen Tagen den größten Wandel seit dem Fall des Kommunismus zu Ende der 1980er und Beginn der 1990er Jahre.“
Die Grundlagen für diese internationale Ordnung seien jedoch schon nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt worden und hätten auf einer starken Rolle der USA beruht, so der tschechische Premier. Der neue US-Präsident Trump hätte nun aber sich entschieden, die Außenpolitik seines Landes grundlegend zu verändern, sagt Fiala:
„Die Geschwindigkeit, der Nachdruck und die Rhetorik, mit der das geschieht, ist sicher überraschend. Aber die Abkehr der USA von der Konzentration auf Europa sollte uns nicht erstaunen, sie hat schon mindestens vor zehn Jahren eingesetzt.“
Zugleich sieht Fiala die USA weiter als Partner, allerdings unter anderen Vorzeichen…
„Man muss sich daran gewöhnen, dass dieser Partner uns offen eines klarmacht: Die Zeit ist gekommen, dass die europäischen Staaten sich selbst um ihre Probleme kümmern. Und da geht es nicht nur um Verteidigung und Sicherheit, sondern auch um wirtschaftliche Zusammenarbeit und die internationalen Beziehungen.“
In der Ansprache skizzierte darauf Premier Fiala, was aus der Sicht Tschechiens als mittelgroßem EU-Land getan werden müsste. Dabei strich er heraus, dass man hierzulande aufgrund der Erfahrungen von Kommunismus und der sowjetischen Besatzung ab 1968 die Gefahr genau kenne, die von Russlands Großmachtambitionen ausgehe. Nur durch Nato- und EU-Mitgliedschaft, europäische Verteidigungszusammenarbeit und entsprechende Ausgaben könne die Sicherheit Tschechiens garantiert werden.
„Unser wichtigstes Ziel muss nun ein starkes Europa sein, das in der Lage ist, Russland von weiteren militärischen Angriffen auf souveräne Staaten des Kontinents abzuschrecken. Und es ist gut, das genau heute zu betonen – da wir an den dritten Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine erinnern“, so der Premier.
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Als wichtigste Maßnahme schlägt Petr Fiala vor, die Rüstungsausgaben innerhalb weniger Jahre auf mindestens drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen – und die Gelder auch sinnvoll einzusetzen. Dafür fordert der tschechische Regierungschef, die Fiskalpolitik in der EU zu ändern:
„Zum Beispiel sollten die nicht genutzten 93 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds zur Verstärkung unserer Verteidigungsfähigkeit genutzt werden und zur Unterstützung gemeinsamer Anschaffungen unserer Armeen oder zum Ausbau der kritischen Infrastruktur. Außerdem müssen wir die eingefrorenen russischen Vermögen aus ganz Europa dafür nutzen, der Ukraine weiter militärisch zu helfen.“
Fiala bezeichnete die zusätzlichen Ausgaben als große Gelegenheit für Tschechien, angesichts der traditionell starken Rüstungsindustrie hierzulande. Er wies auch auf den positiven konjunkturellen Effekt durch Investitionen in diesem Bereich hin.
Zugleich forderte der tschechische Regierungschef, die Wirtschaft der EU wieder auf einen Wachstumskurs zu bringen – weil anders weder Wohlstand noch Sicherheit gewährleistet werden könnten. Das bedeute eine Deregulierung, so Fiala – und nahm auch die Klimaziele aufs Korn:
„Es geht mir nicht nur darum, dass die Bürokratie eingeschränkt wird. Sondern es muss auch das ganze Konzept des Green Deals und der Dekarbonisierung überprüft werden. Wenn wir das nicht tun, werden wir auf der neuen internationalen Szene zu einem Industriemuseum, das nicht mehr konkurrenzfähig ist. Und das wäre ein Fehler, der nicht verziehen werden könnte.“
Fiala bezeichnet seine Sichtweise als realistisch und verantwortungsvoll. Würden auf dieser Grundlage rechtzeitig entsprechende Entscheidungen getroffen, könne man gestärkt aus den derzeitigen Prüfungen herausgehen, so der Premier.
Erste Reaktionen sowohl der Regierungspartner als auch oppositioneller Parteien vom Montag gingen dahin, dass sie die Forderung nach mehr Rüstung in Tschechien und Europa größtenteils unterstützen. Allerdings bezweifelten zum Beispiel die Vertreter der Partei Ano, dass dies das konservativ-liberale Kabinett von Fiala zu leisten imstande sei. So sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Karel Havliček:
„Das ist nicht durchdacht. Es geht ja nicht nur um den Anteil am Bruttoinlandsprodukt, sondern vor allem darum, was mit dem Geld gekauft wird, wie transparent die Ausschreibungen sind und wie effektiv die Mittel angelegt werden – und wie groß die tschechische Industrie an den Rüstungsaufträgen beteiligt sein wird.“
Fiala betonte in seiner Rede noch, dass er innerhalb Europas einige Partner für seine Vorstellungen einer verteidigungs- und konkurrenzfähigeren EU sehe.