Die Brennerei Rudolf Jelínek – fast 130 Jahre Tradition mit Obstbränden

Der Sliwowitz ist das wichtigste Produkt der Brennerei Rudolf Jelínek. Neben dem Zwetschgenschnaps hat die Destillerie aber auch weitere Obstbrände in der Produktpalette. Im Folgenden mehr über das Unternehmen und seine lange Geschichte.

Slivovice Rudolf Jelínek Etikett,  1930er Jahre | Foto: Marcel Sladkowski: "Království slivovice - Osudy palírníků a palíren ve Vizovicích" / RUDOLF JELÍNEK a.s.

Wer hierzulande Sliwowitz sagt – oder auf Tschechisch: Slivovice –, der denkt häufig an die Brennerei Rudolf Jelínek. Das Unternehmen hat seinen Sitz im ostmährischen Vizovice / Wisowitz und gehört zu den größten Produzenten des Zwetschgenschnapses weltweit.

„Wir produzieren mehrere Dutzend Varianten des Sliwowitz. Im Prinzip unterscheiden sich aber auch alle Chargen voneinander. Hier haben wir beispielsweise eine spezielle Flasche. In diesem Fall wurde eine einzige Sorte Zwetschgen aus demselben Jahr verwendet. Sie unterscheidet sich deutlich von einem Sliwowitz einer anderen Sorte aus demselben Jahr. Wir können gar kein einheitliches Produkt herstellen, denn das Spiel der Natur schafft immer etwas Spezifisches“, so erläutert es Miroslav Motyčka. Er ist Marketingchef bei Rudolf Jelínek.

Mit ihrem Sliwowitz hat sich die Brennerei dereinst auf dem Markt durchgesetzt. Das Unternehmen wurde so zum wichtigsten Exporteur von Obstbränden in der Tschechoslowakei und hält diese Stellung auch im heutigen Tschechien. Deutschland gehört dabei zu den größten Absatzmärkten. Während der Corona-Krise gingen die Umsätze der Firma zunächst zurück, im vergangenen Jahr lagen sie aber schon wieder bei rund 550 Millionen Kronen (22,5 Millionen Euro). Das waren nicht nur 20 Prozent mehr als 2021, sondern bedeutete auch eine Steigerung um fünf Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019.

Koscherer Sliwowitz

Zikmund Jelínek | Foto: Rudolf Jelínek a. s

Vizovice mit knapp 5000 Einwohnern liegt in Ostmähren, fast an der Grenze zur Slowakei. Hier am Ort des Firmensitzes von Rudolf Jelínek ist bereits für das Ende des 16. Jahrhunderts die Branntweinproduktion belegt. Zu Anfang wurden Abfälle vom Bierbrauen verarbeitet, später Getreide. Erst im 19. Jahrhundert gingen die örtlichen Obstbauern dazu über, auch Früchte zu Hochprozentigem zu vergären.

Die Familie Jelínek stammte allerdings gar nicht aus dem Städtchen. Sie kam erst in den 1880er Jahren nach Vizovice und pachtete dort eine Brennerei. Als Gründungsjahr des Unternehmens gilt 1894, als kleinere Obstbauern eine eigene Aktiengesellschaft unter dem Namen Razov gründeten. Ihnen waren die Absatzmärkte für ihre Früchte weggebrochen – darum gab es sozusagen Berge von Obst in Vizovice, wie der Historiker Marcel Sladkowski aus dem Staatsarchiv in Zlín in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks schilderte:

„Die mährische Walachei, wie die Region heißt, eignet sich sehr gut für den Anbau von Zwetschgen. Noch im Jahr 1900 gab es allein in der Gegend von Vizovice 77.000 Obstbäume. Und davon waren 68.000 Zwetschgenbäume. Das machte fast 90 Prozent aus.“

Der Name der Familie tauchte aber erst nach dem Ersten Weltkrieg im Firmenlogo auf. Dort stand „Zikmunda Jelínka synové“ – also die Söhne von Zikmund Jelínek. 1921 taten diese einen wichtigen Schritt und kauften mit Razov die mittlerweile größte Brennerei in Vizovice auf. Nur fünf Jahre später trennten sich die Brüder Jelínek geschäftlich: Rudolf Jelínek übernahm den Teil Razov und gab ihm seinen Namen, und Vladimír Jelínek blieb im ursprünglichen Familienbetrieb. Die heutige Firma Rudolf Jelínek beruft sich also auf die vor 101 Jahren zugekaufte Brennerei…

Weinetikett für Brombeerlikör und Kirschlikör für den Export in die USA,  1960er Jahre | Foto: Marcel Sladkowski: Království slivovice - Osudy palírníků a palíren ve Vizovicích / Archiv společnosti RUDOLF JELÍNEK a.s.

Ein weiterer Wendepunkt wurde das Jahr 1934. Gerade war in den USA die Prohibition aufgehoben worden, und Rudolf Jelínek schielte auf den Markt in Übersee. Dabei erkannte er, der selbst jüdisch war, die Chancen für einen koscheren Sliwowitz. Mit diesem gelang der internationale Durchbruch.

Doch ihre Herkunft wurde der Familie wenige Jahre später zum Verhängnis. Mitte März 1939 marschierte Hitler in Böhmen und Mähren ein.

„Rudolf Jelínek war ab März 1939 in den Vereinigten Staaten und versuchte für seine Familie die Ausreise auszuhandeln. Das gelang ihm aber nicht, und er kehrte im Herbst des Jahres nach Mähren zurück. Die Jelíneks wurden danach wie alle anderen jüdischen Familie ihres Besitzes beraubt, die Firma erhielt einen deutschen Zwangsverwalter. Letztlich wurden die Besitzer gezwungen, ihr Unternehmen zu verkaufen. 1943 wurden die Jelíneks mit den anderen Juden aus Vizovice ins KZ Theresienstadt verschleppt. Im Herbst des darauffolgenden Jahres deportierten die Nationalsozialisten dann Rudolf Jelínek und seine Frau ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, wo beide ums Leben kamen“, so Historiker Sladkowski.

1934 endete die Prohibition in den Vereinigten Staaten und Rudolf Jelínek beschloss,  mit koscheren Destillaten in die USA zu expandieren. | Foto: Marcel Sladkowski: "Království slivovice - Osudy palírníků a palíren ve Vizovicích" / RUDOLF JELÍNEK a.s.

Rudolf Jelínek hatte zwei Söhne, die beide den Holocaust überlebten. Zdeněk, der ältere von beiden, war Widerstandskämpfer gewesen, er starb aber 1946 an Tuberkulose. Jiří, der jüngere, hatte Auschwitz durchgemacht und wurde erst 1948 volljährig. Im gleichen Jahr kam es aber zur Verstaatlichung des elterlichen Betriebes. Jiří Jelínek entschloss sich, nach Israel zu emigrieren. Vorher überschrieb er jedoch selbst die Rechte an der Firma an den tschechoslowakischen Staat. Dazu der Geschichtswissenschaftler:

„Der Betrieb lief also weiter, und man behielt auch den erfolgreichen Markennamen Rudolf Jelínek bei. Denn für den Staat war die Produktion von Sliwowitz in Vizovice ein einträgliches Geschäft, durch das Devisen in den Haushalt flossen. Erst nach der politischen Wende von 1989 gelangte das Unternehmen wieder in private Hände.“

Re-Privatisierung und eigene Obstgärten

Die Firma Jelínek kaufte das Land im Jahr 2003 und legte darauf die ersten Pflaumenplantagen an. Die erste Ernte von ihnen fand 2008 statt und brachte die erste limitierte Auflage hervor. | Foto: Marcel Sladkowski: "Království slivovice - Osudy palírníků a palíren ve Vizovicích" / RUDOLF JELÍNEK a.s.

Heute gehört die Brennerei zu einer Gruppe von Aktionären um Pavel Dvořáček, die 1995 in die Firma eingestiegen waren. Seit 1998 steht der Investor an der Spitze des Vorstandes, und mittlerweile handelt es sich um einen Konzern mit mehreren Tochtergesellschaften. Der Hauptsitz ist aber weiter in Vizovice.

Und dort hat die Firma seit 2003 auch wieder eigene Obstgärten in ihrem Besitz. Außer in Tschechien wird zudem noch in Bulgarien und in Chile angebaut, wo Tochtergesellschaften bestehen. Marketingchef Miroslav Motyčka erläutert, wie aus der Frucht Hochprozentiges entsteht:

Vorstandsvorsitzender Pavel Dvořáček | Foto: Roman Verner,  Tschechischer Rundfunk

„Die Zwetschgen müssen reif geerntet werden. Ob sie bereits so weit sind, bestimmen wir anhand des Zuckergehalts der Frucht. Jede Sorte erreicht einen anderen Zuckergehalt. Als beste Sorten gelten jene, die später reif werden, also im August oder September. Wir ernten einige Sorten sogar erst im Oktober, die späteste ist die Presenta.“

Für die Weiterverarbeitung werden die Früchte zerkleinert. So entsteht die Maische. Das A und O dabei ist die Frage, was mit den Steinen geschieht…

„Beim tschechischen – oder sagen wir: mitteleuropäischen – Sliwowitz müssen auch die Steine zu schmecken sein. Hierzulande wurde immer ein gewisser Anteil an Steinen in der Maische mitvergoren. Das lässt die Tannine hervortreten, also eine gewisse holzige Note im Geschmack. Meiner Meinung nach ist dies eines der wichtigsten Charakterelemente für einen tschechischen Sliwowitz“, erläutert der Marketingchef.

Foto: Roman Verner,  Tschechischer Rundfunk

Anschließend muss die Maische gären. Wie lange das dauert, liegt am Zuckergehalt und sehr stark auch an der Außentemperatur. Im Sommer reichen dafür zwei bis drei Wochen, später im Herbst sind es bis zu zwei Monate.

Im nächsten Arbeitsprozess wird in einer Destille gebrannt. Bei Rudolf Jelínek geschieht das dreimal, um einen Brand von rund 70 Prozent Alkohol zu erhalten. Nur mit Wasser verdünnt wird daraus dann ein trinkbares Produkt. Das kommt aber erst einmal in Fässer: Jene aus rostfreiem Stahl sind dabei für den hellen Sliwowitz gedacht. Aber was ist in den Eichenfässern?

„Wir sind zwar keine Winzer, aber wir lassen einige Produkte in Eichenfässern reifen. Dabei handelt es sich um dunklen Sliwowitz, Aprikosenschnaps, Apfelbrand aus unserer regionalen Sorte Moravská jadernička sowie einige weitere Brände. Obwohl wir einer der größten Sliwowitz-Produzenten auf der Welt sind, entstehen bei der Reifung Endprodukte, die sich je nach Fass stark voneinander unterscheiden. Das jeweilige Fass ist also ein weiterer Faktor für die Diversität der Brände – neben der Obstsorte und der Reife“, so Miroslav Motyčka.

Der dunkle Sliwowitz wird aus getrockneten Früchten hergestellt und ist seit 2008 auf dem Markt. Insgesamt nutzt die Firma Rudolf Jelínek übrigens neun unterschiedliche Zwetschgensorten in ihrer Produktion.

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