Brünn und Hamburg im Vergleich: Wie werden öffentliche Daten für die Stadtplanung genutzt?

Brno

Daten sind eine sensible Angelegenheit. Öffentliche Daten können allerdings sehr nützlich sein. Um einen verantwortungsvollen und konstruktiven Umgang mit ihnen geht es beim alljährlichen Prague City Data Congress, kurz PCDC. Die internationale Konferenz thematisiert die Aufarbeitung und Nutzung öffentlicher Daten im Bereich Stadtplanung und Verwaltung. Im September fand sie zum vierten Mal statt, und die Schwerpunkte des zweitätigen Symposiums waren diesmal Mobilität, öffentlicher Raum und Klimawandel. Bei einer der Podiumsdiskussionen wurde verglichen, wie die jeweiligen Stadtverwaltungen im südmährischen Brno / Brünn und im norddeutschen Hamburg offen zugängliche Daten für ihre Tätigkeiten nutzen.

Hamburg | Foto: Alchemist-hp,  Wikipedia Commons,  CC BY-SA 3.0

Hamburg ist eine der Partnerstädte von Prag. Nicht nur deswegen war es wohl an der Zeit, dass sich der norddeutsche Stadtstaat auf dem diesjährigen Prague City Data Congress nun auch einmal präsentierte. Und dies in Person von Laura Buettner, die im Amt für IT und Digitalisierung bei der Hamburger Senatskanzlei arbeitet. Im Gespräch mit Radio Prag International erläuterte sie, warum Daten überhaupt für die Stadtplanung relevant sind:

„Daten sind immer die Basis für Entscheidungsmacher. Um valide, nachhaltige Entscheidungen treffen zu können, braucht man die richtigen und auch gute Informationen. Es geht uns nicht darum, auf Teufel komm raus alle Daten abzusaugen, sondern um eine gute Datenqualität und Aufarbeitung.“

PCDC 2022 | Foto: Prague City Data Congress Facebook

Zusammen mit Buettner saß Martin Dvořák auf dem Podium des Kongresses. Er leitet das Referat für öffentliche Daten beim Magistrat von Brno / Brünn. Im Interview widersprach er zunächst dem Eindruck, dass seine Branche eigentlich noch recht neu sei:

„Ich würde hingegen behaupten, dass sie gar nicht mehr so jung ist. Es ist immerhin schon sieben Jahre her, dass in Tschechien offene Daten in das Gesetz 106 aufgenommen wurden und der Nationale Open-Data-Katalog entstand. Die öffentliche Verwaltung arbeitet also hierzulande schon seit 2015 mit offenen Daten.“

Laura Buettner und Martin Dvořák,  PCDC 2022 | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

Und dies dient nicht nur der Vereinfachung und Vereinheitlichung der Entscheidungsprozesse. Dvořák nennt noch einen weiteren positiven Effekt:

„Dadurch erhöht sich die digitale Kompetenz der Bevölkerung. Es findet einfach ein gewisser Fortschritt statt, der über Worddateien, PDFs und Excel-Tabellen hinausgeht und zu Formaten führt, die die Menschen weiterbringen. Dazu tragen die Datenverarbeitung und allgemeine Digitalisierung bei.“

Vor allem komme es darauf an, fährt Dvořák fort, den Menschen die Einsicht in und die Anwendung von Daten zu erleichtern. Dies tun die Stadtverwaltungen sowohl von Brünn als auch von Hamburg in Form von öffentlich zugänglichen Datenbanken. Um das Leben in der Stadt besser organisieren zu können, geben die Portale Auskunft darüber, wo sich etwa Container zur Mülltrennung befinden, wo die nächste Kita oder Pflegeeinrichtung liegt oder wo man zu welchem Preis parken kann. Etwa ein Drittel der aktuell 140 Datensets im Brünner Onlineportal betreffe den Bereich Verkehr, informiert Dvořák. Und genutzt werde es vor allem von Fachleuten zu Arbeitszwecken sowie von Studierenden:

„Täglich haben wir auf der Datenplattform etwa 100 bis 150, manchmal auch 200 Zugriffe. Das hängt sehr von den Themen ab, die wir gerade präsentieren oder hervorheben. Manche Daten sind mehr und manche weniger attraktiv. Wenn wir etwa Informationen aus dem Bereich Verkehr veröffentlichen, stößt dies immer auf größeres Interesse. Oder vor den gerade stattgefundenen Wahlen haben wir ein Datenset zu den Abstimmungen im Stadtparlament aufbereitet. Dazu gab es auch eine passende App, die die Zahlen visualisiert hat.“

Martin Dvořák,  PCDC 2022 | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

Gut aufbereitete Daten erhöhen digitale Kompetenz der Bevölkerung

Gerade solche übersichtlichen Infografiken würden dazu beitragen, eine möglichst breite Öffentlichkeit für das Portal der Stadtverwaltung zu interessieren, so Dvořák weiter. Ebenso ziele es aber auf Politiker und Unternehmer ab. Sein Amt sehe sich dabei vor allem als eine Art Manager, der die Daten findet und zur Verfügung stellt. Danach sei es an den Nutzern, so betont Dvořák, diese für die Stadtentwicklung – also für Bauvorhaben oder andere Projekte – einzusetzen.

In Hamburg hingegen habe man einen nachfrageorientierten Ansatz, berichtet Laura Buettner. Die Zielgruppen seien in etwa die gleichen. Aber gerade in der Zusammenarbeit mit Senat, Ministerien und anderen Verwaltungseinrichtungen reagiere das IT-Amt auf aktuelle Themen und stelle dafür die Daten zur Verfügung. Auf diese Weise gestalte sich ihre Arbeit sehr dynamisch, sagt Buettner, und es gebe keine Strategie, die die Inhalte vorschreibe. Trotzdem bestünden viele Parallelen zum Brünner Onlineportal:

„Wir arbeiten ebenfalls mit einer Datenplattform, in der man viele verschiedene Informationen einsehen kann. Daran beteiligt sich in verschiedenen Formaten auch die Zivilgesellschaft. So gibt es etwa das Projekt ‚Mundraub‘, in dem man Daten findet, wo etwa Apfel- oder Kirschbäume stehen, die man frei abernten kann. Alles dies wird verfügbar gemacht über unser Masterportal.“

Laura Buettner,  PCDC 2022 | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

Derzeit lägen die inhaltlichen Schwerpunkte in Hamburg auf Umweltthemen und den SDGs, also den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung, aufgesetzt von den Vereinten Nationen. Diese finden auch in Brünn Berücksichtigung. Vor allem im Sommer werde die Datenbank mit Themen zum Klimawandel gefüttert, erläutert Martin Dvořák. Eine Temperaturkarte weise zum Beispiel die Erhitzung der Erdoberfläche auf dem Stadtgebiet aus. Und eine weitere Darstellung dokumentiere die Intensität der Sonneneinstrahlung:

„Die Karte zeigt, wie viele Kilowattstunden Sonnenenergie auf den Dächern und dem ganzen Gebiet der Stadt eingefangen werden können. Der Schwerpunkt liegt aber auf den Gebäuden. Der Nutzer kann jedes einzelne anklicken, sich die Statistiken zur Sonneneinstrahlung anschauen und daraufhin entscheiden, ob die Installierung einer Solaranlage sinnvoll wäre.“

Dieser Datensatz ist in Kooperation mit CzechGlobe entstanden, dem Forschungsinstitut für globale Veränderungen an der tschechischen Akademie der Wissenschaften. Mit der Karte hat sich der Brünner Magistrat im Übrigen dem Konvent der Bürgermeister angeschlossen, einem Zusammenschluss, der sich für eine Reduzierung der Kohlenstoffemissionen um 40 Prozent bis 2030 einsetzt.

Martin Dvořák,  PCDC 2022 | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

Hamburger hat seit 2012 Transparanzgesetz

Im Gegensatz dazu sei in Brünn die Zusammenarbeit mit Unternehmen oder auch zivilgesellschaftliche Gruppen noch nicht sehr weit fortgeschritten, räumte Dvořák bei der Podiumsdiskussion ein. Viele Organisationen oder potentielle Partner würden nur wenige Daten teilen – auch wenn diese nicht durch die Datenschutz-Grundverordnung (GDPR) gedeckt werden und eigentlich öffentlich zugänglich sein sollten. Das Hamburger IT-Amt hingegen könne sich auf eine entsprechende gesetzliche Grundlage stützen, erwähnt Laura Buettner:

Laura Buettner,  PCDC 2022 | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

„Ich glaube, Brünn hat eine ähnliche Herangehensweise gewählt wie wir. Aber Hamburg hat den Vorteil, dass es dort das Transparenzgesetz gibt, und das schon sehr lange. Wir reden in Hamburg nicht von ‚offenen Daten‘ oder Open Data, sondern eher von Transparenz.“

Das besagte Transparenzgesetz wurde 2012 von der Hamburgischen Bürgerschaft verabschiedet, um Verwaltungsprozesse sichtbar zu machen. Dies sei, so Buettners Einschätzung, in Deutschland ziemlich einzigartig. Und entsprechend trägt die Datenbank der Stadtverwaltung dann auch den Namen „Transparenzportal“. Es sei eine wichtige Grundlage für die Interaktion zwischen den einzelnen Ministerien, den städtischen Einrichtungen wie den Wasserwerken sowie anderen Institutionen, erläutert Buettner. Zudem erreiche man damit, dass der Zugang und der Umgang mit Daten vereinheitlicht werden.

Dies alles habe Vorbildcharakter, lobt Martin Dvořák:

„Inspirieren lassen können wir uns von dem Hamburger Konzept, mit dem das gesamte Datenmanagement der Stadt umrissen ist. Dies reicht von der Verbindung verschiedener Systeme bis hin zur Veröffentlichung von Daten. Es handelt sich also um einen Gesamtrahmen von Maßnahmen, die sehr präzise beschrieben sind. So etwas habe ich noch nie in einer Verwaltung in Tschechien gesehen.“

Nur private Firmen in Tschechien seien in Sachen Datenmanagement oft schon besser aufgestellt als die Politik, fügt Dvořák an. Aber bezüglich der technischen Umsetzung der Datenportale sehe er die Stadtverwaltungen von Brünn und Hamburg durchaus auf dem gleichen hohen Niveau.

Das Resümee zum vierten Prague City Data Congress fiel bei beiden Diskutanten gleich gut aus. Der internationale Austausch sei wichtig, hieß es da unisono, und man könne Vieles voneinander lernen. Laura Buettner ergänzt noch:

„Natürlich hat jede Stadt auch ihre Besonderheiten, und es gibt durchaus Unterschiede. Aber eine bestimmte Grundstruktur oder auch die Herausforderungen sind gerade in den Metropolen ähnlich. Es ist also keine Überraschung für mich, dass etwa die Prager Vertreter auf diesem Kongress davon sprechen, den Fokus auf Klima und Mobilität legen zu wollen. Gerade dies bewegt die großen Städte ebenso wie der Beitrag, den Daten dabei leisten können.“