Mahnmal erinnert an jüdische Grabsteine, die für Prager Straßenpflaster missbraucht wurden

Auf dem alten jüdischen Friedhof im Prager Stadtteil Žižkov wurde Anfang September ein Mahnmal enthüllt. Es heißt „Návrat kamenů“ (Rückkehr der Steine) und besteht aus ehemaligen Grabsteinen des Friedhofs. Diese wurden zu kommunistischen Zeiten zu Pflastersteinen gehauen und auf dem Prager Wenzelsplatz in den Bürgersteig verbaut.

Karol Ephraim Sidon,  Jaroslav Róna und František Bányai | Foto: Jekatěrina Hertzmann,  Radio Prague International

Mit einem Gebet des Oberrabbiners in Tschechien, Karol Sidon, wurde das Mahnmal enthüllt. Zusammengesetzt ist es aus ehemaligen jüdischen Grabsteinen, die ab den 1970er Jahren in der kommunistischen Tschechoslowakei dazu verwendet wurden, um den unteren Teil des Wenzelsplatzes neu zu pflastern.

Die Jüdische Gemeinde in Prag machte den Magistrat vor einigen Jahren auf diese traurige Geschichte aufmerksam. Als dann 2020 die geplanten Erneuerungsarbeiten auf dem Wenzelsplatz begannen, fanden die Bauarbeiter rund 6000 solcher Steine. Die Stadt gab diese anschließend zurück. Dazu Kultur-Bürgermeisterin Hana Třeštíková (Praha sobě) bei der Enthüllung des Mahnmals:

František Bányai,  Hana Třeštíková und Lucie Rónová | Foto: Jüdische Gemeinde Prag

„Für die Stadt ist vor allem wichtig, dass es endlich zur Wiedergutmachung gekommen ist. Ich denke, nur wenige Prager wussten, dass sie im Zentrum der Stadt über Grabsteine gegangen sind. Durch den enormen Einsatz der Jüdischen Gemeinde konnte diese Ungerechtigkeit nun beseitigt werden.“

Für das Mahnmal startete die Jüdische Gemeinde vor einigen Monaten eine Crowdfunding-Aktion. František Bányai ist Vorsitzender der Gemeinde:

„Eigentlich war meine Idee, dass jeder Prager, der über die Steine gegangen ist, eine Krone spenden könnte. Das hätte problemlos für die Finanzierung gereicht. Aber so war das nicht möglich. Deswegen habe ich die Crowdfunding-Kampagne gestartet. Durch sie haben wir ein Viertel der Kosten decken können.“

Rückkehr der Steine | Foto: Jüdische Gemeinde Prag

Das Mahnmal „Rückkehr der Steine“ entworfen und geschaffen haben der Bildhauer Jaroslav Róna und seine Frau Lucie. Sein Werk solle an die Ruinen eines Tempels erinnern, sagte der Künstler gegenüber Radio Prag International…

„Der Mittelpunkt des Mahnmals stellt eine konvexe Linse dar. Sie soll Gottes Auge symbolisieren. Die Mauern rundherum sind die physische Welt, die aber schrittweise verfällt. Deswegen werden sie nach innen kleiner. Die Zahl der Mauern ist neun. Die höchste von ihnen zeigt nach Jerusalem. In der Kabbala bedeutet die Neun den Übergang von der geistlichen zur physischen Welt und umgekehrt. Genau das entspricht auch diesem Ort der letzten Ruhe.“

Konvexe Linse - Gottes Auge | Foto: Jekatěrina Hertzmann,  Radio Prague International

Jaroslav Róna hat seinen Aussagen nach erstmals überhaupt mit Pflastersteinen gearbeitet. Und das sei körperlich ziemlich anstrengend gewesen, gesteht der Bildhauer:

„Ich wusste nicht, dass sich Pflastersteine nicht vermauern lassen wie Ziegel. Hätte ich die Steine mit Mörtel zusammengefügt, würden die Mauern in ein paar Jahren auseinanderfallen. Das heißt, ich habe in jeden Stein ein Loch gebohrt und einen Eisendraht verankert. Dieser ist verbunden mit einer Eisenkonstruktion im Inneren jeder Mauer.“

Foto: Amt den Stadtviertel Prag 1

Das Mahnmal besteht aus ungefähr der Hälfte der Grabsteine, die im Pflaster des Wenzelsplatzes bisher gefunden wurden. Jaroslav Róna plant jedoch, sein Werk noch zu ergänzen und so auch die restlichen Steine zu Kunst werden zu lassen.

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