König der Jazzoperette in der Staatsoper: Paul Abrahams „Ball im Savoy“
Der Komponist Paul Abraham wurde einst „König der Jazzoperette“ genannt. Im Rahmen des deutsch-tschechischen Projekts „Musica non grata“ wird in der Prager Staatsoper eine Neuinszenierung von Abrahams Operette „Ball im Savoy“ aufgeführt. Martina Schneibergová traf vor der Generalprobe mit einigen der mitwirkenden Künstler zusammen.
Als Paul Abraham (1892–1960) 1932 in Berlin die Operette „Ball im Savoy“ schrieb, war er ein populärer und viel gefragter Komponist. Zuvor feierte er mit den Operetten „Viktoria und ihr Husar“ und „Blume von Hawaii“ große Erfolge. Der „Ball im Savoy“ wurde im Dezember 1932 im Großen Schauspielhaus in Berlin uraufgeführt. Das Stück, das Abraham gemeinsam mit den Librettisten Alfred Grünwald (1884–1951) und Fritz Löhner-Beda (1883–1942) schuf, wurde bald auch im damaligen Neuen deutschen Theater in Prag gespielt. Auf dieselbe Bühne – in die heutige Prager Staatsoper – kehrt die Jazzoperette nach 89 Jahren nun wieder zurück. Die Dramaturgin der Staatsoper, Jitka Slavíková, sagte, die drei berühmtesten Operetten von Paul Abraham seien in den 1930er Jahren alle in Prag gespielt worden:
„Alle drei Erfolgsstücke wurden hier 1932, 1933 und 1934 aufgeführt. Die Rezensionen waren sehr positiv. Im Neuen deutschen Theater wechselten die Inszenierungen sehr oft und blieben nicht lange im Repertoire. Aber jede der drei Operetten von Abraham hatte mindestens 20 Reprisen. Das zeugt schon davon, dass sie Volltreffer waren. Ich möchte betonen, dass alle drei Stücke von neuen Künstlern des Neuen deutschen Theaters einstudiert wurden, die der damalige Theaterdirektor Paul Eger engagiert hatte. Regie hatte Renato Mordo, das Bühnenbild entwarf Emil Pirchan. Er stammte aus Brünn und war ein international anerkannter Szenograf. Er war Ausstattungschef des Neuen deutschen Theaters. Dirigent war Paul Komlós.“
Die Dramaturgin freut sich über die Wiederaufnahme von Abrahams Operette ins Repertoire.
„Das Stück gehört in dieses Opernhaus. Denn Abraham war ein namhafter Komponist des Neuen deutschen Theaters. Eigentlich sind wir ihm das schon seit Jahren schuldig. Es ist super, dass wir ihm auf diese Weise huldigen können.“
Kurz nach der Premiere des „Balls im Savoy“ in Berlin ergriffen die Nationalsozialisten die Macht. Dies bedeutete eine Tragödie nicht nur für Paul Abraham, sondern für alle jüdischen Künstler. Abrahams Werke wurden in Deutschland verboten und er war gezwungen, das Land zu verlassen. Zuerst zog er nach Ungarn, anschließend nach Paris und von dort aus flüchtete er mit einer Zwischenstation auf Kuba in die USA. Der „König der Jazzoperette“, wie er in den 1930er Jahren genannt wurde, hatte ein trauriges Schicksaal, er verbrachte die letzten 14 Jahre seines Lebens in verschiedenen psychiatrischen Kliniken.
Trotz der bewegten Zeit, in der der „Ball im Savoy“ entstanden ist, enthält das Stück viel Humor und erinnert an die alten naiven Filmkomödien. Der slowakische Regisseur Martin Čičvák sieht jedoch viel mehr in Abrahams Operette:
„Die Multigenrestücke und der Eklektizismus sind gefragt, aber nicht die Postmoderne, die interessiert niemanden mehr. In diesem Spektrum von Genres wird nach einer kristallreinen Sprache gesucht, die alles zu einem nicht banalen Ganzen verbindet.“
„Alle Genres sind darin enthalten: von der Oper bis zu einem schwierigen Schauspiel, das selbst den Schauspielern, nicht nur den Sängern, Probleme macht. Es gibt da große Jazzauftritte oder sogar Musicalsongs und nicht zuletzt auch anspruchsvolle Tanzszenen. Ich würde das Operettengenre gar nicht unterschätzen. Dazu möchte ich jedoch Folgendes bemerken: Als ich nach dem Studium in Brünn zu arbeiten begann, wurde dort gerade das Operettenensemble aufgelöst. Ich erinnere mich daran, dass wir die dortigen Operettenvorstellungen für recht überholt hielten – sie kamen uns vor wie aus einer Mottenkiste. In der Gegenwart merke ich, dass meine jungen Kollegen im Ausland, darunter auch in Deutschland, viele Operetten aufführen. Das soziale Klima ist günstig dafür. Die Multigenrestücke und der Eklektizismus sind gefragt, aber nicht die Postmoderne, die interessiert niemanden mehr. In diesem Spektrum von Genres wird nach einer kristallreinen Sprache gesucht, die alles zu einem nicht banalen Ganzen verbindet.“
In der Geschichte, die im „Ball im Savoy“ geschildert wird, sieht der Regisseur seinen Worten zufolge eine Story voll Leidenschaft. Zentral ist dabei der Kampf einer Frau, die betrogen wurde und eine Geste der Rache begeht.
„Es ist ein Me Too-Fall, ein feministisches Thema, das die Gesellschaft beeinflusst. Es wird dort übrigens unter den Fenstern demonstriert.“
Musikalisch studierte die Operette der Dirigent, Komponist und Pianist Jan Kučera ein. Die Musik von Paul Abraham habe er vorher nicht gekannt, er habe sie erst aufgrund des Projektes kennengelernt, so der Musiker.
„Ich muss zugeben, ich habe mich gleich in die Musik verliebt und ließ mich von ihr tragen. Seit der ersten Probe verliebten sich alle Mitwirkenden in das Stück; wir stehen mit den Melodien auf und gehen mit der Musik schlafen.“
Abraham habe die Gabe gehabt, energievolle Lieder zu schreiben, die sehr einprägsam seien, merkt der Dirigent an. Was alles findet sich in der Musik? Jan Kučera:
„Es sind dort verschiedene Tänze zu erkennen: Tango, Passo Doble, Foxtrot, Slowfox und Waltz. Jazz war für die Zwischenkriegszeit typisch. Abraham nutzt alle diese Elemente. Im Orchester finden sich einige Gitarrensorten, zwei Banjos, eine Mandoline, ein historisches Schlagwerk aus den 1930er Jahren. Zudem erklingen Marimba, Vibrafon, Xylophon und weitere Instrumente, die gut mit den Streichern zusammenpassen.“
Das Bühnenbild entwarf der österreichische Bühnenbildner und Regisseur Hans Hoffer. Während der Generalprobe ist das folgende Interview mit dem Künstler entstanden:
Herr Hoffer, was war für Sie bei der Bühnengestaltung der Operette „Ball im Savoy“ am wichtigsten?
„Am wichtigsten war eigentlich, dass die Gattung Operette für mich gar nicht so alltäglich ist. Ich habe in meiner ganzen Karriere nur drei Operetten gemacht. Ich kenne natürlich den alten Film. Der hat mich sehr beeindruckt. Dann war noch die Zusammenarbeit mit dem Regisseur wichtig. Wir sind zu einem Ergebnis gekommen, dass sich ein bisschen abseits vom Kitsch bewegt. Immerhin ist es die erste Jazzoperette. Das Stage-Design ist entsprechend der Zeit auch etwas kühner, als man es in der Operette gewohnt ist.“
Mit Regisseur Martin Čičvák haben Sie schon einige Male zusammengearbeitet, unter anderem bei einer Opernvorstellung in Prag – das war Verdis „Macbeth“. Aber eine Operette ist für Sie beide vermutlich etwas Neues…
„Eine Operette ist etwas völlig Anderes. Aber wir haben sie sehr ernst genommen, würde ich sagen. Und es steckt in jeder Operette nicht nur das Oberflächliche, die Präsentation der Figuren, sondern es gibt dahinter auch eine gewisse Traurigkeit. In diesem Stück tritt eine starke Frau auf, das war von Paul Abraham und seinen Librettisten damals eine sehr moderne Idee. Ich komme aus Wien, und in Wien wird die Operette immer noch sehr hochgehalten. Aber sie hat eigentlich sehr wenig ästhetischen Fortschritt gemacht. Ich würde sagen, dass man diese Gattung heute anders lesen kann. In der ,leichten Muse‘ stecken oft gar nicht so leichte Geschichten.“
Inwieweit haben Sie das Bühnenbild dem Raum der Staatsoper angepasst?
„Ich kenne die Räume von Fellner und Helmer natürlich sehr gut. Denn die beiden bauten Theatergebäude in der ganzen Monarchie. Ich habe die Räumlichkeiten unterschiedlich genutzt. In diesem Fall stelle ich eher einen Kontrast her. Denn die Architektur des Hauses hat etwas vom Operettenflair – mit Gold und Weiß und nackten Damen und so weiter. Auf der Bühne herrscht eher ein Feeling von neuer Sachlichkeit. Wir haben versucht, das auf geometrische Grundformen zu konzentrieren und nicht Dekor zu machen. Das gibt es schon im Zuschauerraum und außerdem sind die Menschen, die kommen, nicht Dekor, sondern das schönste Beiwerk des Theaters. Ohne die Zuschauer können wir nichts machen.“
Die erste Premiere von Paul Abrahams Operette „Ball im Savoy“ findet am Freitag, 16. September um 19 Uhr in der Staatsoper statt, die zweite Premiere am Sonntag, 18. September. Für beide Vorstellungen gibt es noch Restkarten. In dieser Spielzeit wird mit 18 Reprisen des Stücks gerechnet.